Wanda
Wanda
Beschäftigen wir uns heute einmal mit bzw. würdigen:
Fräulein Wanda, oder, wie sie allgemein genannt wurde, die wilde Polin.
Als sie vor mehreren Jahren die Residenz mit ihrem jetzigen Aufenthaltsorte vertauscht hatte, war eine rasch um sich greifende Epidemie unter der jungen Männerwelt der Stadt ausgebrochen, welche der alte bißfertige Doctor Kühne mit dem Namen Wandamanie bezeichnet hatte. Da aber das schöne Mädchen auch nicht die geringste Notiz von dieser höchst interessanten Krankheitsform nahm und selbst die hoffnungslos Darniederliegenden vollständig und consequent ignorirte, so verwandelte sich der Paroxismus nach und nach in ein Toggenburgisches Schmachten in die Ferne, und Wanda war Königin, ohne daß es Einer ihrer Unterthanen gewagt hätte, ihr eine officielle Huldigung darzubringen.
Von der Natur mit den herrlichsten Gaben ausgestattet, glänzte sie als leuchtendes aber unberechenbares Phänomen am gesellschaftlichen Himmel. Während Andere ruhig ihre Bahnen wandelten, flimmerte sie in den verschiedensten Lichtern, zuckte blitzähnlich von einem Punkte zum anderen, warf oft die ganze Planetenstellung über den Haufen und hätte auch den kaltblütigsten Astronomen zur Verzweiflung bringen können. Für sie gab es keine dehorsielle Unmöglichkeit. Sie ritt trotz eines Husarenleutnants, schoß mit den Jägerburschen um die Wette, betrat ganz unerwartet den Fechtboden und trieb mit dem Schläger in dem kleinen, weißen Fäustchen Jedmänniglich in die Enge, fuhr mit Vieren im sausenden Galopp über Haide und Stoppel, durch Dick und Dünn, erschien bei Tagesgrauen, wenn die ehrbaren Spießbürger sich noch in den Federn streckten, hochgeschürzt auf dem Turnplatze der Feuerwehr, um an Reck, Barren, Bock und Kletterstange ihre Meisterschaft zu bewähren, tanzte, sang und deklamirte prächtig, spielte das Piano mit ungewöhnlicher Fertigkeit, schien in jeder Sprache, in jeder Kunst und Wissenschaft zu Hause und wußte auch in die steifsten Zirkel Leben und Bewegung zu bringen.
Trotz dieser scheinbar unweiblichen Vielseitigkeit und Selbstständigkeit war jedem ihrer Worte, jeder ihrer Thaten, ihrem ganzen Wesen und Leben eine so bezaubernde Anmuth, eine so mädchenhafte Reinheit, ein so imponirender Adel aufgeprägt, daß es außer der Stiefmutter Niemanden gab, der auch nur die leiseste Spur eines Anstoßes zu entdecken gewußt hätte, und wie sie von der Männerwelt vergöttert wurde, so stand sie bei den Frauen in der unbeschränktesten Achtung und Ehrerbietung. Wo die Armuth ihre düsteren Schatten über ein Familienleben warf, wo die Krankheit drohend an die Thüren klopfte, wo irgend ein Leid den fröhlichen Schlag eines Menschenherzens hemmte, da erschien sie gewiß, um Rath, Trost und Hilfe zu bringen, und es war deshalb kein Wunder, wenn sie nicht blos von ihren Schutz- und Pflegebefohlenen, sondern auch von Anderen, die von ihrem stillen, liebevollen Walten Kenntniß nahmen, wie ein Engel verehrt wurde.
Mehr kann man eigentlich nicht verlangen …
Nächste Szene:
In ziemlich reservirter Haltung saß Wanda neben dem Verlobten, dessen rednerische Anstrengungen, nach dem leisen Unmuthe, welcher wie ein Schatten auf ihrem schönen Angesichte lag, zu urtheilen, von keinem glücklichen Erfolge gekrönt zu sein schienen.
»Also Du wirst mit aufbrechen, Wanda?«
»Nein!«
»Du wirst mitgehen, und ich bitte Dich um die Erlaubniß zu der Ueberzeugung, daß eine Dame von Deiner Distinktion an einem so plebejischen Spaße unmöglich Wohlgefallen finden könne.«
»Ich ertheile Dir meine Erlaubniß höchstens zu der Ueberzeugung, daß Du nicht das rechte Maß für dergleichen Dinge besitzest. Ich werde bleiben.«
»Wirklich?«
»Wirklich!«
»Dann zwingst Du mich, von dem Rechte, welches meine Stellung als Dein Verlobter mir ertheilt, Gebrauch zu machen, indem ich Dich diesen Schustern, Schneidern, Schmieden und Perückenmachern entziehe.«
»Ah!«
In diesem einen Laute lag eine unverhohlene Geringschätzung, und ihr großes, dunkles Auge blitzte mit spöttischem Blicke über die hagere Gestalt ihres Verlobten hin, als sie, die reichen, blonden Locken mit einer unnachahmlichen Bewegung nach hinten werfend, hinzufügte:
»Und wenn ich mir nun wirklich einen dieser Schneider und Perückenmacher zum Ballherrn wünsche? Deine so rücksichtsvoll bei den Haaren herbeigezogene Stellung als mein Verlobter giebt Dir keine andere Berechtigung, als einzig und allein diejenige, Dich in meine Wünsche fügen zu dürfen.«
Und gut Kirschen Essen ist mit ihr auch nur dann, wenn sie es will …
Warum sie so ist, wie sie ist, erfahren wir ansatzweise auch:
Wanda erhob sich, als Thomas von der Tafel stieg, auf welcher er bisher gestanden hatte, um ihr den König zuzuführen. Sie liebte das Ungewöhnliche und fühlte ihr aristokratisches Gewissen nicht im mindesten beschwert durch den Vorwurf, die Königin eines bürgerlichen Balles zu sein. Zudem war Winter ja als Vorsteher der Gesellschaft bezeichnet worden, ein Umstand, welcher ihm als Empfehlung dienen mußte. In der einfachen Natürlichkeit dieser Leute, deren harmlose Munterkeit, verbunden mit einem offenen, gutmüthigen Wesen, und unterstützt von dem treuherzigen Charakter ihres Dialektes auch eine stolzere Natur als die ihrige anmuthen und anheimeln mußte, lag wenigstens für sie nichts Verletzendes. Die Sonne des Lebens hatte für sie nur kaltes, winterliches Licht gehabt und ihr nur selten einen freundlichen, erwärmenden Strahl zugesandt. Die Quelle ihres tiefen, reinen Gemüthes war von einer falschen, auf wankenden Grundsätzen fußenden Erziehung zurückgedrängt und mit steinernem Riegelwerk verschlossen, der Reichthum ihres Geistes brach gelegt und ihr Wollen und Handeln von den rechten Bahnen seitwärts gelenkt worden. Der Anschluß an ein ihr innerlich verwandtes Wesen war ihr versagt geblieben, und so hatte sie sich stets einsam und verlassen gefühlt und in dieser Einsamkeit keine Gelegenheit gefunden, nach der echten Freiheit und Selbstständigkeit zu streben und diese hohen Güter auch in der rechten Weise anzuwenden. So war sie das geworden, als was man sie bezeichnete, die wilde Polin.
Ihre Verlobung war das Werk kalter Berechnung, der sie sich nur gezwungen gefügt hatte. Der Baron war ihr verhaßt und widerwärtig, und da er ihr mit verletzender Offenheit zeigte, daß er nur von geschäftlichen Rücksichten in ihre Nähe geführt worden sei, so machte auch sie keine Anstrengung, ihm ihre Gesinnung zu verhehlen und ersah sich aus der Verbindung mit ihm weder Glück noch Segen. Sein herrisches und hofmeisterliches Gebaren empörte sie, und mit Befriedigung ergriff sie deshalb jede Gelegenheit, sich unabhängig von ihm zu zeigen. Daher kam auch ihre gegenwärtige Bereitwilligkeit, sich von der Auction nicht auszuschließen, deren Ergebniß ganz ihren Wünschen entsprechend war. Hätte der Baron sie erstanden, so hätte sie sofort den Saal verlassen, nun er aber geschlagen worden war, beschloß sie, dem Sieger durch freundliches Entgegenkommen zu danken und heut einmal so recht fröhlich unter den Fröhlichen zu sein.
Sie hat ihren eigenen Kopf und den Mut, sich ihres eigenen Verstandes zu bedienen …
„Unfehlbar“ ist sie wiederum auch nicht:
War es möglich? Deutlich fühlte sie das zornige Klopfen ihres Herzens; das Auge öffnete sich weit bei dem Anblicke des rußgeschwärzten Mannes, und über ihre weichen Züge legte sich jene strenge Kälte, hinter deren Schild die gekränkte Weiblichkeit sich so gern und erfolgreich flüchtet. Ein rascher Blick in das Angesicht des Barons zeigte ihr ein schadenfrohes, höhnisches Lächeln, welches ihr die in diesem Augenblicke so nothwendige Fassung zu rauben drohte und ihr es schwer, ja fast unmöglich machte, das Richtige zu treffen.
Und einsichtsfähig ist sie auch:
Sie schien seine Worte gar nicht gehört zu haben. Ihr Auge hing noch an der Thür, welche sich hinter dem Essenkehrer geschlossen hatte. Die Härte in ihren Zügen war gewichen und hatte einem sinnenden Ausdrucke Platz gemacht. Wie kam dieser Mann zu der noblen Tournüre und behenden Sprachfertigkeit, die er während des ganzen für sie so beleidigenden Vorganges gezeigt hatte? Woher kam ihm die Geschicklichkeit. diese Beleidigung zu pariren und auf die Gegner zurückzuwerfen? War diese sonore, metallreiche Stimme nicht schon einmal an ihr Ohr geklungen und warum hatte dieselbe bei den Worten: »ich kenne Sie nicht« einen so merkwürdigen Klang gehabt?
Es wurde ihr klar, daß der faux pas, den sie begangen, größer war als der seinige, wenn bei ihm überhaupt von einem solchen die Rede war. Sie war nicht nur unhöflich, sondern sogar undankbar und rücksichtslos gewesen. Während die Andern sich in ihrem Vergnügen nicht hatten stören lassen, war er dem Rufe der Pflicht gefolgt und derselben gewiß im vollsten Maße nachgekommen. Sein Habit war verbrannt und zerrissen, und grad' der unausstehliche Geruch desselben führte den deutlichsten Beweis, daß er sich sogar mitten in die Flammen hineingewagt habe. Und diesem braven, vielleicht sogar kühnen Manne, der obendrein ihretwegen eine so bedeutende Ausgabe gemacht hatte, war für alles Das nur bittere Kränkung geworden. O, wie haßte sie den Baron, dessen Blick sie getrieben hatte, Worte zu sprechen, die sie jetzt bereuen mußte.
Und was nun? Die Freude war gestört, und wenn auch Viele der Anwesenden ihr Verhalten gerechtfertigt fanden, so war doch bei den Anderen die Unzufriedenheit mit demselben desto deutlicher zu erkennen, und sie selbst konnte sich bei dem Nachdenken über ihre Lage einer kleinen Verlegenheit nicht erwehren.
Wenn einem einer mitteilt, dass er einen liebt
»Dir meine Huldigung zu bringen,
Nah' ich, ein armer Troubadour.
D'rum laß fortan mein Lieb erklingen,
In Deiner Locken duft'ger Spur.«
ist es kein Wunder, wenn man errötet. (Wer solcher Regungen nicht mehr fähig wäre, sollte sich fragen, ob bei ihm noch alles in Ordnung ist.) Sie ist auch sehr schnell wieder gefasst und zettelt eine kleine Spielerei an, so ist das Leben:
Bei dem Klange dieser Stimme, an welcher sie sofort den Essenkehrer erkannte, zog tiefe Röthe über das Antlitz Wanda's, aber sie faßte sich schnell und erwiderte:
»Der Sänger ist uns hoch willkommen! Weilt bei uns, lieber Troubadour, und nehmt hier diese Rose als Zeichen Unserer königlichen Gunst.«
Das Knie beugend, nahm er die Rose in Empfang, drückte sie an seine Lippen und steckte sie an die Brust. Hernach erhob er sich.
»Doch ist die Rose einer Königin nicht ohne schwere Mühe zu erlangen. Es soll Uns Eure Kunst den Dank erstatten.«
»Ich harre des Befehls. Sprecht, Königin.«
»Die Flamme hat in Unsrer Nachbarschaft gewüthet, und kühne Heldenthat ist bei dem Brand geschehen. Uns war es nicht vergönnt, dabei zu sein; doch möchten gern Wir sichre Kunde hören. Dort ist die Bühne; zieht den Vorhang auf und laßt sofort Uns den Bericht vernehmen.«
Sie ist sich der Außergewöhnlichkeit ihres „Spielpartners“ und ihrer eigenen bewusst, sie ist überhaupt sehr bewusst:
Wanda hatte, wie gesagt, den Schornsteinfeger wieder erkannt; sie sah sich tief beschämt durch die Delicatesse, welches er durch das Verschweigen seines Namen und die Verzichtleistung auf seine Ansprüche zeigte, und zugleich mußte sie die Feinheit bewundern, mit welcher er sich von dem Baron Satisfaction verschafft hatte, dadurch, daß er sich von keinem Andern vorstellen ließ, als von ihm, der ihn erst vor Kurzem auf eine so unmanierliche Weise fortgewiesen hatte. Die Aufgabe, welche sie ihm ertheilt, war sicher keine leichte; aber es war ihr gewesen, als müsse und werde sie ihn mit etwas Leichterem beleidigen. Er hatte sich einen Troubadour genannt, hatte in Reimen zu ihr gesprochen, und sein ganzes Wesen sprach dafür, daß er der Aufgabe gewachsen sei. Mit Spannung harrte sie deshalb der Lösung derselben.
Und sie hat, bei aller Coolness, Burschikosität und Hemdsärmeligkeit: Gefühl, und kein Problem damit, das auch zu zeigen:
Als er durch die Portiere wieder in den Saal trat, stand Wanda vor ihm und streckte ihm beide Hände entgegen. An ihren Wimpern hingen helle Tropfen und die tiefste Rührung bebte um den feinen, zitternden Mund.
»Können Sie mir verzeihen?«
»Gern, o so gern.«
»Und wollen Sie mein König sein?«
»Ich wage es nicht.«
»Aber wenn ich Sie bitte?«
»Dann gehorche ich; denn eine Bitte von Ihnen ist mir Befehl.«
»Kommen Sie schnell. Noch haben wir Blumen zu einer zweiten Krone, und ich werde bestrebt sein, Alles gut zu machen.«
(Fortsetzung folgt)
Fräulein Wanda, oder, wie sie allgemein genannt wurde, die wilde Polin.
Als sie vor mehreren Jahren die Residenz mit ihrem jetzigen Aufenthaltsorte vertauscht hatte, war eine rasch um sich greifende Epidemie unter der jungen Männerwelt der Stadt ausgebrochen, welche der alte bißfertige Doctor Kühne mit dem Namen Wandamanie bezeichnet hatte. Da aber das schöne Mädchen auch nicht die geringste Notiz von dieser höchst interessanten Krankheitsform nahm und selbst die hoffnungslos Darniederliegenden vollständig und consequent ignorirte, so verwandelte sich der Paroxismus nach und nach in ein Toggenburgisches Schmachten in die Ferne, und Wanda war Königin, ohne daß es Einer ihrer Unterthanen gewagt hätte, ihr eine officielle Huldigung darzubringen.
Von der Natur mit den herrlichsten Gaben ausgestattet, glänzte sie als leuchtendes aber unberechenbares Phänomen am gesellschaftlichen Himmel. Während Andere ruhig ihre Bahnen wandelten, flimmerte sie in den verschiedensten Lichtern, zuckte blitzähnlich von einem Punkte zum anderen, warf oft die ganze Planetenstellung über den Haufen und hätte auch den kaltblütigsten Astronomen zur Verzweiflung bringen können. Für sie gab es keine dehorsielle Unmöglichkeit. Sie ritt trotz eines Husarenleutnants, schoß mit den Jägerburschen um die Wette, betrat ganz unerwartet den Fechtboden und trieb mit dem Schläger in dem kleinen, weißen Fäustchen Jedmänniglich in die Enge, fuhr mit Vieren im sausenden Galopp über Haide und Stoppel, durch Dick und Dünn, erschien bei Tagesgrauen, wenn die ehrbaren Spießbürger sich noch in den Federn streckten, hochgeschürzt auf dem Turnplatze der Feuerwehr, um an Reck, Barren, Bock und Kletterstange ihre Meisterschaft zu bewähren, tanzte, sang und deklamirte prächtig, spielte das Piano mit ungewöhnlicher Fertigkeit, schien in jeder Sprache, in jeder Kunst und Wissenschaft zu Hause und wußte auch in die steifsten Zirkel Leben und Bewegung zu bringen.
Trotz dieser scheinbar unweiblichen Vielseitigkeit und Selbstständigkeit war jedem ihrer Worte, jeder ihrer Thaten, ihrem ganzen Wesen und Leben eine so bezaubernde Anmuth, eine so mädchenhafte Reinheit, ein so imponirender Adel aufgeprägt, daß es außer der Stiefmutter Niemanden gab, der auch nur die leiseste Spur eines Anstoßes zu entdecken gewußt hätte, und wie sie von der Männerwelt vergöttert wurde, so stand sie bei den Frauen in der unbeschränktesten Achtung und Ehrerbietung. Wo die Armuth ihre düsteren Schatten über ein Familienleben warf, wo die Krankheit drohend an die Thüren klopfte, wo irgend ein Leid den fröhlichen Schlag eines Menschenherzens hemmte, da erschien sie gewiß, um Rath, Trost und Hilfe zu bringen, und es war deshalb kein Wunder, wenn sie nicht blos von ihren Schutz- und Pflegebefohlenen, sondern auch von Anderen, die von ihrem stillen, liebevollen Walten Kenntniß nahmen, wie ein Engel verehrt wurde.
Mehr kann man eigentlich nicht verlangen …
Nächste Szene:
In ziemlich reservirter Haltung saß Wanda neben dem Verlobten, dessen rednerische Anstrengungen, nach dem leisen Unmuthe, welcher wie ein Schatten auf ihrem schönen Angesichte lag, zu urtheilen, von keinem glücklichen Erfolge gekrönt zu sein schienen.
»Also Du wirst mit aufbrechen, Wanda?«
»Nein!«
»Du wirst mitgehen, und ich bitte Dich um die Erlaubniß zu der Ueberzeugung, daß eine Dame von Deiner Distinktion an einem so plebejischen Spaße unmöglich Wohlgefallen finden könne.«
»Ich ertheile Dir meine Erlaubniß höchstens zu der Ueberzeugung, daß Du nicht das rechte Maß für dergleichen Dinge besitzest. Ich werde bleiben.«
»Wirklich?«
»Wirklich!«
»Dann zwingst Du mich, von dem Rechte, welches meine Stellung als Dein Verlobter mir ertheilt, Gebrauch zu machen, indem ich Dich diesen Schustern, Schneidern, Schmieden und Perückenmachern entziehe.«
»Ah!«
In diesem einen Laute lag eine unverhohlene Geringschätzung, und ihr großes, dunkles Auge blitzte mit spöttischem Blicke über die hagere Gestalt ihres Verlobten hin, als sie, die reichen, blonden Locken mit einer unnachahmlichen Bewegung nach hinten werfend, hinzufügte:
»Und wenn ich mir nun wirklich einen dieser Schneider und Perückenmacher zum Ballherrn wünsche? Deine so rücksichtsvoll bei den Haaren herbeigezogene Stellung als mein Verlobter giebt Dir keine andere Berechtigung, als einzig und allein diejenige, Dich in meine Wünsche fügen zu dürfen.«
Und gut Kirschen Essen ist mit ihr auch nur dann, wenn sie es will …
Warum sie so ist, wie sie ist, erfahren wir ansatzweise auch:
Wanda erhob sich, als Thomas von der Tafel stieg, auf welcher er bisher gestanden hatte, um ihr den König zuzuführen. Sie liebte das Ungewöhnliche und fühlte ihr aristokratisches Gewissen nicht im mindesten beschwert durch den Vorwurf, die Königin eines bürgerlichen Balles zu sein. Zudem war Winter ja als Vorsteher der Gesellschaft bezeichnet worden, ein Umstand, welcher ihm als Empfehlung dienen mußte. In der einfachen Natürlichkeit dieser Leute, deren harmlose Munterkeit, verbunden mit einem offenen, gutmüthigen Wesen, und unterstützt von dem treuherzigen Charakter ihres Dialektes auch eine stolzere Natur als die ihrige anmuthen und anheimeln mußte, lag wenigstens für sie nichts Verletzendes. Die Sonne des Lebens hatte für sie nur kaltes, winterliches Licht gehabt und ihr nur selten einen freundlichen, erwärmenden Strahl zugesandt. Die Quelle ihres tiefen, reinen Gemüthes war von einer falschen, auf wankenden Grundsätzen fußenden Erziehung zurückgedrängt und mit steinernem Riegelwerk verschlossen, der Reichthum ihres Geistes brach gelegt und ihr Wollen und Handeln von den rechten Bahnen seitwärts gelenkt worden. Der Anschluß an ein ihr innerlich verwandtes Wesen war ihr versagt geblieben, und so hatte sie sich stets einsam und verlassen gefühlt und in dieser Einsamkeit keine Gelegenheit gefunden, nach der echten Freiheit und Selbstständigkeit zu streben und diese hohen Güter auch in der rechten Weise anzuwenden. So war sie das geworden, als was man sie bezeichnete, die wilde Polin.
Ihre Verlobung war das Werk kalter Berechnung, der sie sich nur gezwungen gefügt hatte. Der Baron war ihr verhaßt und widerwärtig, und da er ihr mit verletzender Offenheit zeigte, daß er nur von geschäftlichen Rücksichten in ihre Nähe geführt worden sei, so machte auch sie keine Anstrengung, ihm ihre Gesinnung zu verhehlen und ersah sich aus der Verbindung mit ihm weder Glück noch Segen. Sein herrisches und hofmeisterliches Gebaren empörte sie, und mit Befriedigung ergriff sie deshalb jede Gelegenheit, sich unabhängig von ihm zu zeigen. Daher kam auch ihre gegenwärtige Bereitwilligkeit, sich von der Auction nicht auszuschließen, deren Ergebniß ganz ihren Wünschen entsprechend war. Hätte der Baron sie erstanden, so hätte sie sofort den Saal verlassen, nun er aber geschlagen worden war, beschloß sie, dem Sieger durch freundliches Entgegenkommen zu danken und heut einmal so recht fröhlich unter den Fröhlichen zu sein.
Sie hat ihren eigenen Kopf und den Mut, sich ihres eigenen Verstandes zu bedienen …
„Unfehlbar“ ist sie wiederum auch nicht:
War es möglich? Deutlich fühlte sie das zornige Klopfen ihres Herzens; das Auge öffnete sich weit bei dem Anblicke des rußgeschwärzten Mannes, und über ihre weichen Züge legte sich jene strenge Kälte, hinter deren Schild die gekränkte Weiblichkeit sich so gern und erfolgreich flüchtet. Ein rascher Blick in das Angesicht des Barons zeigte ihr ein schadenfrohes, höhnisches Lächeln, welches ihr die in diesem Augenblicke so nothwendige Fassung zu rauben drohte und ihr es schwer, ja fast unmöglich machte, das Richtige zu treffen.
Und einsichtsfähig ist sie auch:
Sie schien seine Worte gar nicht gehört zu haben. Ihr Auge hing noch an der Thür, welche sich hinter dem Essenkehrer geschlossen hatte. Die Härte in ihren Zügen war gewichen und hatte einem sinnenden Ausdrucke Platz gemacht. Wie kam dieser Mann zu der noblen Tournüre und behenden Sprachfertigkeit, die er während des ganzen für sie so beleidigenden Vorganges gezeigt hatte? Woher kam ihm die Geschicklichkeit. diese Beleidigung zu pariren und auf die Gegner zurückzuwerfen? War diese sonore, metallreiche Stimme nicht schon einmal an ihr Ohr geklungen und warum hatte dieselbe bei den Worten: »ich kenne Sie nicht« einen so merkwürdigen Klang gehabt?
Es wurde ihr klar, daß der faux pas, den sie begangen, größer war als der seinige, wenn bei ihm überhaupt von einem solchen die Rede war. Sie war nicht nur unhöflich, sondern sogar undankbar und rücksichtslos gewesen. Während die Andern sich in ihrem Vergnügen nicht hatten stören lassen, war er dem Rufe der Pflicht gefolgt und derselben gewiß im vollsten Maße nachgekommen. Sein Habit war verbrannt und zerrissen, und grad' der unausstehliche Geruch desselben führte den deutlichsten Beweis, daß er sich sogar mitten in die Flammen hineingewagt habe. Und diesem braven, vielleicht sogar kühnen Manne, der obendrein ihretwegen eine so bedeutende Ausgabe gemacht hatte, war für alles Das nur bittere Kränkung geworden. O, wie haßte sie den Baron, dessen Blick sie getrieben hatte, Worte zu sprechen, die sie jetzt bereuen mußte.
Und was nun? Die Freude war gestört, und wenn auch Viele der Anwesenden ihr Verhalten gerechtfertigt fanden, so war doch bei den Anderen die Unzufriedenheit mit demselben desto deutlicher zu erkennen, und sie selbst konnte sich bei dem Nachdenken über ihre Lage einer kleinen Verlegenheit nicht erwehren.
Wenn einem einer mitteilt, dass er einen liebt
»Dir meine Huldigung zu bringen,
Nah' ich, ein armer Troubadour.
D'rum laß fortan mein Lieb erklingen,
In Deiner Locken duft'ger Spur.«
ist es kein Wunder, wenn man errötet. (Wer solcher Regungen nicht mehr fähig wäre, sollte sich fragen, ob bei ihm noch alles in Ordnung ist.) Sie ist auch sehr schnell wieder gefasst und zettelt eine kleine Spielerei an, so ist das Leben:
Bei dem Klange dieser Stimme, an welcher sie sofort den Essenkehrer erkannte, zog tiefe Röthe über das Antlitz Wanda's, aber sie faßte sich schnell und erwiderte:
»Der Sänger ist uns hoch willkommen! Weilt bei uns, lieber Troubadour, und nehmt hier diese Rose als Zeichen Unserer königlichen Gunst.«
Das Knie beugend, nahm er die Rose in Empfang, drückte sie an seine Lippen und steckte sie an die Brust. Hernach erhob er sich.
»Doch ist die Rose einer Königin nicht ohne schwere Mühe zu erlangen. Es soll Uns Eure Kunst den Dank erstatten.«
»Ich harre des Befehls. Sprecht, Königin.«
»Die Flamme hat in Unsrer Nachbarschaft gewüthet, und kühne Heldenthat ist bei dem Brand geschehen. Uns war es nicht vergönnt, dabei zu sein; doch möchten gern Wir sichre Kunde hören. Dort ist die Bühne; zieht den Vorhang auf und laßt sofort Uns den Bericht vernehmen.«
Sie ist sich der Außergewöhnlichkeit ihres „Spielpartners“ und ihrer eigenen bewusst, sie ist überhaupt sehr bewusst:
Wanda hatte, wie gesagt, den Schornsteinfeger wieder erkannt; sie sah sich tief beschämt durch die Delicatesse, welches er durch das Verschweigen seines Namen und die Verzichtleistung auf seine Ansprüche zeigte, und zugleich mußte sie die Feinheit bewundern, mit welcher er sich von dem Baron Satisfaction verschafft hatte, dadurch, daß er sich von keinem Andern vorstellen ließ, als von ihm, der ihn erst vor Kurzem auf eine so unmanierliche Weise fortgewiesen hatte. Die Aufgabe, welche sie ihm ertheilt, war sicher keine leichte; aber es war ihr gewesen, als müsse und werde sie ihn mit etwas Leichterem beleidigen. Er hatte sich einen Troubadour genannt, hatte in Reimen zu ihr gesprochen, und sein ganzes Wesen sprach dafür, daß er der Aufgabe gewachsen sei. Mit Spannung harrte sie deshalb der Lösung derselben.
Und sie hat, bei aller Coolness, Burschikosität und Hemdsärmeligkeit: Gefühl, und kein Problem damit, das auch zu zeigen:
Als er durch die Portiere wieder in den Saal trat, stand Wanda vor ihm und streckte ihm beide Hände entgegen. An ihren Wimpern hingen helle Tropfen und die tiefste Rührung bebte um den feinen, zitternden Mund.
»Können Sie mir verzeihen?«
»Gern, o so gern.«
»Und wollen Sie mein König sein?«
»Ich wage es nicht.«
»Aber wenn ich Sie bitte?«
»Dann gehorche ich; denn eine Bitte von Ihnen ist mir Befehl.«
»Kommen Sie schnell. Noch haben wir Blumen zu einer zweiten Krone, und ich werde bestrebt sein, Alles gut zu machen.«
(Fortsetzung folgt)
Sie ist klug und „guckt gut hin“:
„Das Kleinliche besitzt im Leben ja nur deshalb so viel Macht, weil es an wirklich ausgeprägten Characteren mangelt.“
Und echter, tiefer Gefühle fähig:
„Sie fühlte, daß weder Stolz noch Selbstüberhebung aus diesen Worten sprach, und legte unwillkürlich die Hand auf das Herz, in welchem noch nie empfundene Neigungen sich geltend machen wollten.“
Sie hat schon immer ihren eigenen Kopf gehabt:
„da die Herren es liebten, sich den ganzen Tag bei Gott weiß welchem philosophischen Thema zu langweilen, so zog ich es vor, allein und ohne Begleitung, wie es auch jetzt noch meine Art und Weise ist, in Busch und Wald herumzustreichen und der Freundin Natur so recht tief und aufmerksam in das herzige Auge zu blicken.“
Und eine starke Natur ist immer noch offen für Erschütterung ihrer selbst und neue Entwicklungen:
Eine plötzliche Erkenntniß stieg jäh und leuchtend in ihr empor, und Alles, Alles, was sie bisher gedacht, gefühlt, gehofft und gewollt hatte, stürzte haltlos zusammen und ließ nichts zurück als eine langsam aufdämmernde Ahnung gänzlicher Hilflosigkeit, gänzlichen Verlassenseins.
Und mitten in diese Dämmerung hinein tönten jene mahnenden Worte, welche er ihr am heutigen Abend gesagt:
»Es liegt in unserer Hand, das Niedergerissene mit starkem, vorurtheilsfreiem Willen schöner und haltbarer wieder aufzurichten.«
Konnte das geschehen? Konnte sie dem Banne, den Geburt, Gewohnheit und Erziehung um sie gezogen, sich entreißen, um dem Rufe eines Gefühles zu folgen, welches Jahre unentdeckt in ihrem Innern geschlummert hatte und jetzt mit einem Male seine leuchtenden Flammen über sie zusammenschlug?
Künstlerisch hat sie auch „etwas drauf“:
Hingerissen von der begeisternden Gewalt der herrlichen Dichtung hatte Wanda vorgelesen.
Dann wird es wirklich sehr heftig, aber das gibt es nun einmal, heute würde man von Hörigkeit sprechen:
Ich könnte Alles, Alles was ich bin und habe, von mir werfen, um zu seinen Füßen sitzen und dem Fluge seines Genius folgen zu dürfen. Ich frage nicht nach seinem Namen, nicht nach seinen Ahnen; ich empfinde nur den Wohllaut und die unwiderstehliche Macht seiner Rede und fühle, daß meine Seele ihm bei jedem seiner Worte zurufen möchte: »Du bist so groß, und ich bin so klein, klein, klein!«
Aber sie weiß, wo sie steht, und behält trotz alledem ihren klaren Kopf:
»In mancher Beziehung mag ich vielleicht etwas ungewöhnlich und schwer zu lenken sein, Mama; doch ist das wohl nicht meine eigene Schuld. Den Ausdruck »Ueberspanntheit« aber darf ich selbst Dir nicht gestatten.« […]
»Es kann nicht meine Absicht sein, Dich zu corrigiren; aber ebenso wenig dulde ich ein Urtheil, welches ich aus dem Munde der Mutter am Allerwenigsten zu hören erwarte.«
Extreme scheut sie weder im Innen noch im Außen:
Der Weg hob sich vor der Stadt steil an und führte durch eine Reihe von Steinbrüchen, deren oberster seit langer Zeit nicht mehr bearbeitet wurde und den Zielpunkt vieler Spaziergänger bildete.
Seine senkrecht und turmhoch emporstarrenden Wände waren von zahlreichen Sprüngen zerrissen und zerklüftet. Die hölzerne Schutzwehr, welche seinen steilabfallenden Rand umgab, war verfault und vermodert und existirte fast nur dem Namen nach; trotzdem aber gab es Leute, welche den gefährlichen Ort gern besuchten, weil man von ihm aus einen weiten Fernblick in das rundum und weit hinaus liegende Land thun konnte.
Am Häufigsten war die wilde Polin hier zu sehen. Ihrem ungewöhnlichen Charakter behagte der Ort gerade der Gefahr wegen, und aus ebendemselben Grunde faßte sie gewöhnlich an derjenigen Stelle Posto, welche von den Anderen am sorgfältigsten vermieden wurde.
Es war das der sogenannte »Altan«, ein weithinausgehender Felsenvorsprung, welcher fast jeden Haltes entbehrte und zu der Verwunderung darüber berechtigte, daß er nicht längst schon in die gähnende Tiefe hinabgestürzt sei. Zwar war der Zugang zu dem Orte streng verboten; aber Wanda kannte keinen Grund, dieses Verbot zu respectiren, und freut [freute] sich, ein Plätzchen gefunden zu haben, auf dessen Alleinbesitz die Kühnheit ihr ein unbestrittenes Monopol gab.
Nach einer Explosion, bitter enttäuschender Erkenntnis (bzw. Verdacht) eines geplanten Verbrechens und in höchster Gefahr, bleibt sie völlig kaltblütig:
Das Mädchen hatte das Oberkleid hosenartig zusammengeschlagen und ließ sich furchtlos an dem Rande des Abgrundes nieder.
Sie hatte sich das Seil um den Leib befestigt und stand mit den Füßen in einer Schlinge, welche ihr sicheren Halt gewährte. Die Hände hatte sie sich zur nothwendigen Abwehr gegen den Felsen frei gehalten.
Jetzt drehte sie sich gegen die Wand und hing im nächsten Augenblicke frei in der Luft.
Winter stand mit vorgestemmtem Beine und zurückgebogenem Oberkörper am Eingange der Höhle und hielt mit kräftiger Hand das Seil, an welchem sie niederschwebte.
Langsam und vorsichtig griff sie, jede Umdrehung vermeidend, sich abwärts, und wenn sich auch ihren zarten Händen die Spuren der ungewohnten Berührung mit dem harten und scharfen Gestein einprägten, so kam sie doch nach kurzer Zeit sicher und wohlbehalten unten an, wo sie mit schallendem Jubelrufe empfangen wurde.
Sie aber wehrte die stürmischen Freudenbezeugungen von sich ab und wies, nachdem sie sich von den Schlingen befreit hatte, empor zur Höhe, in welcher Winter sich eben anschickte, nachzufolgen.
und kurz darauf kommentiert sie lakonisch:
Das schwache Geschlecht ist zuweilen weniger zaghaft als das sogenannte starke.
Daß Beziehungen durchaus ambivalent sein können, ist ihr auch nicht unbekannt:
»Ich danke Ihnen, Herr Winter!«
Es waren nur diese wenigen Worte, welche sie sprach; aber er sah an dem tiefen, feuchten Glanze ihres Auges und an der Röthe ihrer Wangen, daß sie nicht mehr sprechen könne und erwiederte mit einem Lächeln, welches seine weißen, vollzähligen Zähne zwischen den schwarzgefärbten Lippen erscheinen ließ:
»Nicht danken, gnädiges Fräulein, sondern zürnen! Wir dürfen unser Uebereinkommen nicht verletzen.«
»Aber wenn ich fortfahren soll, Ihnen zu zürnen, so müssen Sie aufhören, die Stelle meines Schutzengels zu vertreten. Dank und Zorn, sie lassen sich nicht gut vereinigen!«
Mit Literatur kennt sie sich auch aus, und beklagt (ähnlich wie "Herr W.F. in Wien" im Leserbrief an die „Frohen Stunden“) :
Es giebt auf dem Gebiete der Belletristik jetzt so viel Mittelmäßiges oder gar Werthloses, daß man mit der Auswahl seiner Lecture nicht heikel genug sein kann.
Das Folgende nennt man wohl differenzierte Betrachtungsweise:
Schutzlos bin ich oft gewesen, und so sehr sich meine ganze Seele sträubt, mich zu dem »schwachen Geschlechte« zählen zu lassen, so habe ich doch schon oft empfunden, daß wir Frauen auf männlichen Beistand angewiesen sind. Und wenn ich mich einsam gefühlt habe, trotzdem ich eine Mutter besitze, so liegt die Schuld an mir allein.
Auch Einschätzungen Dritter können interessant sein:
wie ich sie kenne, wird sie durch jeden Widerspruch in ihrem Entschlusse nur bestärkt werden. Sie ist durch das obstinate Wesen Säumens gewöhnt worden, ihm so oft wie möglich die starke Seite zu zeigen
Die Ballonfahrt bedarf einigen Mutes. - Nicht soll verhehlt werden, dass die Figur der Wanda im Laufe der Erzählung ein wenig in den Hintergrund tritt und zwischenzeitlich auch ein wenig farbloser wird, aber ich denke, sie hatte insgesamt Gelegenheit genug, reichlich Eindruck zu machen.
Nie in ihrem Leben hatte Wanda eine Angst, wie die soeben gehabte ausgestanden. Als sie den Cousin in so entsetzlicher Lage erblickte, war ihr die Liebe zu ihm in ihrer ganzen, bisher noch nicht bekannten Größe ins Bewußtsein getreten, und jede Fiber ihres Innern hatte gebebt bei dem Gedanken an seinen Verlust, an welchem sie selbst mit ihrem harten, unerweichbaren Sinne die Schuld trug. Aber als er sich jetzt munter herumschwang, löste sich die Angst in einen Schrei der Freude auf, und sie konnte nicht anders, sie mußte die Arme um ihn schlagen und ihr Köpfchen fest, fest an seine tiefathmende Brust legen.
»Emil, mein lieber, lieber Emil!« flüsterte sie leise, mit thränendem Auge zu ihm aufblickend.
Auch ein starker Mensch darf schwach werden. Im Ballon hat sie wirklich den passiven Part. Aber warum soll es sich nicht ein bisschen verteilen, warum muß immer einer oder eine der Superheld oder die Superheldin sein.
Wanda saß auf der Stelle, wohin er sie gezogen hatte, und hielt sich mit den Händen an den beiden Haltern fest, zwischen denen sie sich befand. Obgleich ihr das Herz zitterte, suchte sie doch ein Lächeln hervorzubringen, um den Geliebten zu beruhigen.
Ein bisschen wird es tatsächlich so wie in einem Hitchcock-Film (die beschützte, ängstliche Frau, der überlegene Mann …)
»Bist Du wohl, Wanda?«
»Ja, aber ich bin fast todt vor Sorge um Dich!«
Trotz der bedenklichen Lage, in welcher sie sich befanden, konnte er doch ein Lächeln über diese sich selbst widersprechende Antwort nicht unterdrücken.
Und so geht es denn auch aus:
»Wanda!« rief er im überströmenden Gefühle des Glückes.
Sie aber antwortete nicht, und als er fühlte, wie schwer sie an ihm hing und ihr in das Angesicht blickte, erkannte er, daß sie ohnmächtig sei. So lange die Gefahr angehalten hatte, war sie stark gewesen; jetzt aber, wo Alles vorüber und keine Anstrengung mehr nothwendig war, hatte sich die kräftig verleugnete Weiblichkeit geltend gemacht und sie in eine wohlthuende Bewußtlosigkeit gebettet.
[…]
Auch jetzt schlug sie die Augen, diese wunderbaren Augen auf; aber nicht zornig blickte sie, als sie seinen Kuß fühlte, sondern selige Freude leuchtete aus ihnen, und beide Arme schlang sie, ihn fest an sich ziehend, um seinen Nacken.
»Emil, mein Emil, Du lieber, starker Mann, der immer da ist, wenn ich in Gefahr bin und dem mein Leben schon doppelt und dreifach gehört, wie habe ich Dich so lieb, so unendlich lieb!«
»Ist das wahr, Wanda?«
»O, Du hast es schon längst gewußt, viel eher noch als ich!«
»Und nun willst Du mein sein, ganz und immer mein?«
»Ganz und immer.«
Und dann wird es wirklich einigermaßen fatal:
Und in dieser heiligen Stunde will ich Dir etwas versprechen, was Dein Glück verdoppeln wird.«
»Sprich!«
»Ich werde nie, nie wieder so sein, wie ich gewesen bin, sondern fein gehorsam und demüthig. Heut, als ich da oben auf dem Rande der Gondel saß und sah, mit welcher Sicherheit und welchem Muthe Du handeltest, um mich zu retten, und als Du dann auf so lange Zeit meinen Augen entschwunden warst und ich mich so allein fühlte in der öden, gefährlichen Höhe, da fühlte ich, welch ein schwaches Wesen ich bin und gelobte, Dir unterthan zu sein allezeit, wenn Gott uns füreinander erhalten werde.«
»Wanda!« Mehr konnte Winter nicht sagen. Er war tief ergriffen von den frommen, selbstverleugnenden Worten des schönen, sonst so stolzen und selbstbewußten Wesens, und mit bebenden Lippen sog er die Thränentropfen von ihren Wimpern.
Je nun. Versuchen wir ehrenrettenderweise Folgendes: sie hat sich halt kompromisslos für diesen Menschen entschieden, und in dieser rückhaltlosen Entschiedenheit und im Eifer des Gefechts geht sie halt ein wenig zu weit … (ich gestehe, an dieser Stelle einer These, die ich eigentlich widerlegen wollte, doch einigermaßen zustimmen zu müssen … (da macht man sich einen Haufen Arbeit ...))
»Ich bin Dein für's ganze Leben, mein Emil. Gehe mit mir, wohin Du willst; ich folge Dir.«
Das gibt’s doch heute auch noch, „I will follow him“, him oder her …
*
"Karl Mays Reiseerzählung, die erst während des Erscheinens der einzelnen Lieferungen des Buches vollendet wurde, hat einen etwas anderen Inhalt und Hintergrund erhalten, als ich geplant und erwartet hatte."
(Joseph Kürschner in Sachen ET IN TERRA PAX)
„Das Kleinliche besitzt im Leben ja nur deshalb so viel Macht, weil es an wirklich ausgeprägten Characteren mangelt.“
Und echter, tiefer Gefühle fähig:
„Sie fühlte, daß weder Stolz noch Selbstüberhebung aus diesen Worten sprach, und legte unwillkürlich die Hand auf das Herz, in welchem noch nie empfundene Neigungen sich geltend machen wollten.“
Sie hat schon immer ihren eigenen Kopf gehabt:
„da die Herren es liebten, sich den ganzen Tag bei Gott weiß welchem philosophischen Thema zu langweilen, so zog ich es vor, allein und ohne Begleitung, wie es auch jetzt noch meine Art und Weise ist, in Busch und Wald herumzustreichen und der Freundin Natur so recht tief und aufmerksam in das herzige Auge zu blicken.“
Und eine starke Natur ist immer noch offen für Erschütterung ihrer selbst und neue Entwicklungen:
Eine plötzliche Erkenntniß stieg jäh und leuchtend in ihr empor, und Alles, Alles, was sie bisher gedacht, gefühlt, gehofft und gewollt hatte, stürzte haltlos zusammen und ließ nichts zurück als eine langsam aufdämmernde Ahnung gänzlicher Hilflosigkeit, gänzlichen Verlassenseins.
Und mitten in diese Dämmerung hinein tönten jene mahnenden Worte, welche er ihr am heutigen Abend gesagt:
»Es liegt in unserer Hand, das Niedergerissene mit starkem, vorurtheilsfreiem Willen schöner und haltbarer wieder aufzurichten.«
Konnte das geschehen? Konnte sie dem Banne, den Geburt, Gewohnheit und Erziehung um sie gezogen, sich entreißen, um dem Rufe eines Gefühles zu folgen, welches Jahre unentdeckt in ihrem Innern geschlummert hatte und jetzt mit einem Male seine leuchtenden Flammen über sie zusammenschlug?
Künstlerisch hat sie auch „etwas drauf“:
Hingerissen von der begeisternden Gewalt der herrlichen Dichtung hatte Wanda vorgelesen.
Dann wird es wirklich sehr heftig, aber das gibt es nun einmal, heute würde man von Hörigkeit sprechen:
Ich könnte Alles, Alles was ich bin und habe, von mir werfen, um zu seinen Füßen sitzen und dem Fluge seines Genius folgen zu dürfen. Ich frage nicht nach seinem Namen, nicht nach seinen Ahnen; ich empfinde nur den Wohllaut und die unwiderstehliche Macht seiner Rede und fühle, daß meine Seele ihm bei jedem seiner Worte zurufen möchte: »Du bist so groß, und ich bin so klein, klein, klein!«
Aber sie weiß, wo sie steht, und behält trotz alledem ihren klaren Kopf:
»In mancher Beziehung mag ich vielleicht etwas ungewöhnlich und schwer zu lenken sein, Mama; doch ist das wohl nicht meine eigene Schuld. Den Ausdruck »Ueberspanntheit« aber darf ich selbst Dir nicht gestatten.« […]
»Es kann nicht meine Absicht sein, Dich zu corrigiren; aber ebenso wenig dulde ich ein Urtheil, welches ich aus dem Munde der Mutter am Allerwenigsten zu hören erwarte.«
Extreme scheut sie weder im Innen noch im Außen:
Der Weg hob sich vor der Stadt steil an und führte durch eine Reihe von Steinbrüchen, deren oberster seit langer Zeit nicht mehr bearbeitet wurde und den Zielpunkt vieler Spaziergänger bildete.
Seine senkrecht und turmhoch emporstarrenden Wände waren von zahlreichen Sprüngen zerrissen und zerklüftet. Die hölzerne Schutzwehr, welche seinen steilabfallenden Rand umgab, war verfault und vermodert und existirte fast nur dem Namen nach; trotzdem aber gab es Leute, welche den gefährlichen Ort gern besuchten, weil man von ihm aus einen weiten Fernblick in das rundum und weit hinaus liegende Land thun konnte.
Am Häufigsten war die wilde Polin hier zu sehen. Ihrem ungewöhnlichen Charakter behagte der Ort gerade der Gefahr wegen, und aus ebendemselben Grunde faßte sie gewöhnlich an derjenigen Stelle Posto, welche von den Anderen am sorgfältigsten vermieden wurde.
Es war das der sogenannte »Altan«, ein weithinausgehender Felsenvorsprung, welcher fast jeden Haltes entbehrte und zu der Verwunderung darüber berechtigte, daß er nicht längst schon in die gähnende Tiefe hinabgestürzt sei. Zwar war der Zugang zu dem Orte streng verboten; aber Wanda kannte keinen Grund, dieses Verbot zu respectiren, und freut [freute] sich, ein Plätzchen gefunden zu haben, auf dessen Alleinbesitz die Kühnheit ihr ein unbestrittenes Monopol gab.
Nach einer Explosion, bitter enttäuschender Erkenntnis (bzw. Verdacht) eines geplanten Verbrechens und in höchster Gefahr, bleibt sie völlig kaltblütig:
Das Mädchen hatte das Oberkleid hosenartig zusammengeschlagen und ließ sich furchtlos an dem Rande des Abgrundes nieder.
Sie hatte sich das Seil um den Leib befestigt und stand mit den Füßen in einer Schlinge, welche ihr sicheren Halt gewährte. Die Hände hatte sie sich zur nothwendigen Abwehr gegen den Felsen frei gehalten.
Jetzt drehte sie sich gegen die Wand und hing im nächsten Augenblicke frei in der Luft.
Winter stand mit vorgestemmtem Beine und zurückgebogenem Oberkörper am Eingange der Höhle und hielt mit kräftiger Hand das Seil, an welchem sie niederschwebte.
Langsam und vorsichtig griff sie, jede Umdrehung vermeidend, sich abwärts, und wenn sich auch ihren zarten Händen die Spuren der ungewohnten Berührung mit dem harten und scharfen Gestein einprägten, so kam sie doch nach kurzer Zeit sicher und wohlbehalten unten an, wo sie mit schallendem Jubelrufe empfangen wurde.
Sie aber wehrte die stürmischen Freudenbezeugungen von sich ab und wies, nachdem sie sich von den Schlingen befreit hatte, empor zur Höhe, in welcher Winter sich eben anschickte, nachzufolgen.
und kurz darauf kommentiert sie lakonisch:
Das schwache Geschlecht ist zuweilen weniger zaghaft als das sogenannte starke.
Daß Beziehungen durchaus ambivalent sein können, ist ihr auch nicht unbekannt:
»Ich danke Ihnen, Herr Winter!«
Es waren nur diese wenigen Worte, welche sie sprach; aber er sah an dem tiefen, feuchten Glanze ihres Auges und an der Röthe ihrer Wangen, daß sie nicht mehr sprechen könne und erwiederte mit einem Lächeln, welches seine weißen, vollzähligen Zähne zwischen den schwarzgefärbten Lippen erscheinen ließ:
»Nicht danken, gnädiges Fräulein, sondern zürnen! Wir dürfen unser Uebereinkommen nicht verletzen.«
»Aber wenn ich fortfahren soll, Ihnen zu zürnen, so müssen Sie aufhören, die Stelle meines Schutzengels zu vertreten. Dank und Zorn, sie lassen sich nicht gut vereinigen!«
Mit Literatur kennt sie sich auch aus, und beklagt (ähnlich wie "Herr W.F. in Wien" im Leserbrief an die „Frohen Stunden“) :
Es giebt auf dem Gebiete der Belletristik jetzt so viel Mittelmäßiges oder gar Werthloses, daß man mit der Auswahl seiner Lecture nicht heikel genug sein kann.
Das Folgende nennt man wohl differenzierte Betrachtungsweise:
Schutzlos bin ich oft gewesen, und so sehr sich meine ganze Seele sträubt, mich zu dem »schwachen Geschlechte« zählen zu lassen, so habe ich doch schon oft empfunden, daß wir Frauen auf männlichen Beistand angewiesen sind. Und wenn ich mich einsam gefühlt habe, trotzdem ich eine Mutter besitze, so liegt die Schuld an mir allein.
Auch Einschätzungen Dritter können interessant sein:
wie ich sie kenne, wird sie durch jeden Widerspruch in ihrem Entschlusse nur bestärkt werden. Sie ist durch das obstinate Wesen Säumens gewöhnt worden, ihm so oft wie möglich die starke Seite zu zeigen
Die Ballonfahrt bedarf einigen Mutes. - Nicht soll verhehlt werden, dass die Figur der Wanda im Laufe der Erzählung ein wenig in den Hintergrund tritt und zwischenzeitlich auch ein wenig farbloser wird, aber ich denke, sie hatte insgesamt Gelegenheit genug, reichlich Eindruck zu machen.
Nie in ihrem Leben hatte Wanda eine Angst, wie die soeben gehabte ausgestanden. Als sie den Cousin in so entsetzlicher Lage erblickte, war ihr die Liebe zu ihm in ihrer ganzen, bisher noch nicht bekannten Größe ins Bewußtsein getreten, und jede Fiber ihres Innern hatte gebebt bei dem Gedanken an seinen Verlust, an welchem sie selbst mit ihrem harten, unerweichbaren Sinne die Schuld trug. Aber als er sich jetzt munter herumschwang, löste sich die Angst in einen Schrei der Freude auf, und sie konnte nicht anders, sie mußte die Arme um ihn schlagen und ihr Köpfchen fest, fest an seine tiefathmende Brust legen.
»Emil, mein lieber, lieber Emil!« flüsterte sie leise, mit thränendem Auge zu ihm aufblickend.
Auch ein starker Mensch darf schwach werden. Im Ballon hat sie wirklich den passiven Part. Aber warum soll es sich nicht ein bisschen verteilen, warum muß immer einer oder eine der Superheld oder die Superheldin sein.
Wanda saß auf der Stelle, wohin er sie gezogen hatte, und hielt sich mit den Händen an den beiden Haltern fest, zwischen denen sie sich befand. Obgleich ihr das Herz zitterte, suchte sie doch ein Lächeln hervorzubringen, um den Geliebten zu beruhigen.
Ein bisschen wird es tatsächlich so wie in einem Hitchcock-Film (die beschützte, ängstliche Frau, der überlegene Mann …)
»Bist Du wohl, Wanda?«
»Ja, aber ich bin fast todt vor Sorge um Dich!«
Trotz der bedenklichen Lage, in welcher sie sich befanden, konnte er doch ein Lächeln über diese sich selbst widersprechende Antwort nicht unterdrücken.
Und so geht es denn auch aus:
»Wanda!« rief er im überströmenden Gefühle des Glückes.
Sie aber antwortete nicht, und als er fühlte, wie schwer sie an ihm hing und ihr in das Angesicht blickte, erkannte er, daß sie ohnmächtig sei. So lange die Gefahr angehalten hatte, war sie stark gewesen; jetzt aber, wo Alles vorüber und keine Anstrengung mehr nothwendig war, hatte sich die kräftig verleugnete Weiblichkeit geltend gemacht und sie in eine wohlthuende Bewußtlosigkeit gebettet.
[…]
Auch jetzt schlug sie die Augen, diese wunderbaren Augen auf; aber nicht zornig blickte sie, als sie seinen Kuß fühlte, sondern selige Freude leuchtete aus ihnen, und beide Arme schlang sie, ihn fest an sich ziehend, um seinen Nacken.
»Emil, mein Emil, Du lieber, starker Mann, der immer da ist, wenn ich in Gefahr bin und dem mein Leben schon doppelt und dreifach gehört, wie habe ich Dich so lieb, so unendlich lieb!«
»Ist das wahr, Wanda?«
»O, Du hast es schon längst gewußt, viel eher noch als ich!«
»Und nun willst Du mein sein, ganz und immer mein?«
»Ganz und immer.«
Und dann wird es wirklich einigermaßen fatal:
Und in dieser heiligen Stunde will ich Dir etwas versprechen, was Dein Glück verdoppeln wird.«
»Sprich!«
»Ich werde nie, nie wieder so sein, wie ich gewesen bin, sondern fein gehorsam und demüthig. Heut, als ich da oben auf dem Rande der Gondel saß und sah, mit welcher Sicherheit und welchem Muthe Du handeltest, um mich zu retten, und als Du dann auf so lange Zeit meinen Augen entschwunden warst und ich mich so allein fühlte in der öden, gefährlichen Höhe, da fühlte ich, welch ein schwaches Wesen ich bin und gelobte, Dir unterthan zu sein allezeit, wenn Gott uns füreinander erhalten werde.«
»Wanda!« Mehr konnte Winter nicht sagen. Er war tief ergriffen von den frommen, selbstverleugnenden Worten des schönen, sonst so stolzen und selbstbewußten Wesens, und mit bebenden Lippen sog er die Thränentropfen von ihren Wimpern.
Je nun. Versuchen wir ehrenrettenderweise Folgendes: sie hat sich halt kompromisslos für diesen Menschen entschieden, und in dieser rückhaltlosen Entschiedenheit und im Eifer des Gefechts geht sie halt ein wenig zu weit … (ich gestehe, an dieser Stelle einer These, die ich eigentlich widerlegen wollte, doch einigermaßen zustimmen zu müssen … (da macht man sich einen Haufen Arbeit ...))
»Ich bin Dein für's ganze Leben, mein Emil. Gehe mit mir, wohin Du willst; ich folge Dir.«
Das gibt’s doch heute auch noch, „I will follow him“, him oder her …
*
"Karl Mays Reiseerzählung, die erst während des Erscheinens der einzelnen Lieferungen des Buches vollendet wurde, hat einen etwas anderen Inhalt und Hintergrund erhalten, als ich geplant und erwartet hatte."
(Joseph Kürschner in Sachen ET IN TERRA PAX)
Re: Wanda
Hallo,rodger hat geschrieben:Von der Natur mit den herrlichsten Gaben ausgestattet, glänzte sie als leuchtendes aber unberechenbares Phänomen am gesellschaftlichen Himmel. Während Andere ruhig ihre Bahnen wandelten, flimmerte sie in den verschiedensten Lichtern, zuckte blitzähnlich von einem Punkte zum anderen, warf oft die ganze Planetenstellung über den Haufen und hätte auch den kaltblütigsten Astronomen zur Verzweiflung bringen können. Für sie gab es keine dehorsielle Unmöglichkeit. Sie ritt trotz eines Husarenleutnants, schoß mit den Jägerburschen um die Wette, betrat ganz unerwartet den Fechtboden und trieb mit dem Schläger in dem kleinen, weißen Fäustchen Jedmänniglich in die Enge, fuhr mit Vieren im sausenden Galopp über Haide und Stoppel, durch Dick und Dünn, erschien bei Tagesgrauen, wenn die ehrbaren Spießbürger sich noch in den Federn streckten, hochgeschürzt auf dem Turnplatze der Feuerwehr, um an Reck, Barren, Bock und Kletterstange ihre Meisterschaft zu bewähren, tanzte, sang und deklamirte prächtig, spielte das Piano mit ungewöhnlicher Fertigkeit, schien in jeder Sprache, in jeder Kunst und Wissenschaft zu Hause und wußte auch in die steifsten Zirkel Leben und Bewegung zu bringen.
das ist sehr hübsch nacherzählt.
Kannst du mir sagen, was dehorsielle bedeutet?
Gruß Fritz
Re: Wanda
so aus dem Stand würde ich das ein wenig holprig mit "pferdemäßig" übersetzen.rodger hat geschrieben:Nein. Da müßten wir mal Karl May fragen oder irgendwo nachschlagen. Da aber aus dem Kontext hervorgeht, was gemeint ist, erübrigt sich das ja, und so kann man einfach darüber hinweglesen.
Google kennt übrigens als einzigen Treffer "Wanda".
Re: Wanda
Nein, nein, das hat nichts mit Pferden zu tun. Es ist nämlich französisch und heißt in etwa "gesellschaftsfähig" oder "-gemäß". Ich würde es hier einfach mit " Für sie gab es keine keine gesellschaftliche Unmöglichkeit" übersetzen.
"Dehors" heißt auf deutsch "gesellschaftlicher Anschein" oder auch "äußerer Schein".
Helmut
"Dehors" heißt auf deutsch "gesellschaftlicher Anschein" oder auch "äußerer Schein".
Helmut
Re: Wanda
Danke, Helmut!
So weit bin ich mit meinem Französischlexikon inzwischen auch gekommen.
Ich habe inzwischen schon eine Reihe von Wörtern gesammelt, die nur Karl May kennt.
Ich halte es für wünschenswert, dass man - die KMG oder der KMV oder hier - eine Datei anlegt, die diese Wörter sammelt und erklärt. Da müssten auch die heute unbekannten Fremdwörter, von denen es bei KM nur so wimmelt und die der KMV in den dreißiger Jahren "sorgfältig und tunlichst" ersetzt wurden.
Im Band 72* der GW wurde das Wort "dehorsielle" einfach ersatzlos gestrichen.
Ich halte übrigens nichts davon, über ein unbekanntes Wort mit der Begründung, man kenne aus dem Kontext die üngefähre Bedeutung, hinwegzulesen. Denn eine vage Vorstellung kann eine vage richtige, aber auch eine vage falsche sein.
Gruß Fritz
*Danke, Rodger, für den Hinweis!
So weit bin ich mit meinem Französischlexikon inzwischen auch gekommen.
Ich habe inzwischen schon eine Reihe von Wörtern gesammelt, die nur Karl May kennt.
Ich halte es für wünschenswert, dass man - die KMG oder der KMV oder hier - eine Datei anlegt, die diese Wörter sammelt und erklärt. Da müssten auch die heute unbekannten Fremdwörter, von denen es bei KM nur so wimmelt und die der KMV in den dreißiger Jahren "sorgfältig und tunlichst" ersetzt wurden.
Im Band 72* der GW wurde das Wort "dehorsielle" einfach ersatzlos gestrichen.
Ich halte übrigens nichts davon, über ein unbekanntes Wort mit der Begründung, man kenne aus dem Kontext die üngefähre Bedeutung, hinwegzulesen. Denn eine vage Vorstellung kann eine vage richtige, aber auch eine vage falsche sein.
Gruß Fritz
*Danke, Rodger, für den Hinweis!
Zuletzt geändert von FritzR am 12.10.2008, 23:02, insgesamt 1-mal geändert.
Re: Wanda
Eine solche Lesehaltung kann ich nicht nachvollziehen! Sorry!rodger hat geschrieben:Nein. Da müßten wir mal Karl May fragen oder irgendwo nachschlagen. Da aber aus dem Kontext hervorgeht, was gemeint ist, erübrigt sich das ja, und so kann man einfach darüber hinweglesen.
Fritz
Re: Wanda
"Wanda" steht in Band 72.FritzR hat geschrieben:
Im Band 82 der GW wurde das Wort "dehorsielle" einfach ersatzlos gestrichen.
(Auch ich kann Erbsen zählen und Korinthen kacken, wobei ich mich eher für andere Erbsen und Korinthen interessiere als andere)
Re: Wanda
[quote="rodger]"Wanda" steht in Band 72.[/quote]
Schön! Tippfehler
[quote="rodger](Auch ich kann Erbsen zählen und Korinthen kacken, wobei ich mich eher für andere Erbsen und Korinthen interessiere als andere)[/quote]
Wie schön für dich. Aber warum so unwillig?
Schön! Tippfehler
[quote="rodger](Auch ich kann Erbsen zählen und Korinthen kacken, wobei ich mich eher für andere Erbsen und Korinthen interessiere als andere)[/quote]
Wie schön für dich. Aber warum so unwillig?
Re: Wanda
Was würde Hadschi Halef Omar jetzt dazu sagen? : "Tutte ma achlad."FritzR hat geschrieben:Tout malade! Ist nicht meine Absicht! Druschba!rodger hat geschrieben:Wenn's des wirklich wissen willst: weil Du mir auf den Senkel gehst.