Old Shatterhand, der Neger Bob und der Bärenjäger

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Rene Grießbach
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Old Shatterhand, der Neger Bob und der Bärenjäger

Beitrag von Rene Grießbach »

Hab ich einfach mal hierher kopiert, weil das Zitat aus einer Jugenderzählung stammt:
Aufgelesen:


Zitat:

Old Shatterhand dagegen, heiterem Naturells und ungewöhnlich menschenfreundlich, gab ihnen, sogar dem Neger, die Hand.

:D

(aus 'Der Sohn des Bärenjägers')

Das hier ist eine der Stellen, bei denen mir Old Shatterhand / Karl May als wenig sympatisch erscheint.
Nein, ich meine nicht, weil er dem Neger die Hand gibt. Sondern ich meine das kleine Wörtchen "sogar". Ist es denn eine Herablassung des Weißen, dem Schwarzen die Hand zu geben? Und das noch dazu in einer Jugenderzählung, womit ein Überlegenheitsgefühl des Weißen gegenüber anderen manifestiert wird?

In diesem Kontext gibt es in dem Roman ja auch die Szene, in der Bob vom Skunk angespritzt wird. Er wird darauf ausgegrenzt und (u.a. vom Hobblefrank) übel beschimpft. Dass der Geruch die Ursache dafür ist und nicht etwa Rassismus, das ist mir schon klar, nur hätten das seine Gefährten ihm auch anderweit, v.a. kameradschaftlich, rüberbringen können. Das hätte auch auf die Zielgruppe des Romans, die Jugend, eine bessere erzieherische Wirkung gehabt. Das Bob ein ebenso tapferer und kämpferischer Gefährte wie die weißen Westmänner und die Indianer ist, spielt in dieser Szene keine Rolle mehr.
Die Krönung des Ganzen ist, dass Old Shatterhand Bob sogar mit angelegtem Gewehr vom gemeinsamen Lagerplatz fernhält. Die erklärende Formulierung in der Szene, dass er ja nicht wirklich geschossen hätte, macht das nicht besser. Ein Mensch, der ein Gewehr auf sich gerichtet fühlt, wird das immer als Bedrohung empfinden. In den Kopf des Menschen, der mit dem Gewehr droht, kann er ja nicht hineinsehen.
Also: Mr. Shatterhand, das war kein Heldenstück.

Aber immerhin, am Ende des Romans doch noch die positive Belehrung der Leser durch den Schriftsteller:
Baumann, der Bärentöter, zu dessen Befreiung der Zug unternommen worden war, hatte den Hobble-Frank an sein Herz gezogen. Beide weinten heiße Freudenthränen.
»Dir, du treuer Mensch, habe ich gewiß zum größten Teile meine Rettung zu verdanken,« sagte der Bärentöter. »Wie aber ist es dir möglich gewesen, eine so große Schar meiner Befreier zusammenzubringen?«
Frank wies alles Verdienst von sich ab, machte ihn darauf aufmerksam, daß man jetzt keine Zeit zu langen Erzählungen und Erklärungen habe, und schloß daran, indem er flußabwärts deutete, den Fingerzeig:
»Dort kommen andere, welche viel mehr Dank verdienen als ich. Ich habe weiter nichts als meine Pflicht gethan.«
Baumann sah seine fünf Gefährten, welche mit ihm von den Sioux gefangen genommen worden waren, kommen. Vor ihnen ritten Martin, sein Sohn, Wohkadeh und Bob. Er eilte ihnen entgegen. Als der Neger seinen Herrn erblickte, sprang er vom Pferde, lief auf ihn zu, sank vor ihm auf die Knie (...)
Baumann hob ihn auf und wollte ihn in die Arme ziehen. Bob aber wehrte sich dagegen und erklärte:
»Nein, Massa, nicht umarmen Masser Bob, denn Bob haben getötet schlimm Stinktier und sein noch immer nicht ganz gut von Geruch.«
»Ach was, Stinktier! Du bist zu meiner Rettung ausgezogen, und ich muß Dich umarmen!«
Eine schallende Ohrfeige für die andern Westmänner, allen voran Old Shatterhand. (Ob letzteres Karl May bewusst war?)
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rodger
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Re: Old Shatterhand, der Neger Bob und der Bärenjäger

Beitrag von rodger »

Rene Grießbach hat geschrieben:Sondern ich meine das kleine Wörtchen "sogar".
Ja, klar, (th'is clear ...), das ist der 'Witz' bei der Stelle, deshalb habe ich sie zitiert. Wobei, was uns heute komisch anmutet, damals halt so gesehen wurde ... Die Zeiten ändern sich. (Und zwar geht es dabei nicht linear oder gar fortschrittlich zu, sondern halt mehr oder weniger immer im Kreis herum ...)
In diesem Kontext gibt es in dem Roman ja auch die Szene, in der Bob vom Skunk angespritzt wird. Er wird darauf ausgegrenzt und (u.a. vom Hobblefrank) übel beschimpft.
Man möchte halt nicht stinken ... und nicht selber dem elenden Geruch ausgesetzt sein. Nachvollziehbar. Und es wird ja ausdrücklich erklärt daß es offenbar wirklich nicht zu ertragen ist. Und wenn es ein anderer gewesen wäre hätte man ebenso reagiert.
Die Krönung des Ganzen ist, dass Old Shatterhand Bob sogar mit angelegtem Gewehr vom gemeinsamen Lagerplatz fernhält.
Das ist seltsam, ja, aber vielleicht ging Shatterhand davon aus daß Bob es sonst nicht kapiert hätte, daß er nicht näherzukommen hat.
Eine schallende Ohrfeige für die andern Westmänner, allen voran Old Shatterhand.
Keineswegs. Es ist nicht halt mehr so schlimm mit dem Geruch, da hat es Baumann leichter, so zu reagieren ...
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rodger
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Re: Old Shatterhand, der Neger Bob und der Bärenjäger

Beitrag von rodger »

Rene Grießbach hat geschrieben:(u.a. vom Hobblefrank) übel beschimpft.
Zunächst aber ist der der einzige, der ihm hilft:
»Thunder-storm!« schrie er zornig. »Skunk können doch nicht ewig hängen bleiben an Hand von Masser Bob! Sein denn niemand da, kein gut, liebevoll Mensch, der wollen helfen armen Masser Bob?«

Das erbarmte den Sachsen. Sein mitleidiges Herz gab ihm das Wagnis ein, den Neger von seinem toten Feinde zu erlösen. Er näherte sich ihm, allerdings nur sehr langsam und sagte:

»Höre, liebster Bob, ich will's mal versuchen. Du duftest mir zwar sehre nach Geruch, aber meine Menschlichkeet wird's wohl überwinden. Aber ich mach' die Bedingung, daß du mich nich etwa berührst!«

»Masser Bob nicht kommen an Massa Frank!« beteuerte der Neger.

»Nun gut! Doch ooch deine Kleeder dürfen nich an die meinigen kommen, sonst duften wir zu zweet, und ich will dir dieses ehrenvolle Recht doch lieber alleene überlassen.«

»Massa Frank nur kommen! Masser Bob sich ganz sehr in acht nehmen!«

Es war wirklich eine Art von Heldentum zu nennen, daß der kleine Sachse jetzt zu dem Schwarzen trat. Winnetou, Old Shatterhand, Jemmy und Davy, die sonst so kühnen Männer, wagten es nicht. Streifte Frank nur leise eine Stelle an Bobs Kleidung, welche von der Flüssigkeit getroffen war, so verfiel er dem Schicksal eines Ausgestoßenen, wenn er es nicht vorzog, sich für immer seiner Kleidung zu entäußern.

je näher er kam, desto stärker und widerlicher wurde der Gestank, welcher ihm fast den Atem nahm. Aber er hielt tapfer aus.

»Nun, schtreck mir mal den Arm entgegen, Schwarzer!« gebot er. »Gar zu nahe an dich heran will ich mich doch nich wagen.«

Bob gehorchte diesem Befehle, und der Sachse faßte mit der einen Hand die obere und mit der anderen die untere Kinnlade des Tieres, um den Neger zu befreien. Es gelang ihm das nur durch Aufbietung aller seiner Kräfte. Er mußte das Maul des Skunks geradezu aufbrechen und sprang dann eiligst wieder zurück. Es war ihm ganz schwindelig, als ob er umfallen müsse, so infernalisch roch der Neger.
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Helmut
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Re: Old Shatterhand, der Neger Bob und der Bärenjäger

Beitrag von Helmut »

Man kann das "sogar" auch anders verstehen, nämlich ungefähr so: "im Gegensatz zu anderen (Weißen) gab OS eben auch dem Schwarzen die Hand".
Ich denke, dass dies auch den Intentionen Mays insbesondere in den Jugenderzählungen eher entspricht; denn dort ging es ihm ja u.a. auch darum, zu zeigen dass z.B. "Behinderte" (Humpelnde, Bucklige, übermäßg dicke) vollwertige Menschen (ja sogar "vollwertige Westmänner") sind, und man niemand wegen reiner Äußerlichkeiten auszugrenzen ist.
Und sein Verhältnis zu "Negern" kommt ja z.B. in der "Sklavenkarawane" ganz anders zum Ausdruck.
Das mit dem Gestank hat einen ganz anderen Zusammenhang, es soll vielleicht einfach nur lustig sein.

Helmut
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rodger
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Re: Old Shatterhand, der Neger Bob und der Bärenjäger

Beitrag von rodger »

Helmut hat geschrieben: Und sein Verhältnis zu "Negern" kommt ja z.B. in der "Sklavenkarawane" ganz anders zum Ausdruck.
Inwiefern ganz anders ?
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Helmut
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Re: Old Shatterhand, der Neger Bob und der Bärenjäger

Beitrag von Helmut »

Weil einige von ihnen zu den Haupthandelnden zählen und zu den "Identifikationsfiguren" für die (jugendlichen) Leser.

Helmut
markus
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Re: Old Shatterhand, der Neger Bob und der Bärenjäger

Beitrag von markus »

Man darf auch nicht vergessen dieser Roman wurde nicht in der heutigen politisch korrekten Zeit geschrieben (zum Glück). Und wie aus den Kommentaren von Helmut und rüdiger hervorgeht, ist das Glas halb voll und nicht halb leer... :wink: :D
markus
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Re: Old Shatterhand, der Neger Bob und der Bärenjäger

Beitrag von markus »

Eines der besten Erzählungen mays überhaupt... :D
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Helmut
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Re: Old Shatterhand, der Neger Bob und der Bärenjäger

Beitrag von Helmut »

markus hat geschrieben:Man darf auch nicht vergessen dieser Roman wurde nicht in der heutigen politisch korrekten Zeit geschrieben (zum Glück). Und wie aus den Kommentaren von Helmut und rüdiger hervorgeht, ist das Glas halb voll und nicht halb leer... :wink: :D

Ich würde auch eine heute in "politisch korrekter Sprache" geschriebene Erzählung gut finden, wenn sie ähnliche Qualitäten hätte wie die May'schen.
:wink: :lol:

Helmut
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Re: Old Shatterhand, der Neger Bob und der Bärenjäger

Beitrag von markus »

Helmut hat geschrieben:
markus hat geschrieben:Man darf auch nicht vergessen dieser Roman wurde nicht in der heutigen politisch korrekten Zeit geschrieben (zum Glück). Und wie aus den Kommentaren von Helmut und rüdiger hervorgeht, ist das Glas halb voll und nicht halb leer... :wink: :D

Ich würde auch eine heute in "politisch korrekter Sprache" geschriebene Erzählung gut finden, wenn sie ähnliche Qualitäten hätte wie die May'schen.
:wink: :lol:

Helmut
Achja? Dann würde ich gerne mal wissen ob du das Lied "Da steht ein Pferd aufm Flur" in der politisch korrekten Weise "Da steht ein Pferd unten im Stall und wird artgerecht gehalten" mögen würdest... :wink: :mrgreen:
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rodger
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Re: Old Shatterhand, der Neger Bob und der Bärenjäger

Beitrag von rodger »

Hier in Winnetou II haben wir auch so etwas [wenn man so will] "politisch unkorrektes" ...
Als er unsere Pferde Sah, welche von den Vaqueros herbeigebracht wurden, meinte er kopfschüttelnd zu Old Death:
»Das sind keine Pferde für Euch, Sennor. Ihr wißt, welchen Wert ein gutes Pferd besitzt. Dieser Sennor Lange und sein Sohn gehen mich nichts an, ebensowenig der Neger. Ihr aber seid ein alter Freund von mir, und da Ihr diesen jungen Herrn so in Euer Herz geschlossen habt, so habe ich ihm auch das meinige geöffnet. Ihr beide sollt bessere Pferde haben.«
Wir nahmen das Anerbieten das Hacienderos dankend an. Auf seinen Befehl fingen die Vaqueros zwei halbwilde Pferde ein, welche wir an der Stelle der unserigen nehmen mußten. Dann verabschiedeten wir uns von ihm und seinen Damen und brachen mit den Comanchen auf.

(Karl May)
Aber das ließ sich ändern:
Als er unsere Pferde bemerkte, die von den Vaqueros herbeigebracht wurden, meinte er kopfschüttelnd zu Old Death:
"Das sind keine Pferde für Euch, Senor. Ihr wisst, welchen Wert ein gutes Pferd besitzt. Ihr seid ein alter Freund von mir und so sollt Ihr und Eure Gefährten bessere Pferde haben, denn der Ritt, den Ihr vor Euch habt, ist lang und beschwerlich."
Wir nahmen das Anerbieten Don Atanasios dankend an. Auf seinen Befehl fingen die Vaqueros fünf halbwilde Tiere für uns ein. Dann verabschiedeten wir uns von ihm und seinen Damen und brachen mit den Komantschen auf. Ind-nischo, den wir als schwer verwundeten, kranken Mann zurücklassen mussten, ist, wie ich später hörte, von nachfolgenden Apatschen abgeholt worden und hat die Zeltdörfer seiner Heimat wohlbehalten erreicht.

(Bamberger Fassung, © 2001, S. 234)
Wie schrieb Helmut Schmiedt einmal anhand eines anderen Beispiels, wieder ist Ardistan schöner geworden ... :D

(und ein anderer stellte fest, die Gleichheit der Menschen möge ein Gesetz sein, aber keine Macht der Welt könne sie zu einer Tatsache machen ...)
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Helmut
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Re: Old Shatterhand, der Neger Bob und der Bärenjäger

Beitrag von Helmut »

markus hat geschrieben:
Helmut hat geschrieben:
markus hat geschrieben:Man darf auch nicht vergessen dieser Roman wurde nicht in der heutigen politisch korrekten Zeit geschrieben (zum Glück). Und wie aus den Kommentaren von Helmut und rüdiger hervorgeht, ist das Glas halb voll und nicht halb leer... :wink: :D

Ich würde auch eine heute in "politisch korrekter Sprache" geschriebene Erzählung gut finden, wenn sie ähnliche Qualitäten hätte wie die May'schen.
:wink: :lol:

Helmut
Achja? Dann würde ich gerne mal wissen ob du das Lied "Da steht ein Pferd aufm Flur" in der politisch korrekten Weise "Da steht ein Pferd unten im Stall und wird artgerecht gehalten" mögen würdest... :wink: :mrgreen:
Natürlich nicht, aber das habe ich auch nicht geschrieben, sondern (angewendet auf diesen Fall): Wir würde ein heute (in politisch korrekter Sprache) geschriebenes Lied (vielleicht) gefallen, wenn es ähnliche Qualitäten hätte, wie "Da steht ein Pferd auf dem Flur".

Helmut
markus
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Re: Old Shatterhand, der Neger Bob und der Bärenjäger

Beitrag von markus »

Es hätte ja keine Qualitäten denn es wäre nur ein einziger bürokratisch verwurschtelter Brei.
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Helmut
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Re: Old Shatterhand, der Neger Bob und der Bärenjäger

Beitrag von Helmut »

markus hat geschrieben:Es hätte ja keine Qualitäten denn es wäre nur ein einziger bürokratisch verwurschtelter Brei.
Ich denke, es gibt da ziemlich viele Beispiele gegen das, was Du da schreibst.
(Ich lese z.B. gerade den "Hundertjährigen ..." von Jonasson.)


Helmut
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