Das Internet ist ein Geschwätz-Medium

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Faterson
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Das Internet ist ein Geschwätz-Medium

Beitrag von Faterson »

Aus gegebenem Anlass hier ein kleiner Essay zur Natur des Internets. Es ist dies alles eigentlich selbstverständlich, für manche vielleicht dennoch neu. Und weil diese Rubrik des Forums Internet-Greenhorn heißt, könnte vielleicht die unten angeführte Zusammenfassung von Grundsätzen für jemand hilfreich sein.

Man soll Internetdiskussionen nicht zu ernst nehmen — als ob sie Wissenschaftsveranstaltungen wären.

Nein, das Gegenteil ist wahr: im Internet muss man stets damit rechnen, dass 99% dessen, was man zu lesen und als Antworten auf seine Fragen bekommt, grober Unfug, irrelevant und was sonst noch sein wird. Erstaunt muss man sein, wenn man mal ausnahmsweise was Intelligentes zu lesen bekommt. Deshalb ist es doch ein wenig lächerlich, wenn sich jemand deswegen aufregt, weil irgendeine Antwort angeblich irrelevant ist. Das ist wirklich das Benehmen eines Don Quixote. Da kann man nur sagen: „Na und :?: Das ist die Norm im Internet, dass man irrelevant schwätzt.“

Der entscheidende Unterschied ist dieser: beim Lesen von Büchern erwartet man, dass keine Zeile überflüssig ist. Wenn man ein Buch ordentlich lesen möchte, darf man nicht beliebig Seiten oder Zeilen überspringen. Man sollte schon ordentlich den ganzen Text des Buchs lesen, von Anfang bis Ende, in allen Zusammenhängen.

Das Lesen im Internet verläuft ganz anders. Man liest nicht so sehr, wie man bloß herumhüpft. Man liest ein paar Zeilen hier, und ein paar Zeilen dort. Was uninteressant oder irrelevant ist — und das wird das Allermeiste sein, was das Internet zu bieten hat —, das überspringt man einfach. Es ist jedoch unangebracht, sich aufzuregen, weil etwas irrelevant ist, und Menschen anzugreifen, die im Internet angeblich Irrelevantes schreiben. Das ist, als ob man auf die Natur böse wäre, nur weil es irgendwann mal auch regnet und nicht immer die Sonne scheint. Und man würde das Wasser verdammen, nur weil es vom Himmel auf einen herunterströmt. Na und :?: Das ist die Natur der Dinge. Es gibt schlechtes Wetter, und es gibt Irrelevantes im Internet. Und: was für mich irrelevant ist, kann für andere höchst interessant und nützlich sein. Kein Grund zur Aufregung, kein Grund zum Angriff auf den Verursacher des Regens, des Geschwätzes. Man sieht darüber hinweg und macht weiter, als ob nichts geschehen wäre. Dass die Diskussion als Ganzes hinreichend on-topic bleibt — diese Sorge darf und soll man getrost den dafür zuständigen Moderatoren überlassen.

Im Internet darf man nicht erwarten, dass man nur sachliche Antworten auf seine Fragen bekommt. Das ist eindeutig zu viel verlangt; so funktioniert das Internet nicht :!: Es ist vorrangig ein Geschwätz-Medium, kein Medium für ausschließlich rationelle Diskussionen. Auch ist es zu viel verlangt, von jemand zu fordern, dass er entweder sachlich und rationell reagiert oder schweigt. Blöde Reaktionen wird es immer geben. Statt sich über sie aufzuregen, soll man sie einfach ignorieren.
Zuletzt geändert von Faterson am 8.11.2008, 12:31, insgesamt 3-mal geändert.
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rodger
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Re: Das Internet ist ein Geschwätz-Medium

Beitrag von rodger »

Ein hübscher (und, wie alles lesenswerte,) zeitlos allgemeingültiger Text, in dem das gleichnishafte 'Internet' (bei geringfügigen Änderungen) auch gut durch z.B. 'Kommunikation', 'Journalismus', 'Literatur', 'Kultur' u.a. ersetzt werden kann.

:D

(Nur die 99% erscheinen dem Idealisten in mir denn doch ein wenig zu hoch gegriffen)

:wink:
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Faterson
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Re: Das Internet ist ein Geschwätz-Medium

Beitrag von Faterson »

rodger hat geschrieben:(Nur die 99% erscheinen dem Idealisten in mir denn doch ein wenig zu hoch gegriffen)
Ja, klar, manchmal ist es angeraten, zu übertreiben, um etwas deutlich genug auszudrücken.

Außerdem ist es stets besser, „Erwartungen niederzuschrauben“, statt sie „hochzuschrauben“. Man soll lieber zu wenig als zu viel erwarten. Das sagte bereits Nero Wolfe:
Rex Stout hat geschrieben:Das ist der Vorteil, wenn man ein Pessimist ist: ein Pessimist erlebt lauter angenehme Überraschungen, ein Optimist lauter unangenehme.

(That of course is the advantage of being a pessimist; a pessimist gets nothing but pleasant surprises, an optimist nothing but unpleasant.)
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Helmut
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Re: Das Internet ist ein Geschwätz-Medium

Beitrag von Helmut »

Einen Punkt, lieber Sascha, den ich noch bei deinen sonst sehr zutreffenden Zeilen ergänzen möchte, betrifft das "irrelevant und uninteressant". Du schreibst da so, als ob dies absolut zutreffend wäre. Aber gerade das ist natürlich vollkommen subjektiv, denn was ich als "irrelevant" oder "uninteressant" empfinde, deckt sich vermutlich nur in einem geringen Teil mit dem was Du (dies nur als willkürliches Beispiel) so siehst.
Mit anderen Worten, was ein Diskussions/Foren-teilnehmer als vollkommen irrelevant und/oder uninteressant findet, kann für einen anderen - die ja hier auch alle mitlesen, und für die ja solche Beiträge auch mit gedacht sind - durchaus als höchst willkommene Bereicherung gesehen werden.

Helmut
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Faterson
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Re: Das Internet ist ein Geschwätz-Medium

Beitrag von Faterson »

Du hast absolut recht in allem, was du sagst, Helmut. Dein Beitrag liefert eine zusätzliche Erklärung dafür, warum man sich im Internet nie darüber aufregen soll, was angeblich irrelevant oder uninteressant ist. Auch sehe ich nicht, dass dies mein ursprünglicher Beitrag bestreiten möchte; im Gegenteil hatte ich mir Mühe gegeben, das Wort angeblich darin zweimal zu verwenden, eben weil, was für mich irrelevant ist, für andere höchst interessant und nützlich sein kann.

Helmuts Ergänzung habe ich soeben, um die Sache zu verdeutlichen, in den ursprünglichen Text aufgenommen (nach dem Satz: Es gibt schlechtes Wetter, und es gibt Irrelevantes im Internet.). Danke an Helmut :!:
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