Lieferung 81

Karl May

10. Mai 1884

Waldröschen
oder
Die Rächerjagd rund um die Erde.

Großer Enthüllungsroman
über die
Geheimnisse der menschlichen Gesellschaft

von

Capitain Ramon Diaz de la Escosura.


// 1921 //

»Sie haben diesen Capitän gekannt?«

»Ja.«

»Im Guten oder im Bösen?«

»Wie man es nimmt,« antwortete Cortejo vorsichtiger Weise.

»Hatte er nicht noch einen Beinamen?« fragte der Jäger.

»Ja. Er wurde der schwarze Capitän genannt.«

»Wahrhaftig, Sie kennen ihn. Hatten Sie vielleicht auch eine Rechnung mit ihm auszugleichen, grad so wie ich?«

Diese Frage sagte, daß der Jäger seinem Verwandten nicht freundlich gesinnt gewesen sei; darum antwortete Cortejo frisch darauf los:

»Allerdings. Diese Rechnung ist heut noch nicht ausgeglichen.«

»Verzichten Sie darauf, sie ins Gleiche zu bringen. Er lebt nicht mehr.«

»Wissen Sie das genau?«

»Seine Leiche habe ich nicht gesehen, aber er ist todt. Ich habe ihm nachgeforscht, wie Einer nur immer zu suchen vermag, Tag und Nacht, mit Haß und Rache im kochenden Herzen. Ich bin auf seiner Fährte gewesen Jahre lang; aber immer, sobald ich ankam, war er schon wieder fort. Endlich hörte die Spur auf, das Schiff war untergegangen und der Capitän jedenfalls mit.«

Seine Stimme hatte auf einmal einen ganz anderen Klang angenommen. Die Worte wurden mehr zwischen den Zähnen herausgezischt als gesprochen.

»So haben Sie ihn gehaßt?«

»Ja. Ich habe ihn so gehaßt, wie nur ein Mensch den andern hassen kann.«

»Und doch war er ihr Verwandter?«

»O, er war sogar mein - Bruder, das heißt, mein Stiefbruder.«

Die Aufmerksamkeit Cortejos steigerte sich.

»So müssen Sie Schreckliches mit ihm erlebt haben,« sagte er.

Der Jäger schwieg eine Weile; dann antwortete er:

»Er war ein Teufel. Von dem Tage an, an welchem seine Mutter das Weib meines Vaters wurde, habe ich keinen glücklichen Augenblick gehabt.«

»Seine Mutter war Wittfrau?«

»Ja, und mein Vater Wittmann. Sie müssen nämlich wissen, daß mein Vater Pflanzer war; meine Mutter war bereits bei meiner Geburt gestorben. Ich war zwanzig Jahre alt und hatte eine Braut, schön wie eine Houri und gut wie ein Engel. Da fiel es meinem Vater ein, wieder zu heirathen. Er hatte in New-Orleans die Wittwe eines Spaniers kennen gelernt und brachte sie mir als zweite Mutter mit nach Hause.«

»Solche Sachen sind unangenehm!«

»O, es ging mich ja weiter nichts an. Mein Vater war sein eigener Herr und konnte thun und lassen, was ihm beliebte. Aber diese Spanierin hatte einen neunzehnjährigen Sohn, welchen sie mitbrachte. Was soll ich Ihnen das Alles erzählen! Ich will Ihnen nur sagen, daß er meine Braut verführte und meinen Vater erschoß, den Verdacht aber auf mich zu bringen wußte. Ich wurde verurtheilt, entkam aber mit Hilfe einiger Freunde. Was er beabsichtigt hatte, das hatte er nun erreicht: er war der Besitzer der Pflanzung, welche eigentlich mir


// 1922 //

gehörte. Aber das hielt nicht lange vor. Er verjubelte und verpraßte das Vermögen, und als der letzte Heller vergeudet war, sah er sich gezwungen, seinen früheren Beruf wieder aufzunehmen. Er war nämlich Seemann.«

»Sie versuchten nicht, sich zu rächen?«

»Konnte ich? Durfte ich es wagen, mich in die Heimath einzuschleichen? Es mußten Jahre vergehen, ehe mir der Bart gewachsen war und mein Aussehen sich so verändert hatte, daß ich hoffen durfte, nicht erkannt zu werden. Und als ich dann kam, war es zu spät, denn er befand sich bereits zur See. Ich war arm und mittellos, ich konnte es nicht machen wie ein Millionär, welcher sich hätte eine Yacht bauen lassen, um ihm nachzujagen. Aber ich ging in die Goldminen und war glücklich. In vier Jahren war ich wohlhabend, und nun begann ich meine Jagd, um den Mörder meines Vaters, den Verführer meiner Braut, den Zerstörer meines Glückes zu züchtigen.«

»Es gelang Ihnen nicht?«

»Nein. Ich war ihm stets auf der Ferse, aber ich erwischte ihn nicht. Mein Geld wurde alle, und ich war wieder arm, ohne mich gerächt zu haben, aber Der, welchem meine Rache galt, war auch während jener Zeit verschwunden.«

»Warum nannte er sich denn Grandeprise?«

»Weil dies mein Name war. Alle Welt sollte denken, ich, der Entflohene, der verfluchte Vatermörder sei der schwarze Capitän.«

»Teufel! Dieser Grandeprise ist selbst in seinem Verbrechen geistreich!«

»Sie nennen es geistreich? Ich nenne es teuflisch!«

»Wie war denn eigentlich sein Name?«

»Landola, Henrico Landola.«

»Alle Wetter! Ist Ihnen denn nicht einmal der Gedanke gekommen, daß er unter diesem seinem wirklichen Namen noch leben könne?«

»Nein.«

»Nehmen Sie es mir nicht übel, Sennor. Dann sind Sie nicht der Mann dazu, den schwarzen Capitän zu fangen!«

»Glauben Sie etwa, daß er als Seeräuber seinen wahren Namen tragen wird?«

»Nein. Aber ist es denn nicht möglich, daß er von diesem schlimmen Handwerk gelassen hat? Wenn er unter einer ehrlicheren Flagge fährt, kann er auch seinen Namen tragen. Ich will es übrigens ebenso kurz machen wie Sie und Ihnen sagen, daß Ihr Stiefbruder noch lebt.«

»Heiliger Gott! Ist es wahr, Sennor?«

»Ja.«

»Sie kennen ihn?«

»O, ich habe sehr viel Geschäfte mit ihm gemacht und hoffe, ihn bald wiederzusehen.«

»Unter dem Namen Henrico Landola?«

»Ja.«

Der Jäger befand sich in einer großen Aufregung. Seine Augen hingen an Cortejos Lippen, um dessen Worte gleichsam abzulesen, ehe ihr Klang noch das Ohr erreichen konnte. Er ergriff die beiden Hände und fragte:


// 1923 //

»Sie hoffen wirklich, diesen Menschen wiederzutreffen?«

»Ja.«

»Sie sind nicht sein Freund, sondern sein Feind?«

»Ich war sein Freund, bin aber jetzt sein Feind. Er hat mich getäuscht und betrogen; er hat eine Aufgabe, welche ich ihm ertheilte, nicht wörtlich gelöst, sondern er ist dabei mit eigener Willkür verfahren und hat mir großen Schaden gemacht.«

Cortejo wußte noch nichts von Sternaus Rückkehr. Seine gegenwärtigen Worte konnten also nur darauf berechnet sein, Vertrauen zu erwecken.

»Sie wollen sich an ihm rächen?« fragte der Jäger.

»Ja.«

»Darf ich Ihr Verbündeter sein?«

»Wenn ich wüßte, daß ich Ihnen trauen darf.«

»O, Sennor, geben Sie mir Gelegenheit, mit diesem Ungeheuer abzurechnen und ich thue für Sie alles Mögliche, was in menschlichen Kräften steht. Ich habe förmlich geschmachtet nach Rache und Vergeltung. Wo gedenken Sie, diesen Landola wieder zu treffen?«

»Das ist jetzt noch unbestimmt. Vor allen Dingen kommt es jetzt darauf an, daß ich die Hazienda glücklich erreiche. Bin ich in Sicherheit, so kommt ganz gewiß die Stunde, in welcher ich Nachricht über ihn erhalte.«

»So lassen Sie uns aufbrechen. Die Pferde sind gesattelt. Vorher aber wollen wir nach Ihren Augen sehen.«

Er nahm Cortejo die Binde ab und dieser bemerkte dabei zu seiner allergrößten Freude, daß er, wenn auch jetzt noch spärlich, das Augenlicht wieder erhalten habe. Er bekam abermals Wundkraut aufgelegt und dann stiegen sie zu Pferde um ihren Ritt fortzusetzen.

Unterdessen war die Fahrt der beiden Dampfer und ihres Convois glücklich von Statten gegangen. Natürlich saßen Amy und Mariano während der ganzen Zeit beisammen, um sich für eine so lange Zeit der Entbehrung zu entschädigen. Geierschnabel stand am Buge des ersten Dampfers. Er hatte die Führung des Schiffszuges wieder übernommen. Der Lord hatte vollauf zu thun, um mit Juarez über ihre gegenseitigen diplomatischen Concessionen Klarheit zu erlangen, und Sternau wurde sehr oft zu diesen Besprechungen gezogen, da sein unparteiischer Scharfblick ihnen eine Einigung zu erleichtern schien.

Man war bereits am andern Morgen aus dem Rio Grande del Norte in den Sabina eingefahren und näherte sich dem Punkte immer mehr, an welchem die beiden Arme desselben sich vereinigen und wo die Landung erwartet wurde.

Sternau stand in der Cajüte, tief in die Betrachtung der beiden Bilder versunken, als Juarez bei ihm eintrat. Dieser hatte gehört, wen die Photographien darstellten. Er sagte:

»Allem Anscheine nach sind Sie ein ebenso beneidenswerther Gatte wie Vater. Haben die Ihrigen bereits eine Ahnung von Ihrer Wiederkehr?«

»Nein. Ich hatte bereits bei unserer Landung in Guaymas die Absicht, ihnen zu schreiben, aber es giebt dort keine Briefbeförderung.«

»Hier leider auch nicht, wenigstens ist sie außerordentlich unsicher.«


// 1924 //

»So werden meine Angehörigen noch lange warten müssen,« meinte Sternau in trübem Tone.

»Ich möchte Ihnen gern helfen, mein lieber Sennor; aber die Franzosen machen mir dies unmöglich.«

»In wiefern?«

»Ich habe bereits zweimal den Versuch gemacht, ganz unschädliche Privatbriefe ihnen zur Beförderung anzuvertrauen, bin aber abgewiesen worden.«

»Waren Sie selbst der Absender?«

»Nein. Die Briefe waren von mir ganz unbekannten Leuten geschrieben, welche mich baten, ihre Beförderung zu gestatten. Ich erlaubte dies gern; an der französischen Occupationslinie aber wurden sie zurückgewiesen, obgleich die Schreiben offen waren, so daß sich ein Jeder von ihrem ganz unverfänglichen Inhalte überzeugen konnte. Der Eine verlor dadurch sein ganzes Vermögen und der Andere erlitt auch einen bedeutenden geschäftlichen Schaden. Man muß sagen, Frankreich marschirt sehr an der Spitze der Civilisation. Die Nation ist die größte Beschützerin der internationalen Humanität.«

Diese Worte waren mit tiefer Erbitterung gesprochen. Doch fuhr er gleich darauf unter einem theilnehmenden Lächeln fort:

»Wie wäre es, wenn wir versuchten, ihnen ein Schnippchen zu schlagen?«

»In welcher Weise?«

»Sie schreiben zu Hause und zwar zwei gleichlautende Briefe. Kommt der eine nicht an, so gelangt doch vielleicht der andere an seine Adresse.«

»Auf welchem Wege?«

»Sie senden den einen nach Tambico und den andern nach Santillana. Ich habe an beiden Orten sehr zuverlässige Vertrauensmänner, welchen es große Freude machen würde, die Briefe einem Schiffe zur Beförderung zu übergeben.«

»Und wer bringt sie hin? Das ist gefährlich!«

»O nein. Ich habe genug Leute unter meinen Truppen, welche unternehmend genug sind, eine solche unschwierige Aufgabe zu lösen. Uebrigens ist von einer Gefahr die Rede gar nicht. Selbst wenn man einen dieser Boten auffangen und seinen Brief öffnen sollte, enthält dieser ja nur lauter Privatnachrichten, welche dem Ueberbringer nicht schaden können.«

»So muß ich in dem Schreiben von Ihnen schweigen.«

»Auch das ist nicht nöthig. Was kann der Bote dafür, daß der Absender sich bei mir befindet?«

»Das ist allerdings wahr. Darf ich Ihren Vorschlag annehmen, Sennor?«

»Ich bitte Sie, es zu thun.«

»Wann darf ich da schreiben?«

»Sogleich, wenn es Ihnen möglich ist. Sobald wir an das Lager kommen, werde ich mir zwei Mann auswählen, welche sofort nach den genannten Orten aufbrechen können. Schreiben Sie also sogleich, Sennor.«

Sternau folgte dieser Aufforderung. Papier war nebst den nöthigen andern Schreibrequisiten vorhanden. Der Brief lautete:

      »Meine Lieben und Theuren.
Mit heißen Thränen im Auge schreibe ich diese wenigen Zeilen nieder. Es


// 1925 //

sind Freudenthränen, welche ich vergieße bei dem Gedanken, welche Freude, ja welches Entzücken dieses so unerwartete Lebenszeichen daheim hervorrufen wird.
   Habt Ihr meine Schrift sofort erkannt, als Ihr das Couvert erblicktet? Fast glaube ich, das Schreiben verlernt zu haben, da meine Hand beinahe zwei Jahrzehnte lang weder Feder noch Stift berührte. Es war eine lange, lange Zeit, eine qualvolle, trostlose Ewigkeit, welche nun hinter uns liegt. Ausgesetzt und gefangen auf einer kleinen, einsamen Insel des Oceanes, haben wir ärmlicher und hilfloser gelebt, als Robinson Crusoe, den doch das Wrack des Schiffes mit Waffen und andern Hilfsmitteln versah.
   Wir haben nach Rettung geschrieen, wie der Sünder im Fegefeuer nach Erlösung schreit. Fast schien es, als ob alle unsere Gebete erfolglos seien, als ob es keinen Gott gäbe, welcher die Stimme des Jammers vernehmen will. Da endlich, endlich erbarmte sich der Allgütige unserer und sandte uns in unserm Retter einen Mann, welchen auf Erden zu sehen wir nicht für möglich gehalten hätten.
   Wer Alles mit auf unserer Insel war? fragt Ihr. Ich nenne Euch nur Mariano, Helmers und seinen Bruder Anton. Die Uebrigen sind Euch persönlich nicht bekannt und ein ausführlicher Bericht ist auch nicht der Zweck dieser Zeilen. Wer unser Retter war? Graf Ferdinando de Rodriganda, der Todtgeglaubte.
   Räthsel auf Räthsel, nicht wahr? Ich werde sie Euch baldigst lösen. Jetzt befinden wir uns wieder in Mexiko bei Juarez. Amy und Lord Lindsay sind da. Mariano ist entzückt, die Geliebte zu besitzen. Gott, wäre doch auch mir dies Glück beschieden!
   In Amy's Cajüte hängen zwei Portraits, das meiner Rosa und auch das meines - - Waldröschens. Ich habe vor ihnen auf den Knieen gelegen, und wenn Gott wirklich Gott ist, so wird er mein Gebet erhören und Euch so viel an Glück mehr gewähren, als ich an Gram und Leid bisher erdulden mußte.
   Allem Anscheine nach befinden wir uns auf dem Heimwege; aber es giebt hier noch einige Aufgaben zu lösen, bevor wir Mexiko verlassen können. Es gilt, das Geheimniß von Rodriganda aufzuklären und die Schuldigen zu bestrafen; dann kommen wir Alle zu Euch nach Rheinswalden.
   Amy hat mir erzählt, welche ungeahnte Veränderung daheim vorgegangen ist. Ich habe einen Vater. Gott, welch ein Glück, welch eine Freude! Mutter, grüße ihn tausend und abertausend Male von mir! Nicht, daß er ein Herzog ist, macht mich so glücklich, sondern der Gedanke, daß Dein Herz ein zweites gefunden hat, an das es sich stützen und lehnen darf.
   Wie gern möchte ich Euch bitten, mir zu schreiben, aber wo sollte mich Eure Antwort treffen, wenn sie überhaupt noch während meiner Anwesenheit nach Mexiko gelangte? Begnügen wir uns also mit diesem Lebenszeichen und der Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen.
   Rosa, mein heißgeliebtes theures Weib, Du Wonne meiner Seele, Du Bild meines Wachens und meiner Träume mehrere Tausende von Wochen lang, ich flehe Dich an, lege Deine Hände auf das Haupt unsers Kindes und gieb ihm an meiner Stelle den reichsten Vatersegen. Möge jede Thräne, welche ich vergoß, jeder Seufzer, den ich in die einsamen Lüfte hauchte, sich für Röschen in eine


// 1926 //

Stunde des Glückes verwandeln. Meine Hand zittert und mein Herz bebt, indem ich Dieses schreibe. Meine ganze, ganze Seele ist ein einziges und inbrünstiges Gebet für Euch, die ich nimmer wiederzusehen erwartete und deren Antlitz mir nach so langem Sehnen doch noch entgegenleuchten wird.
   Grüßt Alle, Alle, auch die ich einzeln nicht nenne, da mir die Zeit zum Schreiben so kurz zugemessen ist, die Schwester, Herrn von Rodenstein, den wackern Ludewig, dessen Bruder Andreas ich hier getroffen habe und mitbringen werde. Grüßt auch Frau Helmers und ihren Kurt; ich werde ihnen den Gatten und Vater in die Arme legen. Auch jenen Franzosen, welcher Rosa ermorden sollte, habe ich hier gefunden. Auch er muß mit zu Euch, da er uns wichtige Entdeckungen zu machen hat.
   Verzeiht, wenn ich eine Person oder sonst Etwas vergessen habe. Meine Gedanken sind ja nicht hier bei dem Papiere, sondern bei Euch da drüben. Meine Worte sind nicht im Stande, Euch mein Glück, meine Sehnsucht zu schildern. Jeder Pulsschlag gilt für Euch; jede Faser zittert Euch entgegen und jetzt giebt es trotz aller Sprachen und Dialecte der Erde nur ein einziges Wort für mich. Es heißt: Wiedersehen!
                                                               Euer heiß nach Euch verlangender Karl Sternau.«

Eben als er das Duplicat dieses Briefes angefertigt hatte, stieß der Dampfer ein lautes, fröhliches Pfeifen aus. Man war beim Lager angekommen.

Dort herrschte, wie man bereits vom Flusse aus sehen konnte, ein außerordentlich reges Leben. Es waren da die Reiter nicht mehr allein vorhanden, sondern auch die hierher bestellten Ochsenwagen waren angekommen. Man konnte die ganze Versammlung deutlich überblicken, da man sich hier auf offenem Prairielande befand. Die Dampfer bugsierten die Boote an das Ufer, wo die Letzteren angelegt wurden.

Das Ausladen begann sofort.

Da zeigte es sich nun, welche Hilfsmittel dem Präsidenten übergeben wurden: kleine Fäßchen, mit Goldstücken gefüllt, tausende von Gewehren, Messern, Pistolen und Revolvern, große Vorräthe von Pulver, Blei, Zündhütchen und fertigen Patronen, telegraphische Feldapparate mit Leitungsdrähten, viele Meilen lang, Patenttragbahren für Verwundete, alle möglichen und nöthigen Requisiten für Kampf und Kriegskrankenpflege. Die Boote steckten vom Kiele bis hoch über Deck voll von all diesen Sachen, und die Männer, welche arbeiteten, um das Alles entgegen zu nehmen und auf die Karren zu laden, mußten sich sagen, daß dies für Juarez eine Unterstützung sei, deren Werth jetzt noch gar nicht taxirt werden könne.

Der Lord leitete in Person die Ausschiffung und Juarez den Empfang und die Verpackung. Sternau war dem Ersteren behilflich.

»Was wird mit den Schiffen geschehen?« fragte er.

»Sie gehen nach El Refugio retour.«

»Und Sie mit?«

»Nein. Ich bleibe bei Juarez.«

»Als Bevollmächtigter Englands?«


// 1927 //

»Ja.«

»Und Miß Amy?«

»Bleibt natürlich bei mir.«

»Aber haben Sie auch bedacht, welche Gefahren da Ihnen und ihr drohen, Mylord?«

»Ja. Was mich betrifft, so darf ich diese Gefahren nicht achten.

Meine Gegenwart sanctionirt das Verhalten des Präsidenten. Wir wollen sehen, ob diese Herren Franzosen ein Heer, bei welchem sich der Vertreter Großbritanniens befindet, wirklich wie eine Bande von Banditen behandeln werden. In einigen Tagen wird sich auch der Vertreter der Vereinigten Staaten einstellen, und dann - hinaus mit den Franzosen! Und was Amy betrifft, so wollte sie nicht von mir lassen. Sie nimmt Theil an meinen Freuden und Leiden.«

»Wird der Umstand, daß Freund Mariano jetzt zugegen ist, nicht vielleicht Etwas daran ändern?«

»Hm! Möglich, aber ich glaube es nicht.«

»Mariano wird sich natürlich Ihnen und der Braut anschließen wollen und hat doch noch andere Pflichten. Auch befindet sich Graf Ferdinando, der doch sein Oheim ist, noch krank in Fort Guadeloupe.«

»Ich denke, das wird sich Alles sehr wohl vereinigen lassen. Bevor wir in Mexiko einziehen, wird sich in Sachen der Rodriganda wohl nichts thun lassen, und so ist es am Besten, Sie Alle bleiben mit mir bei Juarez, dessen Heer so schnell anwachsen wird, daß wir in kurzer Zeit in der Hauptstadt sein werden. Ich weiß genau, daß dem Kaiser der Franzosen ein sehr ernstes Ultimatum der Regierung der Vereinigten Staaten zugegangen ist.«

»Welches Inhaltes?

»Wenn Napoleon seine Truppen nicht aus dem Lande zieht, wird die Union die ihrigen marschiren lassen.«

»Gegen die Franzosen?«

»Natürlich. Ich habe sogar eine Ahnung, daß bereits geheime Verhandlungen im Gange sind, um die Art und Weise und die Zeit zu bestimmen, in welcher die Franzosen sich nach und nach rückwärts zu concentriren haben.«

»Sie meinen, daß sie Juarez das Land successive übergeben werden?«

»Nein, das nicht. Das können sie nicht thun, ohne sich unsterblich zu blamiren.«

»Was aber sonst?«

»O, sehr einfach: Sie haben den Erzherzog Max zum Kaiser gemacht. Sie werden ihn bewegen, freiwillig abzudanken, und wie ich ihn, besonders aber die Erzherzogin und seine Rathgeber kenne, wird er es nicht thun. Die Franzosen werden also gezwungen sein, ihn sich selbst zu überlassen. Sie werden sich zurückziehen und Stadt für Stadt, Provinz für Provinz ihm überlassen. Er aber wird nicht im Stande sein, einen einzigen Ort für die Dauer zu behaupten, und darum wird das ganze Land Juarez zufallen. In Wahrheit, factisch wird es allerdings ganz so sein, als ob Bazaine das Land direct an Juarez zurückgiebt.«

»Und Kaiser Max dann?«

»Er wird die Consequenzen der Thatsachen zu tragen haben. Er hat


// 1928 //

Napoleon getraut, und dieser läßt ihn fallen. Es bleibt ihm nichts übrig, als mit den Franzosen das Land zu verlassen oder sich bis auf den letzten Mann zu vertheidigen und mit zu - sterben.«

»Mein Gott! Das Letztere doch wohl nicht!«

Der Lord zuckte die Achsel.

»Haben Sie von seinem unglückseligen Decrete gehört?«

»Leider ja.«

»Nun, darüber, daß er mit demselben sich das Todesurtheil selbst geschrieben hat, giebt es nur Eine Stimme. Es sind in Folge dieses Decrets nicht nur die Soldaten des Juarez sondern auch dessen Offiziere und sogar Generäle erbarmungslos hingeschlachtet worden. Das Volk von Mexiko wird nach Vergeltung schreien, und diese Vergeltung wird nicht Napoleon oder Bazaine treffen, sondern Max, welcher das Decret unterzeichnet hat.«

»Juarez ist edel; er wird ihn retten!«

»Ja, dieser Indianer ist ein Ehrenmann!« sagte der Lord nachdenklich.

»Haben Sie mit ihm darüber gesprochen?«

»Ja.«

»Was sagte er?«

»Nichts Gewisses und Deutliches; er ist ja Diplomat. Er muß der Stimme seines Volkes gehorchen, wenn er nicht selbst fallen will. Er darf Max nicht freisprechen, wenn dieser in seine Hände fällt. Aber wie ich ihn kenne, wird er dafür Sorge tragen, daß Max entkommt. Mehr läßt sich natürlich über diesen Gegenstand nicht sagen.«

»Was aber wird England, was werden die Regierungen der andern Länder sagen, wenn man es wagt, einen Sohn des Hauses Habsburg zu morden?«

»Lieber Freund, einem Andern als Ihnen würde ich keine Antwort geben. Englands Regierung ist weitsehend genug, um zu ahnen, was geschieht. Dennoch kann, wenn ich Ihnen unter vier Augen ein Wort anvertraue, dieses nur meine persönliche Meinung enthalten.«

»Ich bitte darum.«

»Nun, England, Frankreich und Spanien occupirten Mexiko, weil dasselbe Verbindlichkeiten hatte. Sobald Mexiko bewies, daß man ihm einerseits Unrecht that und daß es andererseits seinen reell entstandenen Verbindlichkeiten nachkam, traten England und Spanien zurück. Frankreich hatte die Pflicht, dasselbe zu thun, that es aber nicht, sonst wäre ja seine berühmte »Gloire« getrübt worden. Um aber einen Sündenbock zu haben, wurde Erzherzog Max so lange bearbeitet, bis er sich bereit erklärte, Derjenige zu sein, welcher Frankreich nöthigenfalls den Rückzug decken wolle. Er ist ein Mann von seltenen Geistesgaben; er ist sogar ein Dichter, aber Dichter pflegen selten Eroberer und Herrscher zu sein. Die Wahlen, welche man anstellte, waren nur Scheinwahlen oder wurden unter französischem Zwange ausgeführt. Mexiko hat Max niemals als Kaiser anerkannt. Mexiko hält ihn für einen Eindringling und wird ihn als solchen behandeln, ohne zu fragen, ob er der Sohn eines Bäckers oder der Nachkomme der Dynastie Habsburg ist. Fällt er den Mexikanern in die Hände, so wird er für die Opfer Frankreichs bluten müssen. Es wird ein etwas lauter Schrei über den Ocean


// 1929 //

erschallen; aber Mexiko wird sich um diesen Schrei nicht kümmern, und die Regierungen, von denen Sie sprachen, werden gezwungen sein, ihn zu ignoriren.«

»Welch ein Schicksal! Könnte ich bei ihm sein, um ihn zu warnen!«

»Sie würden keinen Erfolg haben, ebenso wenig wie General Mejia, von dem man weiß, daß er der aufrichtigste Berather ist.

Fast möchte man annehmen, Max habe sich für eine Kaiserkrone prädestinirt gehalten. Als er im Jahre 1851 Spanien besuchte und im Gruftgewölbe des Domes zu Granada an den Särgen seiner Ahnen Ferdinands und Isabellas stand, hat er ein eigenthümliches Gedicht verfaßt. Kennen Sie es?«

»Nein.«

»Nun, ich habe es gelesen und wörtlich behalten. Es lautet:

Düsterer, dumpfer Fackelschein
   Führt den Enkel zu der Stätte,
Wo der Könige Gebein
   Ruht im kalten engen Bette.

An dem Sarg er sinnend steht,
   Bei dem Staub der großen Ahnen,
Lispelt stille sein Gebet
   Den schon halb vergess'nen Manen.

Da erdröhnt es in dem Grab,
   Flüstert aus den morschen Pfosten
Der hier brach, der goldene Stab,
   Glänzt plus ultra auch im Osten!

Leider aber hat er diesen Stab nicht im Osten sondern im Westen gesucht. Der Glanz desselben wird erbleichen, und das Gebein des Enkels, welcher an einem kurzen Kaisertraum zu Grunde ging, wird in keine Kaisergruft niedergesenkt sondern vielleicht hinter dem Walle irgend eines mexikanischen Ortes eingescharrt werden. Gebe Gott, daß ich ein schlechter Prophet bin.«

»Und wird das Ultimatum der Vereinigten Staaten den Kaiser von Frankreich wirklich bewegen, Mexiko zu räumen?«

»Unbedingt. Als die Union unter dem Bürgerkriege blutete, hohnlachte Napoleon der Warnung Lincolns. Aber der alte »Abe« wußte gar wohl, was er wollte. Jetzt hat der Norden gesiegt; die Sclavenhalter, auf welche Napoleon rechnete, liegen darnieder, und die Staaten haben eine ungeahnte Macht entfaltet. Frankreich wäre wahnsinnig, wollte es sich in einen Krieg mit der Union verwickeln, und - leichtsinnig ist Frankreich, wahnsinnig aber nicht. Doch genug von dieser Sache! Da kommt Einer, von dem es scheint, daß er Sie sprechen will.«

Der, welchen der Lord meinte, war Anton Helmers, der »Donnerpfeil«. Er warf einen forschenden Blick auf das ringsum herrschende, geschäftige Treiben und fragte dann:

»Wie lange wird es wohl währen, bis man hier fertig ist, Herr Doctor?«

»Wohl gut zwei Tage.«

»Ah! Und die Hazienda del Erina?«

»Darüber sprechen wir dann, mein Lieber.«


// 1930 //

Helmers spielte an seinen Revolvern herum und sagte:

»Dann erst? Wäre es nicht besser, gleich jetzt darüber zu sprechen?«

»Warum?«

»Nun, ich hörte von den Apachen, daß Cortejo entkommen ist!«

»Ja, leider.«

»Er wird nach der Hazienda gehen.«

»Vermuthlich.«

»Dort ist seine Tochter.«

»Allerdings.«

»Sie haben den Brief gelesen, welchen wir bei dem Anführer fanden. Sie haben auch jene Worte des Sterbenden gehört. Mir ist angst um meinen Schwiegervater. Ich kann nicht länger warten; ich reite zur Hazienda.«

Sternau erschrak.

»Was denken Sie! Die Gegend steckt voller Franzosen.«

»Das ist mir gleich.«

»Man wird Sie festhalten.«

»Ich glaube das nicht. Büffelstirn reitet mit.«

»Das ändert nichts.«

»O doch! Er kennt alle Schliche dieser Gegend; es wird uns Niemand treffen.«

»Gut. Auch vorausgesetzt, daß Sie glücklich hingelangen; was werden Sie thun?«

»Den Haziendero befreien.«

»Sie Zwei?«

»Ja. Kommen Sie mit zu Büffelstirn!«

Er schritt, ohne Sternaus Antwort abzuwarten, wieder über die Planken zurück, welche vom Schiffe nach dem Ufer führten, und Sternau folgte ihm. Drüben standen Büffelstirn und Bärenherz beisammen. Der Erstere trat ihnen entgegen und fragte Helmers:

»Was will der Herr des Felsens thun?«

»Er räth mir, zu warten.«

»Unser Warten hat lang genug gedauert!«

»Mein Bruder Büffelstirn will also wirklich mit?« fragte Sternau.

»Ja,« antwortete der Gefragte. »Ich bin ein freier Indianer, aber die Hazienda ist Karja, meiner Schwester, eine Heimath gewesen, und Sennor Arbellez war mein Freund und Bruder. Ich gehe, ihn zu retten.«

Aus diesen Worten und dem Ernste des Häuptlings ersah Sternau, daß er fest entschlossen sei, sein Vorhaben auszuführen. Gegenreden konnten nichts daran ändern; dennoch sagte er zu ihm:

»Aber wie will mein Bruder ihn retten? Die Hazienda steckt voller Franzosen!«

Der Miztecas machte eine Geberde der Geringschätzung.

»Büffelstirn lacht der Franzosen!« antwortete er.

»Aber ihrer sind viele!«

»Der Miztecas sind noch mehrere!«


// 1931 //

»Ah, mein Bruder will seine Stammesgenossen zusammenrufen?«

»Ja.«

»Das nimmt viel Zeit in Anspruch.«

»Nein; das dauert eine Nacht. Wenn der Häuptling der Miztecas auf dem Berge Reparo das Feuerzeichen giebt, sind am andern Abende tausend Männer um ihn versammelt.«

»Ist das auch gewiß? Mein Bruder war so viele Jahre nicht daheim.«

»Die Söhne der Miztecas haben ihre Pflicht niemals vergessen. Auch mein Bruder Bärenherz geht mit.«

»Uff!« stimmte der Häuptling der Apachen bei.

»Wer führt dann aber die Apachen an, welche bei Juarez sind?«

»Mein Bruder Bärenauge.«

Sternau sah die entschlossenen Mienen der drei Männer; er blickte einige Augenblicke lang zu Boden und sagte:

»Meine Brüder haben recht. Wir können nicht warten, bis Juarez uns Truppen zur Verfügung stellt. Unser Freund Arbellez ist in Gefahr und es ist unsere Pflicht, ihm so schleunig wie möglich beizustehen.«

Da leuchteten die Augen Büffelstirns freudig auf.

»Ich wußte, daß mein Bruder mitreiten würde,« sagte er. »Nun werden wir die Franza gar nicht zu fürchten haben, denn wenn der Herr des Felsens bei uns ist, so werden wir nicht unterliegen.«

»Also die Miztecas werden kommen, sobald sie das Feuerzeichen sehen?«

»Ja. Das Harz und Pech liegt schon seit mehr als hundert Jahren in der Erde, aber es wird seine Wirkung thun.«

»Was aber werden Emma und Karja sagen?«

»Sie werden bei Juarez bleiben,« sagte Helmers.

»Nehmen wir nicht Abschied von ihnen?«

»O nein. Sie würden uns nur hindern.«

»Und was soll Juarez sagen, wenn sie ihn fragen?«

»Er mag sagen, daß wir auf Kundschaft ausgezogen sind. Das wird sie beruhigen und ist auch keine Unwahrheit, denn unser Unternehmen ist doch eigentlich ein Kundschafterritt in das vom Feinde besetzte Land hinein.«

»So wollen wir sogleich mit ihm sprechen.«

Juarez, der Lord und die Andern waren nicht wenig überrascht, als die vier Männer ihnen ihr kühnes Vorhaben mittheilten. Sie versuchten zunächst, ihnen abzureden. Als dies nichts fruchtete, boten sich Mariano und der Steuermann Helmers zur Begleitung an. Aber dies wurde abgeschlagen. Sternau wollte Mariano nicht von seiner Braut trennen, und der Steuermann war zu wenig Prairieläufer, um ihnen von großem Nutzen sein zu können. Auch der kleine André wurde abgewiesen.

»Nehmen Sie wenigstens eine Anzahl Apachen mit!« bat Juarez Sternau.

»Auch darauf werden wir verzichten,« antwortete dieser. »Zu vier Personen wird es uns leichter, unbemerkt nach der Hazienda zu kommen.«

»Hätte ich mehr Leute, so würde ich Ihnen so viel mitgeben, daß Sie Ihren Weg nicht heimlich zu machen brauchten. Doch ich hoffe, daß das Vertrauen,


// 1932 //

welches Büffelstirn auf seine Miztecas setzt, in Erfüllung geht. Dann werde ich in möglichst kürzester Frist zu Ihnen stoßen.«

Nach einem herzlichen Abschiede, an welchen so kurz vorher noch Niemand gedacht hatte, setzten sich die Vier auf und ritten davon. Sie hatten sich einen Vorrath von Proviant mitgenommen, um unterwegs nicht der Jagd obliegen zu brauchen, da sie sich durch Schüsse leicht hätten verrathen können.

Erst als Juarez am dritten Tage darauf nach Cohahuila kam, hörte er von der amerikanischen Freischaar, welche angekommen war. Er traf sofort Anstalt, sie an sich zu ziehen und brach dann auf, um den vier Freunden nachzufolgen und ihnen Hilfe zu bringen, falls sie einen Mißerfolg gehabt hätten.

Diese hatten einen Umweg eingeschlagen und sich in das weniger bewohnte Gebirge von Monclova hineingezogen. Darum brachten sie länger zu, als es sonst der Fall gewesen wäre, doch erreichten sie unbemerkt die Nähe der Hazienda, auf welcher sie sich allerdings nicht sehen ließen. Sie umritten dieselbe vielmehr in weitem Kreise und hielten auf den Berg El Reparo zu.

Es war dies jener Berg, in dessen Innern sich die Höhle des Königsschatzes befand, und auf dessen Kuppe sich die grausigen Begebenheiten des Teiches der Krokodile zugetragen hatten.

Sie waren in seiner Nähe angekommen und ritten zwischen dünnen Büschen hin, als der voranreitende Büffelstirn plötzlich sein Pferd anhielt.

»Ein Reiter,« sagte er, den Arm ausstreckend.

Die Andern blickten in der angedeuteten Richtung hin und erkannten einen Mann, welcher ruhend an der Erde saß, während sein Pferd in der Nähe graste.

»Wir müssen ihn umreiten, um nicht von ihm gesehen zu werden,« sagte Sternau.

Die Sonne stand im Sinken, und der Berg warf seinen Schatten, aber man vermochte dennoch, eine ziemliche Strecke weit zu sehen.

»Wir reiten hin!« antwortete der Miztecas, nachdem er sich den Mann schärfer betrachtet hatte.

»Kennt ihn mein Bruder?«

»Ein Vaquero.«

»Von del Erina?«

»Ja. Ich erkenne ihn wieder, obgleich er älter geworden ist.«

»Ob er treu ist?«

»Er war dem Häuptlinge der Miztecas stets freundlich gesinnt.«

»So wollen wir sehen, ob er es noch ist.«

Sie setzten also ihren Weg, ohne sich im Verborgenen zu halten, fort. Als der Mann sie erblickte, erhob er sich schnell, sprang auf sein Pferd und griff zur Büchse.

»Aemilio braucht sich nicht zu fürchten,« rief Büffelstirn ihm zu. »Oder ist er vielleicht ein Feind der Miztecas geworden?«

Der Angeredete saß wie erstarrt auf seinem Pferde.

»O Dios!« rief er endlich. »Büffelstirn!«

»Ja, ich bin es!«

»Stehen die Todten auf?«


// 1933 //

»Nein; aber die Lebenden kehren zurück.«

»So wart Ihr gar nicht gestorben?«

»Nein, wir lebten. Kennst Du diese Männer?«

Aemilio ließ sein Auge von Einem zum Andern gehen. Sein Gesicht nahm den Ausdruck eines immer größeren freudigen Erstaunens an.

»Ist das möglich oder sehe ich nicht recht?«

»Wen siebest Du?« fragte Büffelstirn.

»Ist das nicht Sennor Sternau?«

»Ja, er ist es.«

»Und dieser ist Bärenherz, der Häuptling der Apachen?«

»Ja, Deine Augen sind noch gut.«

»Mein Erlöser! Und wir glaubten Euch Alle todt. Wo sind die Andern?«

»Sie leben auch noch und folgen uns baldigst nach.«

»So werden sie es sehr traurig auf der Hazienda finden.

 »Warum?«

»Die Feinde sind da.«

»Wie viele Mann?«

»Gegen sechshundert.«

»Wer ist der Anführer?«

»Cortejo. Aber er ist vor einiger Zeit fortgeritten, und nun kommandirt seine Tochter Josefa.«

»Was thun diese Leute?«

»Sie essen, trinken, spielen und schlafen. Sie martern die Vaquero's, indem sie auf die Rückkehr Cortejo's warten.«

»Wo ist Sennor Arbellez?«

»Gefangen.«

»Wo?«

»Sie haben ihn in einen Keller geworfen, nachdem er fast todtgeschlagen worden war.«

»Ist er allein gefangen?«

»Sennora Maria Hermoyes und Antonio sind bei ihm.«

»Antonio? Uff! Der auf Fort Guadeloupe war?«

»Ja.«

»Wie ist er Gefangener geworden?«

»Als er kam, ahnte er nicht, daß diese Leute da seien. Er wurde festgenommen und zu Josefa Cortejo geschafft, welche ihn verhörte.«

»Er hat ihr Alles erzählt, was er in Fort Guadeloupe erfuhr?«

»Das weiß ich nicht. Er wurde von ihr weg in den Keller gesteckt.«

»Was giebt man den Gefangenen zu essen?«

»Ich weiß es nicht. Niemand sieht etwas davon, denn die Vaquero's gehen jetzt nicht nach der Hazienda.«

»Du auch nicht?«

»Nein.«

»So komm mit uns.«

Aemilio schloß sich ihnen mit Freuden an. Nun er diese Männer sah,


// 1934 //

glaubte er an eine baldige Verbesserung der Lage. Diese Drei hatte er erkannt, den Vierten aber doch nicht genau. Jetzt ritt er neben ihm.

»Verzeiht, Sennor,« sagte er. »Ich habe Euch jedenfalls früher gesehen, weiß aber doch nicht, wie ich Euch nennen soll.«

»Habe ich mich denn so sehr verändert?« fragte Helmers lächelnd.

In Folge dieses Lächelns und dieser Stimme kehrte dem Vaquero die Erinnerung zurück.

»O Ihr Heiligen, wäre es wahr?« fragte er. »Ihr seid Sennor Helmers?«

»Ja.«

»Gott, welch eine Freude! Aber lebt auch Sennorita Emma noch?«

»Sie lebt noch und kehrt sehr bald nach der Hazienda zurück.«

»O, man wird auch sie gefangen nehmen.«

»Nein. Wir werden die Feinde vertreiben.«

»Sie Vier?« fragte der Mann ungläubig.

»Das wirst Du bald sehen. Doch sage mir vor allen Dingen, wer den Befehl gegeben hat, daß Sennor Arbellez gepeitscht worden ist.«

»Ich glaube, die Sennorita Josefa.«

»War ihr Vater da noch auf der Hazienda?«

»Ja.«

»Es ist genug. Sie werden ihre Strafe erhalten.«

Er knirrschte mit den Zähnen und auch die Augen Büffelstirns leuchteten auf. Diese Beiden glühten vor Rachbegier. Wehe Cortejo und seiner Tochter, wenn diese in ihre Hände geriethen!

Der Ritt ging jetzt an der Seite des Berges empor. Sie gelangten oben am Alligatorenteich an, noch ehe das letzte Tageslicht verglimmt war. Noch stand der Baum, welcher schräg über das Wasser ragte. Die Fläche des Wassers war eben. Da aber hielt Büffelstirn an und stieß jenen klagenden Ruf aus, mit dem man Krokodile anzulocken pflegt. Sofort tauchten eine ganze Menge knorrige Köpfe aus der Tiefe auf. Sie kamen auf das Ufer zugeschossen und schlugen die Kinnladen gegen einander, daß es klang, als würden starke Pfosten auf einander geschlagen.

»Uff! Lange nichts gefressen!« meinte der Miztecas. »Werden bald ihren Hunger stillen können. Büffelstirn wird für die heiligen Krokodile der Miztecas sorgen.«

Sie umritten den Teich und stiegen im Walde ab, wo sie die Pferde unter der Aufsicht Aemilios stehen ließen. Dann schritt Büffelstirn weiter voran.

Mitten auf der Kuppe des Berges befand sich eine pyramidenförmige Erhöhung, welche man ganz sicher für ein Werk der Natur gehalten hätte. Dort blieb der Häuptling der Miztecas stehen.

"Das ist das Feuermal meines Stammes."

»Das ist das Feuermal meines Stammes,« sagte er.

»Ah, ein verborgener Pechofen?« fragte Sternau.

»Ja. Er ist mit Pech, Harz, Schwefel und trockenem Gras angefüllt. Oeffnen wir ihn!«

Er trat an die eine Seite der Pyramide und nahm einen Stein fort, welcher mit Erde bedeckt und mit Gras überwachsen war.


// 1935 //

»Das ist das Zugloch.«

Zu diesen Worten Sternaus nickte der Häuptling mit dem Kopfe. Dann stieg er zur Spitze empor. Dort befand sich der Stamm eines nicht gar zu starken Baumes, welcher ganz das Aussehen hatte, als ob er durch einen Blitzschlag seine gegenwärtige Gestalt erhalten habe. Büffelstirn zog denselben hin und her, bis der Stamm sich lockerte und fortnehmen ließ. Dadurch entstand ein Loch, welches Büffelstirn erweiterte, so daß es die Stärke eines Mannes erlangte.

»Es ist dunkel geworden,« sagte er. »Wir wollen das Zeichen des Krieges anbrennen. Büffelstirn ist viele Jahre lang nicht bei den Seinigen gewesen, aber meine Brüder werden bald sehen, daß seine Anordnungen noch immer gelten.«

Er kniete und schlug Feuer. Bald brannten einige trockene Splitter, welche er aus dem Stamme geschlitzt hatte. Er warf sie in das Loch und stieg dann von der Pyramide herab.

Erst ließ sich ein leises Knistern und Prasseln hören, welches bald in ein lautes Zischen überging. Eine vielleicht zwei Fuß hohe Flamme stieg empor.

»Das ist zu niedrig,« meinte Helmers.

»Mein Bruder, warte ein Wenig,« antwortete der Häuptling. »Die Söhne der Miztecas verstehen es, Kriegsflammen zu erzeugen.«

Er hatte recht, denn kaum eine Minute später begann die Flamme emporzusteigen, und nach fünf Minuten hatte sie eine ungeheure Höhe erreicht. Sie hatte die Gestalt einer Säule, welche oben in gewaltigen Strahlen aus einander ging, und besaß eine solche Leuchtkraft, daß es auf der ganzen Kuppe des Berges hell wie am Tage wurde.

»Ein Fanal, wie ich noch keins gesehen habe!« bemerkte Sternau.

»Wir werden sehr bald Antwort haben,« antwortete Büffelstirn.

»Giebt es mehrere Orte mit solchen Oefen?«

»So weit die Miztecas wohnen.«

»Und es sind Männer angestellt, welche die Flamme anzuzünden haben?«

»Ja.«

»Wenn diese nun gestorben oder nicht zugegen sind?«

»So haben sie ihr Amt Anderen übergeben. Mein Bruder sehe!«

Das Feuer hatte jetzt vielleicht eine Viertelstunde lang gebrannt. Der Häuptling zeigte nach Süden. Da erhob sich jetzt auch eine Flamme, und zwar in einer Entfernung, welche man in Folge der Nacht nicht genau schätzen konnte. Im Norden folgte eine zweite und bald konnte man rundum fünf gleiche Feuersignale sehen.

Da schritt Büffelstirn zu einem Steine, welcher in der Nähe lag. Er hob ihn trotz der Größe desselben weg, und nun wurde eine Oeffnung sichtbar, in welcher einige Kugeln von der Größe eines Billardballes lagen. Er nahm drei davon, warf sie in die Flamme und deckte dann den Stein sorgfältig wieder auf das Loch.

»Warum diese Kugeln?« fragte Sternau.

»Mein Bruder wird es sogleich bemerken.«

Er hatte dies kaum gesagt, so schossen drei Flammen himmelhoch empor und


// 1936 //

bildeten dort drei große Feuerscheiben, welche sich lange Zeit in gleicher Höhe hielten und dann langsam wieder niedersenkten.

Kurze Zeit darauf erblickte man bei jedem der fünf andern Fanale ganz dasselbe Zeichen.

»Was bedeutet das?«

»Jeder Ort hat sein Zeichen,« antwortete Büffelstirn. »Ich habe dasjenige des Berges El Reparo gegeben, damit die Miztecas wissen, wo sie sich versammeln sollen.«

»Aber die Feinde werden diese Feuer auch bemerken!«

»Sie werden nicht wissen, was sie zu bedeuten haben. Jetzt steigt die Flamme nieder. Meine Brüder mögen noch einige Augenblicke warten, dann können wir diesen Ort verlassen.«

Das Feuermal sank mit eben derselben Schnelligkeit herab, mit welcher es gestiegen war; dann war es dunkel wie vorher.

Büffelstirn legte den Stein wieder sehr genau vor das Zugloch und brachte dann den Baum wieder an Ort und Stelle. Obgleich dies in der Dunkelheit geschah, verstand er es doch, jede Spur sorgfältig zu entfernen.

»Wenn ein Feind auf den Berg kommt,« sagte er, »um den Ort zu suchen, wo die Flamme gebrannt hat, so wird er ihn nicht finden. Wir aber werden ihn jetzt verlassen.«

»Wohin gehen wir?«

»Dahin, wo wir bis morgen verborgen bleiben können.«

»Bis morgen Abend?« fragte Helmers.

»Ja.«

»Können wir am Tage nichts für die Hazienda und Arbellez thun?«

»Gar nichts. Aber am Abend wird die Hazienda unser sein.«

Sie kehrten zu den Pferden zurück, stiegen auf und ritten wieder den Berg hinab, wo sie links umbogen und nach ungefähr einer halben Stunde in eine Schlucht gelangten, deren Eingang fast ganz von Büschen verdeckt war.

»Hier werden wir warten,« sagte Büffelstirn.

Sie ritten bis an den hinteren Theil der Schlucht, hobbelten da ihre Pferde an und lagerten sich in das weiche Moos. Ihre halblaute Unterhaltung bezog sich natürlich auf die bevorstehenden Ereignisse, dann suchten sie den Schlaf.

Die Nacht verging und ebenso der Tag in tiefer Ruhe. Ungefähr um sechs Uhr wurde es dunkel, doch wartete Büffelstirn noch zwei Stunden, ehe er zum Aufbruch aufforderte. Sie bestiegen ihre Pferde und ritten fort.

Als sie an die Stelle gelangten, welche nach oben führte, vernahmen sie erst vor sich und dann auch hinter sich Pferdegetrappel.

»Wer reitet da?« fragte Helmers leise.

»Mein Bruder sorge sich nicht,« antwortete Büffelstirn. »Es sind die Söhne der Miztecas, welche meinem Rufe folgen.«

Als sie oben anlangten, herrschte dort eine außerordentliche Ruhe, aber um den Teich der Krokodile konnte man, zwar undeutlich nur, Menschen und Pferde Kopf an Kopf erkennen. Sie waren gekommen, um zu erfahren, was das Feuersignal zu bedeuten habe.


// 1937 //

»Mein Bruder wird laut sprechen müssen,« meinte Sternau; »denn zu diesen Vielen kann er nicht leise und einzeln reden. Aber wenn er laut spricht, so ist es sehr leicht möglich, daß ihn ein Feind mit hört, der sich leicht eingeschlichen haben kann.«

»Es kann kein Feind in der Nähe sein!«

»Warum?«

»Diejenigen Söhne der Miztecas, die in der Nähe wohnen, sind bereits seit dem frühen Morgen hier, um den Berg zu durchsuchen und zu bewachen. Hat mein Bruder nicht bemerkt, daß ich ein Stück weiter unten mein Pferd steigen und sich auf den Hinterhufen drehen ließ?«

»Ja.«

»So thut ein Jeder. Das ist das Zeichen, an dem die Miztecas sich erkennen. Wer dieses Zeichen nicht giebt, wird festgehalten und, wenn er ein Feind ist, den Krokodilen vorgeworfen.«

»Warum hat man da uns Andere nicht festgehalten?«

»Ihr seid mit mir gekommen, und ich habe der Wache das Zeichen gegeben. Meine Brüder mögen mit nach dem Teiche kommen.«

Sie gelangten zwischen den Indianern hindurch bis an das Ufer des Teiches. Dort hielt der Häuptling, ohne abzusteigen, an und rief mit lauter Stimme:

»Ila! Na atui!«

Das heißt auf Deutsch: »Ruhe, ich will sprechen!«

Ein leises Waffenrascheln ließ sich hören, dann fragte eine andere Stimme:

»Payu omi - Wer bist Du?«

»Na Mokaschi-motak - ich bin Büffelstirn!«

»Mokaschi-motak!« so ging das Wort ringsum von Munde zu Munde. Es war trotz der Dunkelheit zu bemerken, welches ungeheure Aufsehen dieser Name machte. Die vorherige Stimme ließ sich hören:

»Büffelstirn, der Häuptling der Miztecas ist todt.«

»Büffelstirn lebt. Er wurde von seinen Feinden gefangen gehalten und ist jetzt zurückgekehrt, um sich zu rächen. Wer hat mit mir gesprochen?«

»Das wiehernde Pferd,« lautete die Antwort.

»Das wiehernde Pferd ist ein großer Häuptling; er ist der erste Mann nach Büffelstirn und wird bisher die verlassenen Kinder der Miztekas befehligt haben. Er komme mit einer Fackel herbei, um mich zu sehen! Einige Augenblicke später sah man den Schein einer Fackel aufleuchten, und mehrere Männer drängten sich durch die Menge mit ihr bis zum Häuptling hindurch. Einer von ihnen, in die Tracht eines Büffeljägers gekleidet, grad so, wie sie Büffelstirn früher getragen hatte, hielt dem Häuptling die Fackel nahe und blickte ihm in das Gesicht.

»Mokaschi-motak!« rief er dann laut. »Freut Euch, Ihr Söhne der Miztekas! Euer König ist zurückgekehrt. Schwingt Eure Messer und Tomahawks, um ihn zu rächen!«

»Ugh!«

Nur dieses eine Wort wurde gehört; es braußte um den Teich herum; dann wurde es wieder stille. Jetzt erhob Büffelstirn abermals die Stimme:


// 1938 //

»Die Wächter mögen sagen, ob wir hier sicher sind!«

»Es ist kein Fremder hier, außer vier Männern, welche mit einem Miztekas gekommen sind!« rief es von Weitem her.

»Ich selbst war es, mit dem sie kamen. Wie viele Männer wurden gezählt?«

»Elf mal zehn mal zehn und vierzig und zwei.«

Der Indianer ist nämlich nicht gewöhnt, größere Summen durch eine einzige Zahl auszudrücken. Es waren also elfhundertzweiundvierzig Indianer da.

»Meine Brüder mögen hören!« begann der Häuptling. »Morgen sollen sie erfahren, wo Büffelstirn solange Zeit gewesen ist. Jetzt aber öffnen sie ihre Ohren, um zu vernehmen, daß Juarez, der Zapoteke aufgebrochen ist, um die Franza aus dem Lande zu treiben. Büffelstirn wird ihm die Krieger zuführen, welche mit ihm kämpfen wollen. Heut aber reiten wir nach der Hazienda del Erina, um die dort befindlichen Männer des Cortejo zu bekämpfen. Es befinden sich dort die schlimmsten Leute der Bleichgesichter, denen der Miztekas keine Gnade gewährt. Wer von ihnen nicht entkommt, muß sterben. Meine Brüder mögen sich in Zehn und Zehn theilen und mir folgen. Da wo ich in der Nähe der Hazienda halten bleibe, bleiben die Pferde zurück und fünf mal zehn Männer bei ihnen. Der Häuptling Wieherndes Pferd mag sie auswählen. Die Andern gehen leise um die Hazienda herum, bis die Krieger einen Kreis bilden, und wenn der erste Schuß fällt, dringen sie auf die Feinde ein. Der Sieg ist unser, denn ich habe den Fürst des Felsens mitgebracht, Bärenherz, den Häuptling der Apachen und Donnerpfeil, das tapfere Bleichgesicht.«

»Ugh!« ertönte es abermals rund um den Teich herum. Es war der Ausdruck der Freude über die Anwesenheit so berühmter Krieger.

Dann begannen die Massen, sich langsam in Bewegung zu setzen.

»Mein Bruder will keinen Pardon geben?« fragte Sternau.

»Nein.«

»Warum nicht?«

»Mein Bruder Arbellez ist geschlagen worden!« erklang es rauh.«

»Aber doch nicht von Allen!«

»Bei Cortejo ist kein wackerer Mann. Sie mögen sterben. Der Miztekas tritt das Ungeziefer mit seinen Füßen todt.«

Sternau merkte, daß hier keine Fürbitte helfen konnte, zumal es keine Zeit mehr gab, den bereits sich in Bewegung befindlichen Kriegern andere Befehle zu ertheilen. Uebrigens sagte sich Sternau selbst, daß Cortejo nur Gesindel angeworben haben könne, und vielleicht gelang es den Meisten, zu entkommen.

Büffelstirn mit seinen Freunden voran, schlängelte sich der lange Reiterzug langsam den Berg hinab; aber unten angekommen, wurden die Pferde in Galopp gesetzt. Als Berg und Wald hinter ihnen lag, befanden sie sich in der Ebene, kaum eine englische Meile von der Hazienda entfernt. Alle stiegen von ihren Thieren, nur Sternau blieb sitzen.

»Warum steigt mein Bruder nicht ab?« fragte Büffelstirn.

»Ich reite nach der Hazienda.«

»Warum? Willst Du Dich tödten lassen?«


// 1939 //

»Nein. Es könnte der Fall sein, daß die Angegriffenen, wenn sie sehen, daß es für sie keine Rettung giebt, Arbellez tödten. Das werde ich verhindern.«

»Mein Bruder hat recht!«

»Und ich reite mit!« sagte Helmers.

»Gut, so sind wir zu Zweien,« meinte Sternau. »Aber wir werden warten, bis die Hazienda umzingelt ist. Ich werde sehen, wie es in der Hazienda steht, und den Schuß abgeben, welcher das Zeichen zum Angriffe ist.«

Während fünfzig Mann bei den Pferden zurückblieben, rückten die Andern jetzt lautlos vor. Sie hatten erwartet, Lagerfeuer zu sehen, aber die Mexikaner befanden sich alle im Hofe und in den Zimmern der Hazienda; darum war es den Miztekas möglich, sich ganz nahe anzuschleichen. Als dies geschehen war, setzten Sternau und Helmers ihre Pferde in lauten Trab, daß es den Anschein haben sollte, als ob sie von Weitem herkämen. Sie hielten vor dem Thore an und klopften. Eine Stimme im Innern fragte:

»Wer ist da?«

»Ist das die Hazienda del Erina?« gegenfragte Sternau.

»Ja,« antwortete es.

»Befinden sich da die Leute von Sennor Cortejo?«

»Ja.«

»Wir sind Boten, welche zu ihm wollen.«

»Wie Viele seid Ihr?«

»Zwei.«

»Wer sendet Euch?«

»Der Panther des Südens.«

»Ah, dann dürft Ihr herein!«

Die Thür öffnete sich, und die beiden verwegenen Männer ritten in den Hof, wo sie vom Pferde sprangen. Dort war es dunkel, darum führte man sie in eines der Zimmer, welches erleuchtet war. Dasselbe war voller Menschen, lauter wilde Gesichter. Auch Derjenige war dabei, welcher Arbellez mit geschlagen hatte. Er schien eine Art Befehlshaberstelle einzunehmen, denn er fragte Den, welcher die Beiden hereingebracht hatte:

»Was wollen diese Menschen?«

Anstatt des Gefragten nahm Sternau schnell das Wort:

»Menschen?« fragte er. »Ihr habt es hier mit Sennores zu thun. Merkt Euch das! Wir kommen vom Panther des Südens und haben nothwendig mit Sennor Cortejo zu sprechen. Wo befindet er sich?«

Der Mann sah die mächtige Gestalt Sternaus, welche einen großen Eindruck auf alle Umherstehenden machte; dennoch hielt er es für seiner Würde gemäß, so zu thun, als ob er sich gar nicht imponiren lasse. Er antwortete:

»Erst habt Ihr Euch zu legitimiren!«

»Ah, bei wem denn?«

»Bei mir!« klang die stolze Antwort.

»So! Wer seid Ihr denn?«

»Ich bin Der, welcher die Meldungen macht.«

»Nun, so meldet mich bei Sennor Cortejo. Das Uebrige geht Euch nichts an!«


// 1940 //

Der Mann stieß ein höhnisches Lachen aus und sagte:

»Ich werde Euch beweisen, daß es mich gar wohl Etwas angeht. Wir befinden uns hier auf dem Kriegsfuße. Ihr seid meine Gefangenen, bis Ihr bewiesen habt, daß Ihr wirklich vom Panther des Südens kommt!«

»Mensch! Was bildest Du Dir ein! Wirst Du mich melden oder nicht?« donnerte Sternau ihm entgegen.

Der Mann aber glaubte, sich in Respect setzen zu müssen und antwortete:

»Oho! Jetzt werde ich ein Mensch genannt! Und zwar redet man mich mit Du an! Nehmt Euch in Acht, daß es Euch nicht wie Arbellez ergeht!«

»Ah! Wie ist es diesem ergangen?«

»Ich habe ihn bis auf die Knochen gepeitscht.«

»Du selbst?«

»Ja. Und wenn Ihr Euch renitent betragt, geht es Euch ebenso!«

»Das wagst Du mir zu sagen? Hier hast Du meine Antwort, Bube!«

Er faßte ihn bei der Kehle und schlug ihm die Faust zweimal an den Kopf; dann schleuderte er den Besinnungslosen über den Tisch hinüber in einen Winkel.

Kein Mensch wagte, ein Wort zu sagen. Sternau sah sich funkelnden Auges im Kreise um und drohte:

»So kann es einem Jeden ergehen, welcher mich beleidigt, ohne mich zu kennen. Wo ist Cortejo?«

»Alle Teufel! Das ist jedenfalls der Panther selbst,« flüsterte es im Hintergrunde.

Dies verdoppelte den Respect und Einer antwortete:

»Sennor Cortejo ist nicht hier.«

»Wo sonst?«

»Er hat die Hazienda für kurze Zeit verlassen. Wohin er ist, weiß ich nicht.«

»Aber die Sennorita ist da?«

»Ja.«

»Wo?«

»In dem Zimmer, welches grad über diesem liegt.«

»Das finde ich auch selbst. Ihr braucht mich also gar nicht anzumelden.«

Es getraute sich wirklich Keiner, ihm zu folgen, als er die Stube verließ, um sich mit Helmers nach oben zu begeben.

Josefa Cortejo lag in einer Hängematte und stand große Schmerzen aus. Ihr Zustand hatte sich unter der schlechten Behandlung eher verschlimmert als gebessert. Doch der Gedanke an die Rückkehr ihres Vaters tröstete sie. Er kam jedenfalls als Sieger über seine Feinde und mit großen Reichthümern beladen.

Da erschallten draußen rasche, kräftige Schritte. Kam er vielleicht schon? Sie richtete sich erwartungsvoll auf. Zwei Männer traten ein, ohne vorher zu klopfen und dann zu grüßen. Wer war es? Hatte sie nicht die athletische Figur des Einen bereits gesehen? Sein Bart machte, daß sie ihn nicht gleich erkannte.

»Wer seid Ihr? Was wollt Ihr?« fragte sie.

»Ah! Ihr kennt mich gar nicht mehr, Sennorita?« fragte Sternau.


// 1941 //

Ihre Augen wurden größer und ihre Wangen todtesbleich.

»Wer - - o mein Gott, Sternau.«

»Ja,« antwortete er. »Und hier steht Sennor Helmers, der Bräutigam von Sennorita Emma Arbellez.«

Sie nahm sich zusammen und fragte:

»Was wagt Ihr? Was wollt Ihr?«

»O, ich will Euch nur dieses Papier zurückgeben.«

Er griff in die Tasche und zog den Brief heraus, welchen er ihrem Boten abgenommen hatte. Sie nahm ihn entgegen und warf einen Blick darauf. Ihr eigener Brief. Sie war einer Ohnmacht nahe.

»Gott! Wie kommt Ihr zu diesem Schreiben?« hauchte sie.

»Wir haben es der Leiche Eures Boten abgenommen.«

»Der - - Leiche - -?«

»Ja. Er fiel nämlich mit seiner Truppe in unsere Hände, wobei Alle bis auf den letzten Mann niedergemacht wurden.«

Sie war wie geistesabwesend. Die Angst vor diesem Mann machte ihr Herz erzittern. Sie brachte kaum die Worte hervor:

»Niedergemacht worden? Schrecklich!«

»Tröstet Euch. Es war nicht schade um sie. Uebrigens wären sie mit dem Briefe doch nicht zurecht gekommen, denn wir haben auch Euern Vater überfallen, als er dem Lord auflauerte. Von seinen Leuten lebt wohl Keiner mehr. Ob er selbst entkommen wird, läßt sich noch nicht sagen.«

»O Gott, o Gott!« stöhnte sie.

»Pah! Ruft nicht den Namen Gottes an. Ihr seid eine Teufelin. Dieses Wort in Eurem Munde ist der reine Frevel, die größte Gotteslästerung.«

Diese Worte gaben ihr einen Theil ihrer Thatkraft zurück.

»Sennor,« sagte sie, »bedenkt, wo Ihr Euch befindet.«

»Auf der Hazienda del Erina, denke ich.«

»Ja; das heißt im Hauptquartiere meines Vaters.«

»Ihr wollt mir bange machen?« lächelte er.

»Es bedarf nur eines Wortes von mir, so seid Ihr mein Gefangener.«

»Da irrt Ihr Euch. Ich will Euch mittheilen, daß Juarez im Anzuge ist. Euer Possenspiel hat heut seinen Schluß erreicht.«

»Pah! Noch ist Juarez nicht da.«

»Aber ich befinde mich hier. Das ist ebenso gut. Oder glaubt Ihr etwa, daß ich zu Euch komme, ohne zu wissen, daß ich sicher bin? Die Hazienda ist von über tausend Miztecas umzingelt. Jetzt ist das Verhältniß umgekehrt: Mich kostet es ein Wort, so seid Ihr meine Gefangene. Oder vielmehr, es kostet mich kein Wort, denn Ihr seid es ja schon.«

»Noch nicht!« rief sie.

Im Angesichte dieser großen Gefahr war sie die Alte. Sie schnellte trotz ihrer Schmerzen von der Hängematte herab, riß eine Pistole vom nahestehenden Tisch herab und drückte sie auf Sternau ab, zu gleicher Zeit laut um Hilfe schreiend. Der Schuß ging fehl, denn Sternau hatte sich blitzschnell zur Seite gewendet. Im nächsten Augenblicke lag sie unter den Händen von Helmers am


// 1942 //

Boden. In demselben Augenblicke ertönte aber auch rund um die Hazienda ein fürchterliches Geheul. Die Miztecas hatten den Schuß gehört und für das verabredete Zeichen gehalten. Sternau sprang nach der Thür.

»Sie kommen,« sagte er. »Halten Sie dieses Weib fest und schließen Sie sich lieber mit ihr ein. Ich muß hinunter zu Arbellez.«

Er eilte hinaus. Das Innere des Hauses glich einem Ameisenhaufen. Ueberall drängten sich die Mexikaner nach unten. Sie waren so überrascht, so erschreckt, daß sie seine Gegenwart gar nicht beobachteten. Er drängte sich mit ihnen hinab und gelangte noch eine Treppe weiter hinunter nach dem Keller. Dort brannte eine trübe Lampe. Ein Mann stand an der Thür Wache.

»Wer befindet sich darin?« herrschte Sternau ihn an.

»Arbellez und - -«

»Wo ist der Schlüssel?« unterbrach ihn der Deutsche.

»Eigentlich oben bei der Sennorita.«

»Eigentlich -? Jetzt aber ist er hier, soll das heißen?«

»Ja.«

»Gieb ihn heraus!«

Der Mann machte ein erstauntes Gesicht, blickte ihn forschend an und fragte:

»Wer seid Ihr? Was ist das für ein Lärm da oben?«

»Ich bin Einer, dem Du zu gehorchen hast, und der Lärm da oben geht Dich gar nichts an. Heraus mit dem Schlüssel!«

»Oho! So schnell geht das nicht. Euren Namen will ich wissen! Es hat mir noch Niemand gesagt, daß ich Euch zu gehorchen habe. Ich kenne Euch nicht!«

»Du sollst mich sogleich kennen lernen!«

Bei diesem Worte holte Sternau aus und versetzte ihm einen Faustschlag, unter welchem er zusammenbrach. Der Deutsche untersuchte die Taschen des Mannes und fand einen Schlüssel, welcher paßte. In Zeit von einer Minute war die Thüre geöffnet. Sternau nahm die Lampe und leuchtete in den Raum.

Es bot sich ihm ein schrecklicher Anblick.

Auf den kalten, nassen Steinplatten lagen drei Personen, halb übereinander, denn es war kaum Platz für zwei Menschen vorhanden. Lang ausgestreckt nahm der Vaquero die Länge des Bodens ein. Auf seinem Oberleib ruhte die alte treue Maria Hermoyes, und theils auf ihr und theils auf ihm ruhte Petro Arbellez, umwunden von den Fetzen, welche diese Beiden aus ihren Kleidungsstücken gerissen hatten.

In einer Ecke lag ein Lichtstummel und ein Stückchen trockenen Brodes.

»Ist Sennor Arbellez hier?« fragte Sternau.

»Ja,« antwortete der Vaquero, sich des Verwundeten wegen leise und vorsichtig emporrichtend, um den Frager anzusehen.

»Wo ist er? Welcher ist es?«

Bei diesen Worten leuchtete Sternau zu der Gruppe nieder. Dabei fiel der Schein der Lampe auf sein Gesicht. Der Vaquero erkannte ihn.

»O Gott! Das ist Sennor Sternau! Wir sind gerettet!« rief er aus.


// 1943 //

»Ja, mein braver Antonio, Ihr seid gerettet. Wie steht es mit dem Sennor?«

»Er lebt. Wir haben ihn verbunden. Er kann nur ganz leise sprechen. Habt Ihr gehört, was mit ihm geschehen ist?«

»Ja.«

»Fluch dieser Josefa Cortejo!«

»Die Schuldigen werden ihre Strafe erhalten. Also gehen kann Sennor Arbellez?«

»Daran ist nicht zu denken!«

»Nun, so mag Euch noch für wenige Minuten das Bewußtsein genügen, daß Ihr frei seid. Ich lasse die Thür offen, damit Ihr frische Luft erhaltet; ich muß wieder nach oben, werde Euch aber in kurzer Zeit holen. Bleibt einstweilen bei dem Sennor zurück.«

»O heilige Jungfrau, welch eine Gnade!« sagte jetzt auch Maria Hermoyes. »Seid Ihr es denn wirklich, mein lieber, guter Sennor Sternau?«

»Ja, ich bin es,« antwortete er.

»Und wir sind frei, wirklich frei?«

»Die Befreier sind da. Hört Ihr die Schüsse?«

»Ja, ich höre sie,« sagte der Vaquero. »Wer ist es? Ist vielleicht der Präsident Juarez mit seinen Leuten bereits hier?«

»Nein. Büffelstirn hat seine Miztecas zusammen gerufen. Bis Juarez konnte, hätte es zu lang gedauert.«

Er leuchtete jetzt ganz nieder zu dem Haziendero. Dieser lag mit offenen Augen da und hielt den Blick auf Sternau geheftet. Er bot einen fast todesähnlichen Anblick dar, aber ein glückliches Lächeln lag über seinem leichenblassen Gesichte ausgebreitet.

»Mein guter Sennor Arbellez, kennt Ihr mich noch?« fragte Sternau, indem ihm eine große Thräne in das Auge trat.

Der Gefragte nickte leise mit dem Kopfe.

»Hat Antonio Euch erzählt, daß wir Alle gerettet sind, daß wir Alle noch leben und Eure Tochter Emma auch?«

Ein zweites Nicken war die Antwort.

»Nun, so tragt keine Sorge um sie. Sie befindet sich bei Juarez in vollständiger Sicherheit; Ihr werdet sie recht bald wiedersehen. Ich werde nachher sogleich nach Euren Wunden sehen; vorher aber muß ich hinauf, um mich zu überzeugen, wie die Sachen stehen.«

Er setzte ihnen das Licht hin und begab sich wieder nach oben. Einigen Miztecas, auf welche er zuerst traf, befahl er, sich zu den drei Personen hinab zu begeben, um sie gegen etwaige Gefahren in Schutz zu nehmen. Sie beeilten sich, seiner Weisung nachzukommen.

Der Flur des Hauses bot einen gräßlichen Anblick dar. Es standen zwei Miztecas da, welche Fackeln hielten. Beim Scheine derselben erblickte man die todten Anhänger Cortejos, welche in allen möglichen grausigen Stellungen hoch übereinander lagen. Der Boden bildete eine einzige Blutlache. Auch auf den Treppen lagen sie, überrascht von den schonungslosen Waffen der Miztecas. In


// 1944 //

den oberen Räumen hörte man noch einzelne Todesschreie erschallen. Draußen im Hofe und vor dem Hause aber war der Kampf noch im lebhaftesten Gange. Schüsse erschallten; Rufe der Wuth oder der Aufmunterung ließen sich hören, darunter grimmige Flüche, ausgestoßen von den keine Gnade findenden Mexikanern, welche sich dem überlegenen Feinde gegenüber rettungslos verloren sahen.

Als Sternau aus der Thüre trat, konnte er die Szene überblicken. Einige vorhandene Holzhaufen waren von den Miztecas in Brand gesteckt worden, und beim Scheine dieser hoch emporlodernden Feuer ließ sich Alles deutlich erkennen.

In einer Ecke des Hofes hatten sich die letzten Mexikaner zusammengedrängt. Es waren nicht mehr als zwölf bis fünfzehn Mann, welche sahen, daß weder auf Hilfe noch auf Gnade zu rechnen war, und sich daher mit Aufbietung ihrer letzten Kräfte vertheidigten. Man sah trotz ihrer Tapferkeit, daß sie nur noch Augenblicke zu leben hatten.

Büffelstirn stand am Palissadenzaune und sandte eine Kugel nach der andern unter diese dem Tode geweihte Schaar hinein.

»Schenken wir ihnen das Leben!« rief Sternau ihm zu. »Es ist genug Blut geflossen. Wir wollen menschlich sein.«

»Ist Sennor Arbellez wohlauf?« fragte der Häuptling kalt.

»Er liegt noch im Keller. Man wird ihn herauftragen.«

»Man hat ihn also geschlagen, daß er nicht gehen kann?«

»Leider!«

»So sprich nicht von Gnade! Arbellez ist mein Freund und Bruder; er soll gerächt werden!«

Er drehte sich wieder ab, hob die Büchse und drückte sie gegen einen der Feinde ab. Sternau sah ein, daß hier eine Gegenrede keinen Erfolg haben werde.

Seine Aufmerksamkeit wurde übrigens durch eine Gruppe in seiner unmittelbaren Nähe in Anspruch genommen. Am Boden lag nämlich ein verwundeter Mexikaner, welcher sich mit Aufbietung aller seiner geschwächten Kraft gegen einen Miztecas vertheidigte, welcher sich bemühte, ihm das Messer in das Herz zu stoßen.

»Gnade, Gnade!« bat der Mann.

»Keine Gnade! Du muß sterben!« antwortete der Andere grimmig, indem er den jetzt fast Wehrlosen mit der Linken fest packte, während er mit der Rechten die Waffe schwang.

»Ich bin ja kein Feind! Ich habe die Gefangenen gespeist. Sie hätten ohne mich verhungern und verdursten müssen!«

Auch diesen von der Todesangst dictirten Zuruf achtete der Miztecas nicht. Er stand im Begriffe, dem Mexikaner den unfehlbaren Todesstoß zu versetzen; da aber wurde sein hoch erhobener Arm von Sternau ergriffen.

»Halt!« gebot dieser. »Wir müssen diesen Mann erst hören.«

Der Miztecas wendete sein von der Aufregung des Kampfes verzogenes Gesicht dem Störer zu und sagte:

»Was gehet es Dich an! Ich habe diesen Mann niedergeworfen und besiegt; sein Leben ist mein Eigenthum!«


Ende der einundachtzigsten Lieferung - Fortsetzung folgt.



Karl May: Waldröschen

Karl May – Forschung und Werk