Jenseits des Felsengebirges

 

Ein Interesse an deutschen Büchern, an deutscher Kultur war in Amerika schon seit Beginn der Kolonialisierung vorhanden. Aber mit der Wende zum 19. Jahrhundert nahm es plötzlich ungewöhnlich zu. Die Studien eines William Bentley (1759–1819), des ersten bedeutenden Amerikaners, der über die deutschen Erfolge und Fortschritte auf wirtschaftlichem und kulturellem Gebiet berichtete, bereiteten den Boden; das Buch von Anne Louise Germaine, Baronne des Staёl-Holstein (1766–1817), kurz der Staёl, »Über Deutschland« (1810), ihr Hauptwerk, gab den Anstoß, und eine Reihe junger amerikanischer Gelehrter ging als Studenten nach Deutschland und trug dann deutsches Kulturgut in die Neue Welt. In den folgenden Jahrzehnten war der Einfluss großer deutscher Geistesrichtungen in Amerika zu spüren. Deutsche Belle-Lettres und Historiographie, deutsches klassisches Gelehrtentum und Bildungswesen, deutsche Theologie, Philosophie und Psychologie fanden weiten Eingang in die amerikanische Intelligenz. Deutschland wurde in Amerika als das »geistesgeschichtlich fortgeschrittenste« Land der Welt angesehen.
     George Ticknor (1791–1871) studierte von 1815 bis 1819 in Europa, vor allem in Göttingen, und war maßgeblich an der Reformierung der Universität Harvard beteiligt. Er gehörte zu den Gründern der öffentlichen Bibliothek in Boston (1852), die er ganz nach deutschem Vorbild organisierte und damit zu einer der ersten ihrer Art in Amerika machte. Sein Studienkollege Edmund Everett (1794–1865) promovierte als erster Amerikaner in Göttingen und setzte sich für die Einführung deutscher Bildungsmethoden in Amerika ein. Joseph Cogswell (1786–1871), ebenfalls ein Student in Göttingen, organisierte die älteste amerikanische Universitätsbibliothek – in Harvard – nach deutschem Vorbild. Seine Freundschaft mit dem berühmten deutschen Unternehmer in den USA Johann Jakob Astor (1763–1848), dessen Leistung schon früher dargestellt wurde, führte zur Gründung der von Astor gestifteten Astor-Bibliothek in New York (seit 1895 die New York Public Library); nach seiner Ansicht war das deutsche Universitätswesen das Beste. In den Werken des Historikers George Bancroft (1800-1891), der in Berlin mit Goethe und Wilhelm von Humboldt verkehrte, war ein deutsches Konzept zugrunde gelegt.
     Den ersten Versuch, deutsche und amerikanische Mentalität philosophisch zu vereinigen, unternahm der deutsche Philosoph Friedrich Rauch (1806–1841), der 1831 nach Amerika fliehen musste und das erste englische Buch mit dem Titel »Psychology« schrieb. An den amerikanischen Universitäten wurde deutsche Philosophie gelehrt; deutsche Studienformen wie Auswahlstudium, Einrichtung von Seminaren, Lehrmethoden, Stipendien, Doktorandenunterstützung u.a. fanden bei ihnen Eingang. Die Universität Michigan führte das Ideal der deutschen Universität ein, die John Hopkins Universität in Baltimore war nach deutschem Vorbild gestaltet.
     Plato, indische Philosophie und deutsche Transzendental-Philosophie bestimmten die Weltanschauung des großen amerikanischen Philosophen und Dichters Ralph Waldo Emerson (1803–1882). Beträchtlich war der deutsche Einfluss auf das Triumvirat amerikanischer Dichter: Nathaniel Hawthorne (1804–1864), Walt Whitman (1819–1892) und Henry W. Longfellow (1807–1882). Bei anderen amerikanischen Dichtern wie Edgar Allan Poe (1809–1849), Mark Twain (eigentlich Samuel Langhorne Clemens, 1835–1910) und selbst James F. Cooper (1789–1851) lässt sich deutscher Einfluss im Einzelnen nachweisen – Mark Twain und Cooper kannten Deutschland aus eigener Anschauung.
     Aber nicht nur auf amerikanisches Bildungswesen, auf amerikanische Philosophie, Musik, Literatur und Theologie hatte deutsches Gedankengut Einfluss. Staatspolitische und gesellschaftliche Einflüsse aus Deutschland trugen um die Mitte und gegen Ende des 19. Jahrhunderts ihre Früchte in den Staaten. Deutsche Auswanderer nahmen die Erkenntnisse der Alten Welt mit nach Amerika, sie führten den Liberalismus ein, später den Sozialismus und Kommunismus, und sie und die zahllosen amerikanischen Gelehrten, die in Deutschland studiert hatten, brachten Ergebnisse deutscher Wissenschaft aller Zweige nach Amerika. Als amerikanische Forscher und Entdecker in der Mitte des 19. Jahrhunderts gen Westen zogen, um die Prärien und Berge systematisch zu erforschen, nahmen sie ein Weltbild mit, das in der Weltanschauung eines der bedeutendsten Gelehrten der Alten Welt, nämlich Alexander von Humboldts (1769–1859), wurzelte. Teilweise korrespondierten sie mit deutschen Gelehrten, ließen sich von ihnen Ratschläge erteilen und hatten oft Deutsche in ihrer Begleitung; manche hatten sogar in Deutschland studiert. So kam es, dass der »Pfadfinder« John C. Fremont (1813–1890), detailverliebt wie Humboldt, ausführlich über eine einzelne Hummel berichtete, die er auf dem nach ihm benannten Berg fand, dass andere Forscher – ebenfalls beeinflusst von Humboldt - in ihren Berichten die Landschaften, die sie vorgefunden hatten, romantisch schilderten, dass die Künstler die geheimnisvollen westlichen Berge gewaltig und verklärt darstellten. In der Weltanschauung dieser Forscher fand das Bildungsideal der deutschen Klassik einen Nachhall, sie betrachteten die Welt als großes, geordnetes Universum, als unendliches, geheimnisvolles Ganzes, in dem das Leben pulsiert, in dem auch der Mensch seinen ihm gebührenden Platz einnimmt, kurzum als »Kosmos«. Es war die Welt Alexander von Humboldts, die die amerikanischen Entdecker bewegte. »Ihr Leben und Werk gaben uns Selbstvertrauen«, schrieb der Forscher Fremont an Humboldt, zu dessen Ehren er in Nevada einen Gebirgszug und einen Fluss benannt hatte. »Sie lehrten uns, auf unser Land stolz zu sein und es zu lieben.« Und der amerikanische Kriegsminister John B. Floyd (1806–1863) sagte: »Wir werden die Verdienste, die Sie sich um unser Land erworben haben, niemals vergessen. Der Name ›Humboldt‹ ist auf unserem Kontinent schon fast zu einem geflügelten Wort geworden. Von den Küsten des Atlantik bis zum Pazifischen Ozean würdigt man Ihre großartigen Leistungen auf allen Gebieten der Wissenschaft und des menschlichen Fortschritts. In gewisser Weise ehrten wir uns selbst damit, dass wir Flüssen und Tälern, Buchten und Wäldern Ihren Namen gaben. Wir und unsere Nachwelt stellen Ihren Namen neben den von Washington, Jefferson und Franklin.«
     Humboldt, der während seiner großen Forschungsreise 1799 bis 1804 auch nach Washington kam und mit Präsident Jefferson Freundschaft schloss, gab für die Erschließung Mexikos unschätzbares Material an die Hand und diente Jefferson mit seinen Kenntnissen über das Louisiana-Territorium, so dass der Präsident gute Argumente zu Gunsten des damals umstrittenen Kaufes vor dem Kongress vorbringen konnte. Mit seinen Forschungen gab er für die Planung des Panama-Kanals Impulse. Seine Argumente gegen die Sklaverei verwandte Fremont im Wahlkampf 1856. Sein Hauptverdienst aber war wohl, dass er für die »eigenständige Entwicklung des amerikanischen Kontinents … (gewissermaßen) das ›Leitmotiv‹« setzte (v. Hagen).

 
John C. Fremont

John C. Fremont

  
Die eigentlichen Wegbereiter in den Gebieten jenseits des Felsengebirges waren die »Männer der Berge«. Jedediah Strong Smith (1798–1831) war wohl der bedeutendste unter ihnen, keiner kannte den Westen besser als er. Er erforschte das Große Becken, Kalifornien und den Oregon Trail. William Sublette (1799?–1845) unternahm Forschungszüge am Oregon Trail, am Platte River und am Missouri. James Bridger (1804–1881) stand als erster Weißer am Großen Salzsee und sah sich im zentralen und nördlichen Gebirge um. William Becknell (ca. 1790–ca. 1832) wurde zum »Vater« des berühmten Santa Fe Trails (1822). Einer seiner Begleiter war der Kentuckier William Wolfskill (1798–1866), in dessen Adern deutsches und irisches Blut floss und der 1824 als einer der ersten Weißen das südliche Utah betrat. Sechs Jahre später erforschte er die Fortsetzung des Santa Fe Trails, den Spanish Trail, nach Kalifornien. In Kalifornien ließ er sich nieder und wurde hier einer der hervorragendsten frühen Siedler.

Die Erkenntnisse, die diese Einzelgänger erbrachten, waren zwar wertvoll, aber sie bedurften der Systematisierung. Das Land musste vermessen und topographisch und geologisch erforscht werden, und das konnten nur wenige der »Männer der Berge« leisten.

Einen großen Namen machte sich Josiah Gregg, der 1806 in Overton in Tennessee zur Welt kam. Sein Vater war schottischer Herkunft, seine Mutter die Deutsche Susannah Schmelzer. Von seiner Erziehung und Ausbildung weiß man nur wenig. Greggs spätere Bücher zeigen seine Kenntnisse der Geschichte, Mathematik und Astronomie. Er lernte Spanisch, um die alten Archive nach Quellen über den Südwesten durchstöbern zu können. Er soll Medizin studiert, vielleicht sogar den Doktortitel erworben haben, machte aber nie eine Arztpraxis auf.

Greggs Gesundheit war schlecht, weiter im Westen suchte er Heilung. Zudem interessierte er sich für den Überlandhandel zwischen Mexiko und der Grenze Missouris. Fast neun Jahre lang unternahm er ab 1831 als Händler und Wissenschaftler immer wieder Reisen nach Santa Fe, die ihm seine Gesundheit wiedergaben. Er machte Abstecher nach Chihuahua in Mexiko und stellte exakte Beobachtungen an. Topographie, Geographie, Fauna und Flora – all das interessierte ihn und wurde in Notizen festgehalten. Alte Quellen zog er zum Vergleich heran. Im Winter 1843/44 hatte er das Manuskript eines Buches über den Handel im Westen fertig und reiste im Frühjahr nach New York, wo er es unter dem Titel »Commerce of the Prairies« veröffentlichte. Es wurde ein durchschlagender Erfolg und erschien schon 1845 in deutscher Sprache. Es gilt als die erste und genaueste Abhandlung über den Überlandhandel zwischen Missouri und Rio Grande vor dem Krieg gegen Mexiko und wurde 1954 von Experten zu den zehn besten Büchern gerechnet, die je über den »Wilden Westen« geschrieben wurden. Es enthält neben der Beschreibung von Geographie und Klima des Landes auch Darstellungen der Sitten der Indianer.

Im Frühling 1846 ritt Gregg 1200 Meilen weit, um sich General John Ellis Wool (1784–1869) anzuschließen, als der Krieg gegen Mexiko ausgebrochen war. In Mexiko tat er eine Zeitlang Dienst. Dann begleitete er Oberst Alexander William Doniphan (1808-1887) zurück in die Staaten. Doniphan hatte im März 1847 einen entscheidenden Sieg in Chihuahua errungen und damit einem deutschen Forscher das Leben gerettet. Es handelte sich um Dr. Wislizenus, der uns schon früher auf seiner Tour in die Rocky Mountains begegnet ist und der nach Jahren in St. Louis an seine Erlebnisse im Fernen Westen dachte und 1846 wieder Lust zu Abenteuern verspürte. Er versorgte sich mit einer wissenschaftlichen Ausrüstung und schloss sich der Handelskarawane Albert Speyers an, die nach Santa Fe und Chihuahua ziehen wollte. Die amerikanischen Behörden argwöhnten, dass der Trupp Waffen für die Mexikaner beförderte, so sandte man ihm eine Abteilung Soldaten hinterher, der es aber nicht gelang, die Karawane einzuholen. Sie erreichte unbehelligt Santa Fe und zog von dort weiter nach Süden. Wislizenus widmete sich ganz der Erforschung von Geographie, Flora und Fauna des Landes. In Chihuahua geschah es dann, dass antiamerikanisch eingestellter Pöbel ihn und seine Kameraden gefangen nahm, sie am liebsten gelyncht hätte, aber sich eines Besseren besann und sie unter Bewachung in die Berge schickte. Die Ankunft Doniphans brachte Wislizenus und seinen Kameraden die Freiheit. Wislizenus begleitete das Regiment, bei dem sich auch Gregg befand, als Arzt zum Rio Grande und weiter zum Mississippi und kehrte von dort nach St. Louis zurück, wo er einen Reisebericht verfasste, der den ersten wissenschaftlichen Bericht über den größten Teil des bereisten Gebietes darstellt, schon 1850 in Braunschweig erschien und von Alexander von Humboldt gelobt wurde.

Wislizenus lebte bis zu seinem Tode 1889 in St. Louis, wo er an der Gründung der Missouri Historical Society und der Academy of Science of St. Louis mitwirkte. Tragisch war der Tod Greggs. Ende 1849 führte er eine Forschungsgruppe von sieben Mann im Auftrag der Regierung von den Trinity-Minen im Norden Kaliforniens zum Pazifik. Die Überquerung des Küstengebirges im tiefsten Winter verzehrte die Kräfte der Männer. Nach ungeheuren Strapazen erreichten sie den Ozean; während der Rückkehr starb Gregg am 25. Februar 1850 an Hunger und Erschöpfung.

Auch Gregg gehörte zu den Einzelgängern. An eine systematische Erforschung der weißen Flecken auf der Landkarte war erst zu denken, als speziell dafür ausgebildete Offiziere ihre Arbeit aufnahmen. 1838 entstand das Korps topographischer Offiziere, das Topographical Corps. Ihm gehörten insgesamt 36 Offiziere an, die sich in den nächsten 25 Jahren um die Erforschung der Gebiete jenseits der Rockies verdient machten. Sie waren meist an der Militärakademie in West Point ausgebildet worden und pflegten Kontakt mit führenden Wissenschaftlern der Alten und Neuen Welt.

Die systematische Erforschung der Berge begann mit John Charles Fremont, der schon zu Lebzeiten »Pfadfinder« genannt wurde, ein Titel, über dessen Berechtigung auch schon zu seinen Lebzeiten gestritten wurde. Zwar hatte Fremont West Point nicht besucht, aber immerhin waren so bedeutende Forscher wie der Franzose Joseph N. Nicollet (1786–1843) und der Schweizer Ferdinand R. Hassler (1770–1843), der erste Superintendent des US Coast Survey, seine Lehrer gewesen, und sein Schwiegervater war der weit bekannte Senator und Politiker Thomas H. Benton (1782–1858), dessen Darstellung in Kennedys Buch »Zivilcourage« ihn unvergesslich gemacht hat. Benton verfolgte große Pläne im Westen, sein bedeutendster Erfolg war die Besiedlung Oregons in den vierziger Jahren. So konnte sich Fremont durchaus auch Extratouren leisten und mehr Rechte für sich in Anspruch nehmen als anderen Offizieren des Korps zustand.

Benton hatte zunächst vergeblich im Senat dafür gekämpft, dass die Vereinigten Staaten von Oregon, jenem herrlichen Paradies im Nordwesten, Besitz ergriffen. Aber er hoffte, dass ein Forschungszug die Auswanderung in dieses Gebiet anstacheln würde und neu geschaffene Tatsachen die amerikanische Regierung eher überzeugten als seine Reden im Senat. So kam die Fremont-Expedition von 1842 zustande. Im Mai traf Fremont, damals 29 Jahre alt, in St. Louis ein, um die Vorbereitungen zu treffen. Hier schloss sich ihm ein Deutscher an, der, mit einem Empfehlungsschreiben Hasslers ausgestattet, um Beschäftigung bat. Es war Georg Karl Ludwig Preuss (1803–1854), in Amerika als »Charles Preuss« bekannt, der später hervorragende Karten vom Westen anfertigte. Preuss war zehn Jahre älter als Fremont, er war im Fürstentum Waldeck zur Welt gekommen, hatte Geodäsie studiert und als Landvermesser für die preußische Regierung gearbeitet. Die Revolution von 1830 trieb ihn nach Amerika. Fremont und Preuss, ein großer, blonder Mann mit roten Wangen und einem gutmütigen Gesicht, wurden gute Freunde; die Erfolge des »Pfadfinders« beruhten großenteils auf der Arbeit des Deutschen, was Fremont auch nie bestritt.

Zu Fremonts Leuten gehörten einige namhafte Westläufer, darunter der legendäre Christopher »Kit« Carson (1809–1868), der Fremonts bester Freund war und durch ihn eigentlich berühmt und zum Nationalhelden wurde. Einundzwanzig Kreolen und kanadische Voyageurs bildeten die Mannschaft.

Die Forscher zogen am Kansas entlang und folgten dann den Spuren eines Auswandererzuges zum Big Vermilion und Big Blue. Durch das Land der Pawnee gelangten sie zum Platte, wo Fremont am 5. Juli die Mannschaft teilte. Die Hauptgruppe sollte am Platte nach Fort Laramie weiterziehen, während Fremont mit Preuss und einigen anderen einen Abstecher nach Süden machte. In Fort Laramie traf man sich wieder. Hier erhielt Fremont die Nachricht, dass Dakota, Cheyenne und Gros Ventre-Indianer das Kriegsbeil ausgegraben hätten und an der Landmarke Red Buttes den Weißen den Weg versperrten. Als die Expedition weiterzog, schickten denn auch die Indianer eine Warnung an Fremont, der sich aber nicht daran kehrte – und bald danach erfuhr er, dass die vereinigten Stämme uneins geworden waren und sich zerstreut hatten.

Fremont sollte nur bis zum South Pass vorstoßen, der Grenze zu Oregon, das keineswegs dem heutigen Staat dieses Namens entsprach, sondern beträchtliche Randgebiete der angrenzenden späteren Staaten mit einschloss. Aber das reichte ihm nicht, und so zog die Expedition entlang der Wind River Berge nach Norden, von denen Preuss bemerkte, er habe in Europa nie etwas ähnlich Schönes erlebt. Einen Berg, von dem er annahm, er sei der höchste im Felsengebirge, bestieg Fremont und hisste oben mit heroischer Gebärde das Sternenbanner; der Pik trägt nun seinen Namen, er war bei weitem niedriger, als er dachte.

Am 18. August wurde der Rückmarsch nach Osten angetreten. Als Fremont, Preuss und andere auf dem reißenden Sweetwater das neuartige Schlauchboot, das die Expedition mitführte, ausprobieren wollten, erlitten sie im ersten Canyon Schiffbruch und mussten die 500 Fuß hohen Canyon-Wände erklettern. Nach diesem Abenteuer langte die Expedition wohlbehalten in St. Louis an. Wissenschaftlich hatte sie wenig Erfolg gebracht. Die Karte, die Preuss anfertigte, war von begrenztem Wert für Emigranten, weil sie Wasserstellen usw. anzeigte, allerdings nur bis zum South Pass. Wichtiger war, dass Fremont durch seinen Bericht über Nacht zum Held des Tages und so der Urheber des Oregon-Fiebers von 1843 wurde, wie es sich Benton erhofft hatte.

In diesem Jahr 1843 wurde Fremont beauftragt, genaue Vermessungen in den Bergen vorzunehmen. 39 Mann, vor allem französische Voyageurs, bildeten diesmal die Begleitmannschaft. Der bedeutende irische Westmann, Indianeragent und Forscher Thomas Fitzpatrick (ca. 1799–1854) wurde als Führer angestellt. Preuss als Wissenschaftler sollte Arten sammeln, bei den astronomischen Beobachtungen helfen, für die zerbrechlichen Instrumente – Sextanten, Thermometer, Barometer, Kompass etc. – sorgen und topographische Skizzen anfertigen. Ein Schlauchboot gehörte ebenso zur Ausrüstung wie eine kleine Haubitze, für die der preußische Artillerist Ludwig Zindel zuständig war. Preuss mochte den ehemaligen Feldwebel nicht. Als Botaniker begleitete der Deutsche Lüders die Expedition, der später in Washington von Indianern getötet wurde.

Fremont konnte kaum fassen, welche tiefgreifende Änderung im Überlandverkehr ein Jahr bewirkt hatte. 1843 war das Jahr der »Great Emigration« nach Oregon, der Oregon Trail war von tausenden von Fahrspuren zerfurcht. Während Fitzpatrick den Haupttrupp mit den Karren zum Sweetwater brachte, ritten Fremont und dreizehn andere in die Berge und folgten den Wagenspuren über den South Pass zum Green River. Von dort ging es über die Soda Springs und am Bärenfluss entlang zum Großen Salzsee, den die Forscher nach drei Wochen erreichten. Fremont, Preuss, Kit Carson, der auch wieder mit dabei war, und drei andere ruderten mit dem Schlauchboot zur Insel mitten im See, die vor ihnen nur Bridger betreten hatte. Fremonts Bericht über das Land veranlasste später die Mormonen, hierher zu ziehen.

In Fort Hall stieß Fremonts Gruppe wieder zum Haupt-Tross. Von dort ging es weiter zum Ende des Oregon Trails. An den »Dalles«, wo die Einwanderer eine Zeltstadt erbaut hatten, ließ Fremont die meisten Leute unter Carsons Obhut zurück. Mit sieben Mann, unter ihnen Preuss, fuhr er im Kanu stromab nach Vancouver, wo er den bedeutenden Pionier John McLoughlin (1784–1857), den »Vater von Oregon«, traf. Das Gebiet stand damals noch unter britischer Oberhoheit, aber McLoughlin unterstützte die amerikanischen Immigranten aus Mitteln der Hudson Bay Company, als deren Agent in Oregon er tätig war. Fremonts Bericht über Oregon wurde von den hereinströmenden Siedlern als Führer hergenommen, das »Oregon-Fieber« dauerte noch ein Jahrzehnt lang an.

Zwar hatte Fremont seinen Auftrag ausgeführt, aber ihn dürstete nach weiteren Forschungen. Er ließ alle Karren zurück und verlor sich mit seinen Männern südwärts in den Bergen. Fremont fasste den Plan, nach Kalifornien vorzustoßen. Der Übergang über das Gebirge im tiefsten Winter wurde eine unglaubliche Strapaze. Am 20. Februar 1844 gelangte die Gruppe an die über 3000 Meter hohe Passhöhe. Aber damit waren die Mühsale nicht vorbei. Fremont stürzte in einen eiskalten Bach, aus dem ihn Carson rettete. Zwei Männer wurden wahnsinnig, und Preuss verirrte sich, verzehrte Ameisen, weil er weder Nahrung noch ein Gewehr bei sich hatte – sie schmeckten säuerlich, und wurde schließlich von den anderen wieder gefunden. Bald danach erreichten die Forscher endlich Sutters Ranch in Kalifornien und waren gerettet.

Nach kurzer Rast bei dem gastfreundlichen Schweizer Einwanderer Johann August Sutter (1803–1880) machten sich die Männer zum Spanish Trail auf, auf den sie am 18. April stießen. Fremonts Bericht über Kalifornien bewog noch vor den Goldfunden viele Siedler, hierher zu ziehen. In der Folgezeit kam es zu Kämpfen mit Ute-Indianern, die einen Mann töteten. Es ging weiter zum Utah-See und von dort quer durch das nördliche Utah nach Colorado und zum Platte und wieder nach Süden nach Colorado, wo die Forscher nur knapp einem Indianerkrieg entgingen. Am 1. Juli erreichten sie Bent’s Fort, wo Carson zurückblieb. Fremont ritt mit den übrigen weiter nach St. Louis, stieß auf Arapaho und Pawnee, die zur Schlacht bereit waren, und verlor im Hochwasser des Kansas wieder alle gesammelten Materialien. Am 6. August trafen die Forscher in St. Louis ein.

Fremont hat der Westwanderung starke Impulse gegeben. 1846 wurde Oregon an die USA angeschlossen. Zwar wiesen Fremonts Berichte viele Irrtümer auf, aber er war als Abenteurer wie Wissenschaftler eine Autorität und galt als Symbol des westwärts drängenden Amerika. Preuss verfertigte aufgrund der Expedition die bedeutendste Karte des Jahrzehnts, die noch bis zum Bürgerkrieg von überragender Bedeutung blieb. Preuss verfügte über die modernsten Kenntnisse der Landvermessung und Kartographie. Seine »Geographische Denkschrift« (1847) gehört zu den »topographischen Meilensteinen« der amerikanischen Geschichte. 1846 veröffentlichte Preuss eine weitere wichtige Karte, die für Auswanderer bestimmt und unter ihnen weit verbreitet war. Von der Mündung des Kansas in den Missouri bis zur Mündung des Walla Walla in den Columbia waren die Entfernungen von Westport Landing eingetragen; auch Bemerkungen über Wild, Gras, Wasser, meteorologische Charakteristiken und über die Indianer fehlten nicht. Mit dieser Karte haben Preuss und Fremont Wesentliches zur Erschließung des Westens beigetragen.

1848 erweiterte Preuss die Karte mit Eintragungen nach Berichten anderer Forscher. Sie zeigte zum ersten Mal klar die Beziehungen der einzelnen Becken, Flüsse und Gebirge. Doch litt die Genauigkeit etwas wegen der Größe des kartographierten Gebietes.

Kein anderer Forscher war so populär wie Fremont, der auch von Humboldt gelobt und zitiert wurde. Als er 1846 erneut auf Forschungsfahrt gesandt wurde, blieb Preuss daheim, und so entging ihm das Abenteuer der Bärenflaggen-Revolte, im Zusammenhang mit dem Krieg gegen Mexiko, in die Fremont verwickelt wurde.

Wenige Jahre danach begann der Streit um die Verlegung einer Pazifik-Bahn, der zu den zahlreichen Expeditionen in den fünfziger Jahren führte. Benton, der die Interessen von St. Louis vertrat und gegen St. Joe und Springfield im eigenen Staat verteidigte, hoffte auf eine Strecke, die ihren Ausgangspunkt in St. Louis nahm und nach San Francisco führte. Schon 1848 überredete er drei Geschäftsleute, die Erforschung der Möglichkeit dieser Route zu finanzieren. Natürlich sollte Fremont die Expedition leiten, was ihm sehr gelegen kam, da gegen ihn ein Verfahren wegen Befehlsübertretung im Gange war und er so seine »befleckte Ehre« wiederherstellen konnte.

Im Oktober 1848 scharte Fremont in Westport seine Leute um sich, während Benton sein Unternehmen im Senat verteidigte. 35 Mann sollten ihn begleiten, unter ihnen Preuss und ein anderer Deutscher, der Botaniker Friedrich Creuzefeld. Ferner gehörten die Topographen, Naturforscher, Naturaliensammler und Künstler bzw. Maler Benjamin (geb. 1818) und Richard (1821–1853) Kern, zwei Brüder von Schweizer Herkunft, zu der Mannschaft.

Fremont sollte dem 38. Breitengrad folgen und hoffte, in der Nähe des Cochetopa-Passes einen neuen Pass über die Wasserscheide zu finden. Zwar wurde er von Fitzpatrick, den er am Arkansas traf, vor dem hereinbrechenden Winter gewarnt, der diesmal besonders hart werden sollte, aber er achtete nicht darauf und engagierte »Old Bill« Williams (1787–1849) als Führer, einen bekannten, wenn auch recht fragwürdigen Trapper und Führer in den Bergen, wo manche Fluss- oder Bergnamen an ihn erinnern.

Als die Gesellschaft jenseits der Sangre de Cristo-Berge im San Luis Tal eintraf, war es Dezember geworden, der heftige Schneefälle und bittere Kälte bescherte. Williams wollte die Berge im Süden umgehen, Fremont aber sie wider alle Vernunft überschreiten. Auf der Pool Table Mesa jenseits des Bill-Williams-Passes in den San Juan Bergen ernteten die Männer dann den Preis für Fremonts Sturheit; ein Schneesturm nagelte sie am 17. Dezember in rund 4000 Meter Höhe fest. Ein Maultier nach dem anderen erfror. Williams verfiel in Apathie, und Fremont, selbst fast verzweifelt, beschloss umzukehren. Tatsächlich erreichten die Männer wieder den Fuß der Berge. Von hier sandte Fremont Ende Dezember vier der kräftigsten nach Taos um Vorräte. Es gingen Williams, King, Brackenridge und Creuzefeld.

Sechzehn Tage später hatte Fremont noch nichts von den vieren gehört und beschloss nun, selber Hilfe zu holen. Den Westmann Alexis Godey (1818–1889) nahm er als Führer mit. Das Lager blieb unter der Obhut von Lorenzo Vincenthaler, der wohl deutscher Herkunft war. Er sollte mit der Ausrüstung und den Männern nachkommen. Die Expedition endete in einer Tragödie. Eine Reihe von Männern erfror, die Gesellschaft brach auseinander, Vincenthaler sammelte die Stärksten um sich und beschloss, auf Fremont zu warten. Die anderen, darunter die Kerns, C. C. Taplin, Andrews, Cathcart, McGehee und der Deutsche Stepperfeldt gingen langsam weiter. Creuzefeld und seine Gefährten waren nahe am Verhungern. Henry King starb und wurde, wie es das Gerücht später wissen wollte, von den anderen verzehrt. Schließlich rettete sie Fremont, der mit Hilfe von Ute-Indianern zusammen mit Godey zu einer Niederlassung gelangte. Godey kehrte mit einer Rettungsmannschaft sofort zurück, während Fremont völlig erschöpft weiter nach Taos zog. Der Rest von seinen Leuten wurde von Godey vor dem Verhungern bewahrt. Zehn Männer waren bei diesem Unglücksfall, der zu den schwersten in der Geschichte der amerikanischen Forschung zählt, ums Leben gekommen. Die Vorwürfe des Kannibalismus und Vincenthalers opportunistisches Verhalten machten alles noch schlimmer, und Fremont setzte dem die Krone auf, indem er seine Leute in Taos sich selbst überließ und nach Kalifornien reiste. Als Williams und Benjamin Kern nach verlassenen Vorräten Fremonts suchten, wurden sie von Ute-Indianern getötet – Williams, weil er den Stamm mehrfach betrogen hatte, und Kern als sein Begleiter gleich mit. Die anderen Männer schlugen sich nach Osten durch.

Fremont hatte weder etwas an Popularität noch an Optimismus eingebüßt. Er leistete seinem Vaterland noch manch anderen Dienst. 1856 wurde er als Präsidentschaftskandidat der Republikanischen Partei aufgestellt, im Bürgerkrieg brachte er es zum General, und von 1878 bis 1883 war er Gouverneur in Arizona. 1890 starb der alte »Pfadfinder« in New York. –

Nachdem Mexikos nördliche Provinzen – Arizona, Neu Mexiko und Kalifornien – an die USA gefallen waren, gab es für die topographischen Offiziere wieder Arbeit bei der Vermessung der neuen Grenzen. Der Leiter des Unternehmens war William Emory (1811–1887) aus Maryland, der Fremont an Popularität nur wenig nachstand. Man nannte ihn den »kühnen Emory«, weil er als fest, ernst und entschlossen galt. Von ihm stammt der erste amerikanische Bericht über die Apachen.

Bei den Vermessungsarbeiten, die sich als sehr schwierig gestalteten, wurde Emory von fähigen Assistenten unterstützt. Leutnant Nathaniel Michler, der später, wie schon dargestellt, Forschungen in Texas unternahm, und der deutsche Botaniker, Geologe und Zeichner Arthur Schott (1814–1875) aus Stuttgart nahmen ihm große Teile seiner Arbeit ab. Die Vermessungen begannen 1851, aber erst zwei Jahre später, nach zahlreichen Schwierigkeiten und Streitereien mit den mexikanischen Behörden, konnten sie beendet werden.

1853 kauften die Amerikaner Mexiko weitere Grenzgebiete im Gadsden-Vertrag ab, und Emory wurde im August des nächsten Jahres wiederum mit den Vermessungsarbeiten betraut. Er selbst führte einen Trupp an, einen zweiten Leutnant Michler, zu dessen Leuten auch Schott gehörte. Wissenschaftlich brachte die Expedition eine Fülle von Erkenntnissen, manche geologischen Theorien Schotts sind noch heute nicht vollständig überholt. Die Pflanzen- und Tierexemplare, die Schott und die anderen Forscher gesammelt hatten, wurden von dem Biologen John Torrey (1796–1873) geordnet und klassifiziert, der damals das bis zu dieser Zeit größte Wissen über die amerikanische Pflanzenwelt zusammentragen konnte.

Wichtig waren auch die Zeichnungen. Schott, dessen Bilder einen gewissen Humor erkennen lassen, vergrößerte mit Zeichnungen von verschiedenen Indianerstämmen den Informationsgehalt der Berichte. Durch seine Skizzen von dem Verlauf der Grenzlinie zeichnete sich der Wiener John Weyss (1820-1903) aus, der an den Messungen teilnahm.

Die systematische Erforschung des Südwestens und Nordwestens erfolgte in den nächsten Jahren. Es war die Zeit, in der die Frage nach einer Eisenbahnlinie, die beide Weltmeere verbinden sollte, immer häufiger gestellt wurde. Das topographische Korps übernahm die Aufgabe, die günstigsten Routen durch die Berge ausfindig zu machen und zu vermessen und dabei das Land zu erforschen.

Alle diese Offiziere, die nun nach Westen zogen, hatten Deutsche in ihrer Begleitung. Zur Truppe von Captain John W. Gunnison (geb. 1812), der zwischen dem 38. und 39. Breitengrad die Möglichkeiten einer Pazifik-Bahn erkunden sollte, gehörten der Topograph Richard Kern, der, wie erwähnt, Deutsch-Schweizer Herkunft war, der Deutsche Creuzefeld – jener Botaniker, der Fremonts tragische Expedition mitgemacht und überlebt hatte – und Jacob Schiel (1813-nach 1860), ein Geologe, der in Heidelberg studiert hatte und Gunnison als Arzt und Wissenschaftler begleitete. Gunnisons Expedition endete unglücklich, am Sevier-Fluss wurde sie am Morgen des 26. Oktober 1853 von Ute-Indianern überfallen, und Gunnison, Kern, Creuzefeld und fünf andere wurden getötet und verstümmelt. Nach Gunnisons Tod übernahm sein Assistent, Leutnant Beckwith, 1854 die Vermessungsarbeiten am 41. Breitengrad. Er hatte den Deutschen Friedrich W. von Egloffstein (1824–1885) in seiner Begleitung, der aus einer Seitenlinie des alten fränkischen Adelsgeschlechtes der Egloffsteins stammte und um 1846 oder 1850 nach New York gekommen war, wo er an neuen Gravierungsmethoden arbeitete. Erst in New Orleans, dann in St. Louis betätigte er sich als Zeichner, Maler und später als Landvermesser. Als er sich Beckwith als Zeichner, Topograph und Bildstecher anschloss, war er 30 Jahre alt.
 

Friedrich W. von Egloffstein

Friedrich W. von Egloffstein

 
Auch Kalifornien wurde Ziel der Forschungen im Jahre 1853. Hier sollte Leutnant Robert S. Williamson (1825–1882) die Möglichkeiten der Schienenverlegung prüfen. Zu seinen Leuten gehörte Charles Preuss, der mit Alexis Godey wertvolle Dienste leisten konnte, weil beide die Pässe wiederfinden konnten, die sie ein Jahrzehnt zuvor mit Fremont passiert hatten. Die erfolgreichste Expedition während der Eisenbahnvermessungsarbeiten fand am 35. Breitengrad statt. Der Leiter war Leutnant Amiel W. Whipple (1816–1863), der unter Emory das Valley of Mexico neu vermessen hatte, das schon früher von Humboldt mit Instrumenten vermessen worden war, die die Amerikaner als Sieger in Mexico City gefunden hatten. Eine Eisenbahnlinie in dem Gebiet, das man Whipple zugeteilt hatte, war besonders wichtig, weil sie den Interessen mehrerer Eisenbahnförderer gleichzeitig diente.

Im Juli 1853 brach Whipple in Fort Smith in Arkansas auf. Unter seinen Leuten waren namhafte Wissenschaftler wie der deutsche Naturforscher, Künstler und Schriftsteller Heinrich B. Möllhausen. Dieser war nach seinen Abenteuern als Reisebegleiter Herzog Pauls, wie früher dargestellt, im Januar 1853 wieder in Deutschland eingetroffen und hatte sich nach Berlin begeben. Hier kam er in engen Kontakt mit Alexander von Humboldt, dessen Freundschaft er sich erwarb, und lernte auch Carolina Alexandra Seifert, die Tochter des Haushälters und Freundes von Humboldt, kennen und lieben, die er später heiratete. Wenige Monate nach seiner Rückkehr sandte ihn Humboldt mit einem Empfehlungsschreiben an Kriegsminister Jefferson Davis (1808–1889) wieder nach Amerika, wo er im Mai 1853 eintraf und vom Smithsonian Institut der Expedition Whipple als Topograph und Naturforscher beigegeben wurde.
 

Möllhausen

Balduin Möllhausen

 
Am 14. Juli brach Whipple auf und zog am Canadian entlang nach Westen. In Albuquerque wurde ihm und seinen Leuten ein begeisterter Empfang bereitet. In der ersten Zeitung Neu Mexikos, dem »Amigo del Pais«, die hier erschien, wurden die Namen aller Forscher erwähnt. Möllhausen berichtete später, dass schon zahlreiche Deutsche in dieser Stadt lebten. Unter großen Strapazen gelangten die Forscher zum Colorado. Hier engagierte Whipple einen Mohave-Häuptling als Führer, Irateba (Iretaba, ca. 1814–1878), der sich den Weißen gegenüber sehr freundlich erwies. Die Mohaven halfen der Expedition, den Colorado an den sogenannten »Nadeln« zu überqueren. Von dort ging es über den Mohave Fluss zur Mormon Wagon Road, einem Zweig des Spanish Trails. Hier schloss Whipple die Vermessungsarbeiten ab. Sein späterer Bericht zeichnete sich durch Objektivität aus. Die von ihm gefundene Eisenbahnroute erwies sich als kostspieliger als die anderen, fand aber größte Beachtung.

Mittlerweile waren auch im Nordwesten Expeditionen unterwegs. Verschiedene Offiziere erschlossen weite neue Gebiete. Zu ihnen gehörte Isaac I. Stevens (1818–1862), eine Persönlichkeit, die schon zu Lebzeiten umstritten war, ein intelligenter Mann, dessen vielfach wahrscheinlich ehrliche und humane Absichten durch seine Arroganz und Rechthaberei zunichte gemacht wurden. Seine Forschungen im Nordwesten machten ihn bekannt. Unter seinen Leuten befand sich neben Botanikern und Topographen auch ein einfacher Soldat der Kompanie K im 4. Infanterie-Regiment, der als Zeichner und Dolmetscher fungierte. Es handelte sich um den Tilsiter Gustav Sohon (1825–1903), der eine ausgezeichnete Schulausbildung genossen hatte und 1842 im Alter von 17 Jahren nach Amerika gegangen war, um dem Militärdienst zu entgehen. Da sich ihm aber in der Neuen Welt nichts Besseres bot, trat er hier in die Armee ein. In Fort Steilacoom lernte er den Offizier John Mullan (1830–1909) kennen, der wie Stevens weite Gebiete im Nordwesten erforschte und sich Sohons annahm – bald verband beide eine enge Freundschaft.

Stevens führte seinen Trupp nach Fort Union und sandte von dort eine Abteilung ins Bitterroot-Tal, wo sie ein Depot unter den Flachkopf-Indianern einrichten sollte. Sohon befand sich bei dieser Gruppe und benützte die Gelegenheit, mit den Indianern Freundschaft zu schließen und ihre Dialekte zu erlernen. Damit wurde er der offizielle Dolmetscher der Expedition, für die er auch die Zeichnungen von Landschaft und Indianern anfertigte. Vor allem seine Portraits der Flachkopf-Häuptlinge von 1854 stellen hervorragende Dokumente der amerikanischen Geschichte dar. Außerdem waren Sohon die verschiedenen Instrumente anvertraut.

Im Jahre 1853 wurde das Territorium Washington mit der Hauptstadt Olympia organisiert. Stevens wurde zum Gouverneur bestellt und betrachtete es als seine vornehmliche Aufgabe, die von zunehmender Unruhe erfassten Indianer zu befrieden. Nachdem der Nordwesten an die Vereinigten Staaten gefallen war und sich die Engländer zurückgezogen hatten, schwand mit dem Einfluss McLoughlins und der Hudson Bay Company auch das Vertrauen der Indianer zu den Weißen. Das Massaker, dem 1847 der Missionar Marcus Whitman (1802–1847) und andere zum Opfer fielen, war der erste größere Zwischenfall; nach der Organisierung des Territoriums Oregon (1849) kam es wegen Goldfunden 1852 und wegen des immer größer werdenden Zustroms von Siedlern bald zu handfesten Kämpfen im Nordwesten. Stevens Plan war gut gemeint, aber ungeschickt in der Ausführung. Allerdings wurde ihm sein Vorhaben nicht gerade erleichtert, weil der Kommandeur im Department of the Pacific, der alte General Wool, der uns eben begegnet ist, der in den Siedlern die Hauptschuldigen an den Indianerkriegen erkannte, gegen ihn und seine Maßnahmen eingestellt war.

Zunächst verhandelte Stevens Weihnachten 1854 mit den Indianern am Puget Sound, deren hervorragender Führer der Nisqualli-Chief Leshi (gehenkt 1858) war. Zwar brachte Stevens einen Landabtretungsvertrag zustande, aber er weckte das Misstrauen der Indianer, die sich hintergangen fühlten. Leshi hatte gar nicht unterschrieben. Inzwischen hatte Stevens weiter im Landesinneren an der Stelle, an der heute die Stadt Walla Walla steht, zusammen mit dem Indianeragenten Joel Palmer (1810–1881) eine große Versammlung anberaumt. Das Treffen entfaltete sich zu einem der farbenprächtigsten und glanzvollsten Councils in der Geschichte Amerikas. Sohon hatte die einmalige Gelegenheit, an der Ratsversammlung teilnehmen zu können. So lernte er die damals bedeutendsten Häuptlinge im Nordwesten kennen. Es erschienen die Nez Percé, geführt von dem unaufrichtigen, weißenfreundlichen Lawyer (1796–1876) sowie den Häuptlingen Timothy und Joseph dem Älteren – Taweet-Tueka-kas, dem »Ältesten Grizzly« (ca. 1790–1871). Der junge Weyatenatemany kam mit den Cayuse, Wenapsnoot mit den Umatilla, Peu-peu-mox-mox, die »Gelbe Schlange« (gefallen 1855), mit den Walla Walla, und schließlich trafen die mächtigen Yakima unter den Brüdern Owhi (gehenkt 1858) und Kamaiakan (ca. 1899–1877) ein, die mit der festen Absicht geritten kamen, jeden Landverkauf zu verhindern. Sohon malte Bilder von der Ratsversammlung, die von Mai bis Juni 1855 dauerte, aber wichtiger noch war seine Tätigkeit als Dolmetscher. Er trug so seinen Teil dazu bei, dass die Indianer schließlich 60.000 Quadratmeilen Landes für 10 Cents pro acre verkauften, eine Summe, die der Kongress später als zu hoch bezeichnete. Während Joseph und Kamaiakan beredt für ihr Land eintraten, gaben die anderen Stämme bald nach, aber nach Ansicht mancher Beobachter nur, um Timothys und Lawyers Nez Percé los zu sein, die Weißen in Sicherheit zu wiegen und sich auf den Krieg vorzubereiten. Stevens merkte davon nichts; im Oktober schloss er mit den Schwarzfüßen einen guten Frieden; als er zurückkehrte, stand der ganze Nordwesten von Kalifornien bis Kanada in Flammen.

Noch vor Abschluss des Vertrages füllte sich das Land mit Goldsuchern und Siedlern, die den Indianern Pferde und Vorräte stahlen. Verärgert darüber und über die Methoden, mit denen der Vertrag zustande gekommen war, organisierten sie den Widerstand. Hatte Kamaiakan lange Zeit freundschaftliche Beziehungen zu den Weißen gepflegt und stets den Frieden bewahrt, so stellte er sich nun mit 55 Jahren an die Spitze der Erhebung, um alle Weißen zu vertreiben. Die Kämpfe im Nordwesten sind wenig bekannt geworden, man zählt sie nicht zu den »klassischen« Indianerkriegen. Über Jahre zog sich der Aufstand hin, mehrere Siege hatte Kamaiakan zu verzeichnen, aber schließlich wurde er 1858 von Oberst George Wright (gest. 1865) in zwei Schlachten besiegt, und Wright diktierte den Frieden. Kamaiakan entkam nach Kanada und lebte noch bis 1877 oder 1880.

Auch im südlichen Oregon brachen 1855 Kämpfe aus, als sich die Indianer am Rogue River erhoben. Leshi bereitete inzwischen einen Angriff auf Seattle vor, der am 26. Januar 1856 erfolgte, aber keine großen Ergebnisse zeitigte. Seattle war übrigens eine Gründung des Deutschamerikaners Heinrich L. Yesler (1810–1892), eines der besten Freunde, den die Indianer jener Gegenden hatten, der sie besonders in den 1860er Jahren vor viel Unheil bewahrte. Vor allem mit dem berühmten Duwamish-Häuptling Seattle (ca. 1786 oder 1788–1866), dessen angebliche Rede die Natur- und Umweltschützer bis heute begeistert, verband ihn eine enge Freundschaft, und nach ihm ist auch die Hauptstadt des Staates Washington Seattle benannt.

Bis zum Sommer 1856 gelang es der Armee, die Indianer am Puget Sound zu befrieden. In diesen Kämpfen sammelte ein junger deutscher Offizier seine ersten Erfahrungen mit den Indianern. Geboren wurde August Valentin Kautz 1828 in Ispringen in Baden. Im selben Jahr wanderte die Familie nach Amerika aus, ließ sich in Baltimore nieder, zog aber später nach Ohio, wo der Vater den Weinbau einführte. Der junge Kautz – sein Bruder Albert (1839–1907) brachte es zum Admiral – besuchte die Schule in Georgetown, meldete sich dann freiwillig für den Krieg gegen Mexiko und wurde nach der Rückkehr 1848 in die Militärakademie West Point aufgenommen, an der er 1852 graduierte. Nach Vancouver beordert, stieg er im 4. Infanterie-Regiment zum Oberleutnant auf. Als die Kämpfe ausbrachen, verbrachte er mit seiner Abteilung die meiste Zeit im Felde. In einer Schlacht mit Indianern vom Rogue River wurde er am 25. Oktober 1855 verwundet. Nach seiner Genesung wurde er gegen die Puget-Sound-Indianer eingesetzt. Anfang März 1856 war er mit einer Abteilung Regulärer unterwegs, um einen Weg vom Puyallup River zur Muckleshoot Prärie zu erkunden. In der Nähe des White River stieß er auf Indianer, griff sie an und verschanzte sich dann hinter einem Haufen Treibholz, um auf Entsatz zu warten. Als dieser eintraf, wurde die Schlacht auf die andere Seite des Flusses auf die Muckleshoot Prärie getragen; Kautz ließ zum Angriff blasen und schlug die Indianer in die Flucht. Über hundert Reguläre nahmen an dem Kampf teil, einer wurde getötet, neun erlitten Verletzungen, unter ihnen Kautz.

Bald danach ergaben sich Leshi und Quiemuth, der andere bedeutende Häuptling in diesen Kämpfen. Beide kamen auf tragische Weise ums Leben. Quiemuth wurde von einem Siedler im Amtsraum von Stevens ermordet. Und Stevens gelang es mit niederträchtigen Mitteln, Lug und Betrug, Bestechung, unter Umgehung von Recht und Gesetz und gegen den Protest verschiedener weißer Persönlichkeiten, Leshi an den Galgen zu bringen (1858). So endete auch der Häuptling, der nach Kautz’ späteren Aufzeichnungen der intelligenteste und humanste in dem Krieg gewesen war, durch Verrat. Stevens wurde bald danach abgelöst und fand seinen Tod 1862 im Bürgerkrieg. Fast 150 Jahre nach seiner Hinrichtung wurde Leshi von einem eigens für ihn eingerichteten Sondergericht zum Jubel seines Stammes im Dezember 2004 rehabilitiert.

Im Jahre 1857 war Kautz in Fort Steilacoom stationiert. Von hier brach er in diesem Jahr mit zwei Soldaten, einem Zivilisten und dem Nisqualli-Führer Wah-pow-e-ty auf, um den Gipfel des Mount Rainier zu erklimmen. Damit war Kautz der erste, der den Versuch einer Besteigung dieses Berges unternahm. Allerdings mussten die Männer in 12.000 Fuß Höhe umkehren, weil sich das Wetter verschlechterte. Heute erinnert im Mount Rainier Nationalpark der Kautz-Creek, der in herrlichen Kaskaden vom Kautz-Gletscher herabspringt, an das Abenteuer des jungen Offiziers, der im selben Jahr noch wegen seiner Tapferkeit von der Armeeführung belobigt wurde.

Mit den Forschungs- und Vermessungsarbeiten war zwar das Problem nicht beseitigt, wo nun die Pazifik-Bahn gebaut werden sollte, aber für die Erforschung und Erschließung des Kontinentes war Gewaltiges geleistet worden. Die Bedeutung der Deutschen bei dieser Arbeit war enorm. Baron Egloffstein malte die ausgezeichneten Illustrationen von Utah für Beckwith' Bericht und half bei der Zeichnung der Landkarte des topographischen Offiziers Gouverneur K. Warren (1830–1882), eines der späteren Helden in der Bürgerkriegsschlacht von Gettysburg 1863. Sie war das bedeutendste Werk des Pacific Railroad Reports, da sie alle Erkenntnisse der letzten Jahre über den Westen zusammenfasste (1859). Zwar lieferte sie keine genauen Details, aber den um diese Zeit so wichtigen Überblick über die westlichen Gebiete. Whipple hatte das letzte Geheimnis des Großen Beckens gelöst, auch vom Nordwesten hatte man nun verhältnismäßig klare Vorstellungen. Trotz mancher Irrtümer bildete Warrens Karte einen Meilenstein.

Eines der besten Bücher über den Westen schrieb Jacob Schiel, jener aus der Gegend von Bingen stammende Geologe, der dem Massaker entkommen war, dem Gunnison und Creuzefeld zum Opfer gefallen waren. Er besaß einen untrüglichen Sinn für das Wesentliche und für die Strömungen, die damals die Vereinigten Staaten beeinflussten. In Schaffhausen erschien 1859 sein Buch »Reise durch die Felsengebirge und die Humboldtgebirge nach dem Stillen Ozean«, das die Bildung und den feinen Charakter des Mannes ausweist. Schiel prophezeite schon damals die Ausrottung der Büffel und erkannte das dadurch bedingte Ende der Indianer. Sein Werk wurde ins Englische übersetzt und in den Vereinigten Staaten dreimal aufgelegt.

Charles Preuss, der mit seinen Karten zur Erschließung des Westens einen wesentlichen Beitrag geleistet hatte, den es immer wieder in den Westen getrieben hatte, obwohl er ihn hasste, lieferte als seinen letzten Beitrag zur Kenntnis des Westens eine Karte von Kalifornien und beging bald danach Selbstmord - man vermutete später Weltschmerz, aber vielleicht war es auch seine Abneigung bzgl. des Westens, für dessen Erschließung er so viel persönliche Opfer gebracht hatte.

Die Indianer und ihre Gewohnheiten, Mythen und Traditionen fanden – außer bei den Brüdern Kern - nur bei Whipple und Stevens Beachtung. Whipples Spracheinteilung der Stämme ist noch heute von Wert. Möllhausen illustrierte den Bericht mit Schnitten und Zeichnungen. Whipple war allerdings nicht immer zufrieden, da Möllhausen teilweise nicht wahrheitsgetreu zeichnete. Zum Beispiel schilderte Whipple die Navaho-Krieger als feurige Reiter – gezeichnet wurden sie von dem »schrulligen Deutschen« mit halb geschlossenen Augen, müde über ihre ermatteten Gäule gebeugt. Dagegen lobte Whipple die akkurate Wiedergabe einer Navaho-Decke. Die besten Zeichnungen allerdings stammten von Baron Egloffstein.

Nach 1855 ließen das Ansehen des topographischen Korps und sein Einfluss nach. Ähnliche Institutionen wurden gegründet. Aber als 1857 ein Krieg mit den Mormonen in Utah drohte, griff man noch einmal auf das Korps zurück. Zwar brach der Krieg dann doch aus, bevor die Expedition Klarheit über die topographischen Verhältnisse gebracht hatte, und die amerikanische Armee wurde wegen ihrer Unkenntnis des Landes von den Mormonen zum Frieden gezwungen, aber nun war die Forschung organisiert und konnte über die Bühne gehen. Zum Hintergrund: Die Religionsgemeinschaft der Mormonen, gegründet 1830 von Joseph Smith (1805–1844), musste sich Verfolgungen entziehen – Smith war von einer aufgebrachten Menge ermordet worden – und emigrierte in verschiedenen Schüben in den späteren Staat Utah; die ersten 148 kamen 1847 an den Großen Salzsee, wo sie Salt Lake City gründeten; tausende folgten in den nächsten Jahren. Ihr Führer war ihr außerordentlich fähiger Präsident Brigham Young (1801–1877). Als Young starb, lebten rund 140.000 Mormonen in Utah, und es gab 357 Siedlungen. Zunächst hatten die Vereinigten Staaten den Exodus unterstützt, aber die Mormonen verstanden es nicht, die USA auf ihre Seite zu ziehen. 1849 organisierten sie einen selbstständigen Staat, den ›State of the Deseret‹, mit eigener Verwaltung und Verfassung. Dies glaubten die USA nicht dulden zu dürfen. Der Kongress gründete wie in anderen Fällen ein Territorium (1850) und ernannte Young zum Gouverneur, stellte ihm aber gleichzeiitig einen ›Sekretär‹ zur Überwachung an die Seite. Dies führte zu vielen Schwierigkeiten, die sich hätten vermeiden lassen, wenn sich die Repräsentanten der USA diplomatischer und konstruktiver verhalten hätten. 1857 wurde Young abgesetzt und die Regierung sandte 2500 (später 5200) Soldaten unter Major Albert Sidney Johnston (1803–1862) nach Utah, um die angebliche Rebellion zu unterdrücken. So kam es zu Feindseligkeiten und Kämpfen, eben dem ›Mormonenkrieg‹, wenn auch der Widerstand der Mormonen meist passiv war. Johnston, später ein hervorragender General der Südstaaten im Bürgerkrieg, der leider schon 1862 in der Schlacht von Shiloh fiel, der den Auftrag hatte, die Mormonen zu zwingen, sich den Gesetzen der USA zu unterwerfen, nahm zwar Salt Lake City ein, aber er ging mit so großem Geschick vor, dass er die meisten Schwierigkeiten überwand und es bald zu einem Frieden kam. Johnston wurde zum General befördert. Nach 1862 erschienen dann noch kalifornische Freiweillige unter Oberst Patrick E. Connor (1820–1891), einem späteren General, Pionier und angesehenen, wenn auch antimormonisch eingestellten Politiker in Utah, zur Überwachung der Mormonen, und es gab noch viele Konflikte mit den Gesetzen der Vereinigten Staaten, aber als die Mormonen 1890 die Mehrehe aufgaben, die bei ihnen allerdings nie die große Rolle gespielt hatte, wie allgemein geglaubt, wurde Utah nach Ausarbeitung einer neuen Verfassung 1896 als 45. Staat in die USA aufgenommen. Doch nun zurück zum hier zu behandelnden Forschungszug.

Im Oktober 1857 versammelten sich die Forscher in San Francisco. Oberleutnant Joseph C. Ives (1828–1868), ein noch junger, doch erfahrener Offizier, hatte den Befehl. Zu den Gelehrten, die ihn begleiteten, gehörten der Arzt und Geologe John Strong Newberry (1822–1892), Baron Egloffstein und Ives' Assistent und Künstler, nämlich Balduin Möllhausen. Dieser war im August 1854 nach Berlin zurückgekehrt, hatte ein halbes Jahr später seine Carolina geheiratet und war von Humboldt unter die Fittiche genommen worden. Humboldt erwirkte nicht nur beim preußischen König für ihn die Stellung eines Kustos der Büchereien in den königlichen Residenzen, so dass er die Ruhe für seine spätere schriftstellerische Arbeit fand, sondern zeichnete auch sein späteres Reisewerk mit einem Vorwort aus. Als Ives’ Expedition begann, reiste Möllhausen dann noch einmal in den Westen, was nach der Ansicht eines Historikers für den guten Ruf sprach, den Ives schon damals hatte.

Ives sollte die strategische Bedeutung des Colorado-Flusses untersuchen. Anfang Dezember bauten die Forscher an der Mündung des Stromes unter großen Schwierigkeiten den Heckrad-Dampfer »Explorer«, mit dem Ives den Colorado bis zur Grenze der Schiffbarkeit befahren wollte. Noch vor ihm beeilte sich Kapitän Alonzo Johnson, der auf dem Colorado eine Schiffsverbindung eingerichtet hatte, Ives, den er als Rivalen betrachtete, mit seinem Dampfer »General Jessup« auszustechen. Früher hatten die »Nadeln« als Grenze der Schiffbarkeit gegolten; Johnson kam noch 34 Meilen weiter, aber auf der Rückfahrt erlitt er in seiner großen Eile Schiffbruch.

Aber Ives erging es nicht besser. Als er am 11. Januar 1858 von Yuma ablegte, fuhr er noch in Sichtweite des Forts auf Grund. Wieder flott gemacht, unternahm der »Explorer« eine halsbrecherische Fahrt den Colorado aufwärts, blieb zum Vergnügen der zuschauenden Indianer oftmals hängen und wurde durch und durch geschüttelt. Das Lager wurde am Ufer aufgeschlagen, oft bei den friedlichen Chemehuevi, die die Weißen freundlich aufnahmen. Hier erregte vor allem der bärtige Möllhausen Gelächter, der die Kinder losschickte, Mäuse und Eidechsen zu fangen, weil die Indianer dachten, er wolle sie verspeisen.

Schließlich erreichte das Schiff hinter den »Nadeln« das Mohave Tal, wo die Mohaven lebten, die nicht mehr kriegerisch waren, seitdem Irateba großen Einfluss hatte. Auch der Oberhäuptling Cairook (gest. 1859) unterstützte die Forscher. Irateba ging zu Ives’ Freude als Führer mit. Bald danach, kurz hinter der Stelle, an der Johnson umgedreht war, erreichte auch der »Explorer« die Grenze der Schiffbarkeit – er rammte sich an einem Unterwasserfelsen fest und sank.

Um diese Zeit war der Mormonenkrieg in vollem Gang; die Mormonen versuchten, Mohaven und Paiute gegen die Forscher aufzuhetzen; aber die Häuptlinge Cairook, Mesikehota und Irateba und Ives' Geschenke verhinderten Feindseligkeiten. Ives begann am 23. März 1858 einen Landmarsch, um eine Verbindung zum alten Mormonen-Trail zu finden. Iratebas Führung war dabei von großem Wert. Auch zwei der armseligen Hualpai wurden als Führer angeworben. Die Forscher befanden sich im nordwestlichen Arizona, in dem Land der mächtigen, geheimnisvollen Canyons. Sie erreichten die Mündung des Diamond Creek in den Colorado und betraten damit den Westteil des Grand Canyon. Diese Expedition sollte als erste zu seinem Grund hinabsteigen. Vorher waren nur der spanische Padre Garcés 1776 und der amerikanische Westläufer James O. Pattie (ca. 1804–ca.1851) 1826 zu seinem Grund gelangt.

Ungeheuer schwierig war der Marsch in diesem wildromantischen Gelände. Irateba verlor die Lust und kehrte reich beschenkt zurück. Bis zu seinem Tode 1878 blieb er ein fester Freund der Weißen, Ives selbst bezeichnete ihn als den wertvollsten Indianer, dem er je begegnet sei. Bald nach seiner Umkehr flohen die Hualpai. Nach zahlreichen Abenteuern stießen die Forscher auf den Walapai-Trail, der zum versteckten Canyon der Havasupai in einem Seitenausläufer des Grand Canyon führte. Der Trail wurde bald so schmal zwischen steiler Felswand und senkrecht abstürzender Schlucht, dass Ives eine Reihe von Männern, denen schwindlig wurde, zurücklassen musste. Mit den anderen, unter ihnen Egloffstein, tastete er sich vorwärts, bis der Pfad zu Ende war und vierzig Fuß tiefer erst weiterführte. Egloffstein entdeckte eine Holzleiter, die aber, als er hinabstieg, unter seinem Gewicht zerbrach, so dass er eine Rutschpartie zum Grunde des Canyon unternahm. Er kam mit heilen Knochen an und erforschte den Canyon, in dem die Havasupai-Indianer, etwa zweihundert, in vollständiger Abgeschiedenheit lebten. Von hier, dem Cataract Canyon, waren es nur sechs Meilen zum Colorado.

Mit einem Seil kletterte Egloffstein nach zwei Stunden zu seinen Gefährten und kehrte mit ihnen zu den übrigen Männern zurück. Die Expedition in dem wilden, zerklüfteten, großartigen Land näherte sich ihrem Ende. Am 25. April waren die Forscher nördlich der Bill Williams-Berge angelangt, eine Woche später erreichten sie den Little Colorado. Während eine Gruppe von hier nach Fort Defiance weiter im Süden zog, marschierte Ives mit den übrigen, zu denen Egloffstein gehörte, durch die Painted Deserts zu den Pueblos der Hopi. Von dort wollte er die Wüste in nördlicher Richtung durchqueren, musste aber bald umkehren und unternahm einen mühseligen Marsch durch das Land der kriegerischen Navaho. Jeden Tag sahen die erschöpften Forscher mehr Indianer, die sie beobachteten. Kurz nach ihrer Ankunft in Fort Defiance am 23. Mai brach der Navaho-Krieg aus, dem die abgekämpften Männer wahrscheinlich zum Opfer gefallen wären.

Die meisten Mitglieder der Expedition reisten nach Fort Leavenworth, Ives nach Fort Yuma. Dann fuhr er mit dem Schiff nach Washington, wo er einen ausgezeichneten Bericht über die Expedition verfasste, die zu den bedeutendsten in Amerika im vorigen Jahrhundert zu rechnen ist.

Das geologische und topographische Bild vom Westen war mehr und mehr vervollkommnet. Egloffstein erfand ein völlig neues Verfahren für die Landkartenherstellung, indem er die topographischen Charakteristiken in Reliefform, wie ein Sandkasten-Modell darstellte. Sein Verfahren bürgerte sich ein und wird noch heute in verbesserter Form verwendet. Seine fünfteilige Karte war die erste, die das Land der Canyons und Plateaus zeigte. Egloffstein nahm am Bürgerkrieg auf Seiten des Nordens teil und brachte es bis zum Brigadegeneral. Danach wirkte er an der Weiterentwicklung des Halbtonverfahrens in der Stichtechnik mit. Er kehrte 1878 mit Frau und Kindern – 1848 hatte er bei einem Kurzaufenthalt in Deutschland Irmgard von Kiesewetter geheiratet – nach Deutschland zurück Er starb 1885 in dem Elbdorf Hosterwitz, heutzutage ein Teil von Dresden.

Die Fülle von Abenteuern, die Möllhausen erlebt hatte, spiegelte sich in allen seinen künftigen Romanen wider. Er kehrte 1858 heim und blieb die restlichen Lebensjahre, von einer Skandinavien-Reise 1879 abgesehen, zu Hause. Er schrieb 45 große Werke in 157 Bänden und achtzig Kurzgeschichten in 21 Bänden. Im Gegensatz zu Sealsfield und Strubberg verzichtete er auf ethnographische Darstellungen, doch sind seine Werke von größerer künstlerischer Geschlossenheit. Den Indianern zeigte er Sympathie, ohne ihnen mit solcher Anteilnahme zu begegnen wie Cooper oder Karl May. Seine prächtigen Naturschilderungen, seine Einfühlungsgabe und sein Sinn für Form und Motivation erwarben ihm den Titel »deutscher Cooper«. Zu seinen bekanntesten Werken gehören ›Der Halbindianer‹ (1881) und ›Das Mormonenmädchen‹ (1864). Der »alte Trapper«, wie er in Berlin hieß, starb 1905 in Berlin und wurde in seinem alten ledernen Jagdrock begraben.

Alle die hier beschriebenen Forscher haben erheblich zur Erforschung des Gebietes der heutigen Vereinigten Staaten beigetragen. Eine der letzten bedeutenden und berühmten Expeditionen im Westen Nordamerikas war die des Geologen und Anthropologen John Wesley Powell (1834–1902), der 1872 auf dem Colorado durch den Grand Canyon fuhr – eine unglaubliche Leistung. Mit von der Partie war der Deutsche John K. Hillers (1843–1925), der offizielle Fotograf auf der abenteuerlichen Reise; er trat durch zahlreiche Fotografien, z. B. von den Paiute, hervor. Danach wurde er der Stabsfotograf Powells. Für ihn machte er etwa 3000 Bilder, später im Auftrag des Smithsonians’s Bureau for Ethnology – er besuchte die Zuni, Hopi und andere Stämme - an die 20.000. Während der Indianerfotograf Edward S. Curtis (1868–1952) sehr berühmt wurde, geriet Hiller in Vergessenheit, war aber ebenfalls sehr bedeutend. Bei uns weiß man allerdings leider kaum etwas über ihn und die übrigen hier vorgestellten deutschen Forscher im Wilden Westen.
 

Grand-Canyon-Expedition 1872

Rast im Marble Canyon während der zweiten Grand-Canyon-Expedition 1872

   


   

Der »Goldene Staat«

Karl Mays Väter – Die Geschichte der Deutschen im Wilden Westen