Lieferung 78

Karl May

21. Januar 1888

Der Weg zum Glück.

Vom Verfasser des »Waldröschen«, »Verlorner Sohn«, »Deutsche Helden« etc.


// 1849 //

»Sapperment,« sagte er, »Du commandirst mich doch, als obst mein Feldwebel wärst!«

»Der will ich jetzt auch wirklich sein. Und darum hast Du mir zu antworten. Willst Du mich oder nicht?«

Er blickte ihr mit einem kindlich treuherzigen Lächeln in die Augen und antwortete:

»Nein.«

Sie trat schnell einen Schritt zurück.

»Was! Du sagst Nein! Ist das etwan Dein wirklicher Ernst?«

»Natürlich!«

»So sag, warumst mich nicht magst!«

»Weil ich Dich doch nicht bekommen kann.«

»Ach so! So ists gemeint!«

Sie holte tief Athem. Sie hatte wohl eine andere, vielleicht eine grobe, beleidigende Antwort erwartet. Diejenige, die ihr geworden war, war freilich so mild, daß sie sie gar nicht verdiente. Ihr Gesicht hatte einen beinahe drohenden Ausdruck angenommen gehabt. Nun aber ließ sich wieder ein Lächeln auf demselben sehen.

»Also deshalb, deshalb willst mich nicht. So ist's, so! Aber denkst denn nicht daran, daßt mich später einmal bekommen kannst? Mein Mann ist schwach und krank. Er wird nicht mehr lange leben.«

»Ich halt es für eine große Sünd, auf den Tod eines Menschen zu speculiren, besonders eines so braven Mannes, wie dera Kronenbauer ist.«

»So! Da will ich nit streiten. Aber ich denk, daß man sich doch sieht, daß man sich kennt und sich ein Wenig lieb haben darf.«

»Nein. Das ist verboten.«

»Die Liebe fragt nach keinem Verbot. Je mehr sie Hindernisse findet, desto stärker und glühender wird sie. Warum sollen wir Beide nicht daran denken dürfen, daß wir einmal Mann und Frau sein können?«

»Weil dieser Gedank eine große Sünden ist. Wann Dein Mann todt wäre, ja dann dürft man schauen, ob man zusammenpaßt. Jetzt aberst, bei seinem Leben, da gehörst ihm an und kein Anderer hat ein Recht an Dir.«

»Und wenn ich ihm nun dieses Recht ertheile?«

»Das kannst nicht, und das darfst nicht. Du hast kein Recht, über Dich zu verfügen.«

»Geh, Fritz, und laß Dich nicht auslachen. Dir hangen noch die Sprüchen an, die Du in dera Schul hast auswendig lernen mußt. Streif sie doch ab, diese alten Regeln!«

»Meinst Du wirklich, daß dies nur bloße Regeln sind? Der Herrgott hat dem Moses im Donner und Blitz die heiligen zehn Gebote gegeben. Das sechste davon lautet: Du sollst nicht ehebrechen, und die Drohung am Schluß dera Gebote lautet, daß der Herrgott die Sünden der Väter straft bis in das dritte und vierte Glied der Nachkommenschaft. Soll ich den meinigen Kindern, wann ich mal welche haben sollt, einen solchen Fluch vererben?«


// 1850 //

»Fritz, bist denn gar so fromm?« lachte sie.

»Ob ich fromm bin, das weiß ich nicht; aberst mit voller Absicht und Ueberlegung werd ich niemals ein Gebot Gottes übertreten.«

»Der Moses hat diese Gebote niederschrieben. Er war ein Jude, wir aberst sind Christen. Uns gehen sie nix an. Hast denn nicht vernommen, daß Christus zu der Ehebrecherin sagt: Wer von Euch nicht gesündigt hat, der werfe den ersten Stein auf sie! Und sodann sagt er auch: Ihr wird viel vergeben, denn sie hat viel geliebt. Wie kannst Dich also so fürchten, eine Frau lieb zu haben?«

»Diejenige, von der er so sagte, hat ihre Sünden bitter bereut. Wer aber sündigt, weil er meint, der Herrgott werde ihm die Sünd wohl schon vergeben, der wird sicher keine Verzeihung finden.«

»Das geht mich nix an. Das sagst Du, weils Deine eigene Meinung ist. Ich aber halte mich an die Worte, welche Jesus sagt hat. Die gelten bei mir.«

»Nun, weißt auch, was er in dera Bergpredigt sagt hat?«

»Nun was?«

»Wer ein Weib anschaut, um sie zu begehren, der hat die Ehe mit ihr gebrochen in seinem Herzen. Nun kannst auch sagen, daß dies für Dich gilt.«

»Du redest ja grad so wie ein christlicher Herr. Willst etwan ins Kloster gehen?«

»Dazu hab ich kein Geschick und also auch keine Lust. Ich will schaffen und arbeiten mit meinen Händen. Wann ich da was fertig bring, so ist mirs wohl im Herzen und ich freu mich dera Arbeit und daß ich am Leben bin.«

So hast eben noch niemals die richtige Liebe gefühlt. Die fragt und deutelt nicht. Die genießt und ist glücklich dabei.«

»Ja, das wird wohl sein, wie bei Einem, welcher trinken thut. Das schmeckt und schmeckt, bis er betrunken ist. Am andern Tag nachher kommt dera Katzenjammer und das Gefühl dazu, daß man ein ganz nichtswürdiger Bub ist. Davor soll mich Gott behüten. Komm, wollen gehen. Wir sind fast schon zu lange auf dem Berg gewest. Dera Wurzelsepp ist kommen und sitzt beim Bauer unterm Baum.«

»Der! Wann kam er denn?«

»Gleich alst fort warst. Er weiß es, daß ich Dich abholen soll. Was wird er denken darüber, daß wir so lange allein mit nander gewest sind!«

»Was ich bereits sagt hab: Ich hab Dir die Predigt verzählt.«

»Das ist eine Lüg. Die mach ich nicht.«

»Bist gar so sorgsam in Deiner Seele?«

»Man kann nicht sorgsam genug sein.«

»So werd ich Dir noch unterwegs sagen, wovon dera Pfarrer predigt hat. Dann ists keine Lüg, wannsts sagst.«

»Ich dank gar schön! Nach dem, was wir jetzund mit nander sprochen haben, wäre es eine Sünd, wann wir von so heiligen Dingen sprechen wollten.«


// 1851 //

»Fritz, Du bist wirklich ganz unleidlich! So, wie Du jetzt bist, habe ich Dich ja noch gar nicht gekannt.«

»Ich will Dir aufrichtig sagen, daßt mir eine wahre Aengsten bereitet hast. Wann Dein Mann derführ, wast mir sagt hast, was sollt er thun und denken!«

»Pah! Was mache ich mir aus ihm! Oder willst Du es ihm sagen?«

»Vielleicht wär es meine Pflicht, es ihm mitzutheilen.«

Er sagte das so ernst, daß ihr doch ein Wenig bange wurde.

»Fritz, was fallt Dir ein!« rief sie. »Wirst mich doch nicht verrathen?«

»Hab keine Sorg. Ich will nix sagen.«

»Auch gegen keinen Andern?«

»Nein.«

»Gut! So wollen wir ganz so thun, als ob gar nix sprochen worden wäre. Es wird die Zeit schon kommen, zu welcher es Dir nicht verboten ist, mit mir zu reden.«

Sie setzten den unterbrochenen Rückweg fort, schweigend und in Gedanken versunken.

Die Bäurin hatte eigentlich Lust, dem Knecht zu zürnen. Sie hatte eine Liebeserklärung gemacht und war mit derselben abgewiesen worden. Welches Mädchen oder gar Weib kann dies so leicht verschmerzen. Aber einmal war die Abweisung so schonend wie möglich ertheilt worden, und das andere Mal lag es ja klar, daß sie nicht erfolgt war aus ausgesprochener Abneigung, sondern nur aus der kindlichen Furcht und Scheu vor den Geboten Gottes. Sie zürnte ihm also nicht und war im Stillen überzeugt, daß es ihr auf andere Weise gelingen werde, den ehrlichen Menschen zu umgarnen und an sich zu ketten.

Was in ihm vorging, das ließ er sich nicht merken. Er pfiff sogar eine muntere Melodie für sich hin. Eigentlich aber war ihm gar traurig zu Muthe. Diejenige, welche seine Erzieherin, seine Mutter hätte sein sollen, hatte ihn zum Ehebruch verleiten wollen, zur größten Versündigung gegen den Mann, dem er so sehr viel zu verdanken hatte!

Hatte er sich bisher vor ihr gescheut, so überkam es ihn wie ein Ekel vor ihr, wie ein Grauen vor ihrer Berührung. Ja, sie war jene schillernde Schlange, jene gleißende Viper, von welcher der Vers des Kirchenliedes sprach, den er dem Bauer vorgelesen hatte.

Als das Gebüsch aufhörte, sahen sie den Kronenhof nahe vor sich liegen. Der Bauer saß noch immer mit dem Sepp unter der Tanne. Sie schienen einander ganz gleichgiltige Dinge zu erzählen.

Die Bäurin liebte den Sepp nicht, aber sie war ihm auch nicht feindlich gesinnt. Es überkam sie, wenn er bei ihr war, immer das Gefühl, als ob sie sich vor ihm in Acht zu nehmen habe; aber sein heiteres, offenes Wesen brachte stets eine freundlichere Stimmung in ihr hervor.

So auch jetzt, als er sie kommen sah, stand er von seinem Sitze auf, schwenkte den Hut und sang:


// 1852 //

»Schaut, da kommt sie, da kommt sie,
   Das prächtige Weib
Mit den klunkrigen Beinen
   Und dem bucklichen Leib!«

An Stelle der Bäuerin antwortete der Knecht sogleich schlagfertig:

»Schaut, dort steht er, dort steht er,
   Dera wackliche Kauz
Mit der riesigen Nas und
   Dera quabblichen Schnauz!«

»Ja,« lachte der Sepp lustig auf, »dera Fritz verstehts halt schon, Einen heimzuleuchten. Dem darf man nicht kommen, besonderst, wenn er mit dera schönsten Bäurin herumi in denen Bergen geht. Grüß Gott, Bäurin! Weiß dera Teuxel, daßt halt immer hübscher wirst!«

»Und Du immer ausgelassener,« antwortete sie. »Grüß Gott! Na was hast denn hier auf dem Tisch stehen?«

»Das ist nix. Nur ein Schmortiegel oder ein Kasserolen, wie es andere Leutln zuweilen nennen.«

»Und da ist freilich was drin gewest!«

»Ganz und gar nix!«

»Oho! Man sieht und riecht es ja!«

»Da siehst und riechst eben falsch.«

»So denk ich wohl auch falsch, wann ich mein', daßt Dir gleich ein Essen bestellt hast, bevor Du Dich noch niedersetzt hattst?«

»Nein, da hast freilich Recht. Ich bin halt Derjenige, ders denen Leutln lieber gleich sagt, was er will, sonst zerbrechen sie sich die Köpf vergebens und bringen nachhero was, was ihnen viel Geld kostet und viel Mühen macht und mir aberst doch nicht schmecken thut.«

»Was hattst Dir denn bestellt?«

»Ein Ei, weiter nix.«

»So! Wars groß genug?«

»Nicht ganz. Dera Fritz hats mir auf dem Teller bracht. Dann bin ich in die Kücherl gangen und hab nachschaut, ob noch was übrig ist. Ich hab mir den Tiegel holt; er war leer; aberst ich hab ihn dennoch auskratzt und ausleckt. Dera Mensch muß reinlich sein. Und nun braucht die Magd ihn nicht abzuwaschen.«

»Ja, Du bist ein besonders Reinlicher. Das weiß man schon. Und gut ausdrücken kannst Dich auch. Da redest von einem Tiegel oder von einem Kasserolen, und wann mans anschaut, so ists halt eine große Pfannen, die drei Drescher nicht ausessen können. Du aberst hast sie leer macht.«

»Soll ich etwan nicht?«

»O doch! Wanns nur schmeckt hat.«

»Du brauchst keine Sorg zu haben. Wozu hat man alle zweiunddreißig Zähnen noch und einen Magen, der Flintenkugeln verdauen kann. Und


// 1853 //

wannst etwan meinst, daß ich zu viel gessen hab, so werd ichs Dir gleich zahlen.«

»Du erhältst 'es gern. Behalt nur Dein Geld.«

»Himmelsakra, Geld. Meinst, daß ichs Dir mit einem Geldl bezahlt hätt?«

»Womit sonst?«

»Mit einem Busserl. Und das ist ein nobles Bezahlen. Drinnen im München hab ich letzter Tagen eine Gräfin küßt, die hat sich das Maul abwischt und sagt, ein Busserl von mir sei zwanzig Markerln werth!«

»Oho!«

»Ja. Ich kanns Dir schriftlich bringen. Wann ich Dir also für Dein Ei eine Mark zahlen thu, so ist das sehr nobel. Ich geb Dir einen Schmatz, und die übrigen neunzehn Mark giebst mir heraus.«

»Damit wollen wir ja noch warten. Kannst Dein Großgeld noch behalten. Zum Wechseln hab ich keine Lust.«

»Ganz wie Du denkst. Aberst ich werd Dir das Essen doch bezahlen, nicht mit Geld, sondern mit einem guten Geschäft, wast machen sollst.«

»So! Willst mir Eiern abkaufen oder Milch oder Heu oder Stroh?«

»Nein. Das Heu laß ich in denen Leuten ihren Köpfen. Ich brauch es nicht. Es ist was Anderes. Kannst keinen Gast gebrauchen?«

»Einen Gast? Was für einen?«

»Einen feinen. Nicht einen, der nur da wohnt und ißt und trinkt und nachhero fortgeht, ohne fast hab Dank zu sagen, sondern einen, der fein zahlen thut.«

»Was will er denn da?«

»In die Sommerfrische.«

»Sag ihm, er soll im Winter kommen. Da ist's noch viel frischer.«

»Das kann er ebenso auch in München haben.«

»Ach, aus München ist er, aus dera Haupt- und Residenzstadt?«

Ihr Gesicht hatte vorher ganz deutlich gesagt, daß ihr an einem Gaste wohl wenig liege. Jetzt aber heiterte sich ihre Miene schnell auf.

»Ja, was hast denn denkt?« fragte der Sepp. »Woher soll er denn sein?«

»Ich hab denkt, aus einem Dorf oder einer kleinen Stadt.«

»Da kennst den Sepp freilich schlecht. Der wird dera Kronenbäurin so einen Menschen bringen. Für was hast mich denn halten. So eine noble Frau muß einen Gast bekommen, wie ihn noch Niemand hier in dera Gegend habt hat.«

»So! Ists denn so gar was Feines?«

»Nicht nur fein, sondern auch vornehm.«

»Das klingt gut. Einen vornehmen Gast hat man gern. Da läßt man auch was draufgehen.«

»Das hast nicht nöthig.«

»Wie heißt er denn?«

»Ludwig. Er wird nicht anderst als nur Herr Ludwig nannt.«


// 1854 //

»Das klingt nicht gar vornehm.«

»Wannst nach dem Namen gehst, so kannst Dich oftmals täuschen.«

»Das ist freilich wahr. Es kann ein Lump einen feinen Namen haben. Aberst was ist er denn, dera Herr?«

»Ein Künstler ist er und dazu sogar noch ein Gelehrter.«

»So! Malt er auch?«

»Er malt Alles, was er sieht, nämlich wann er Lust dazu hat. Fürs Geld thut er es nicht. Dazu ist er viel zu reich.«

Die Augen der Bäuerin leuchteten auf.

»Ist er alt?« fragte sie.

»Nein. Er ist noch nicht ganz so alt wie ich.«

»Na, so danke ich. Wann er nicht ganz so alt ist wie Du, so kann er doch schon an die Siebzig zählen.«

»So schlimm ist es nicht. Er hat Etwas über dreißig, so bis hin zu dera Vierzig.«

»Das will ich mir eher gefallen lassen. Ich will einen Jungen und Schönen haben.«

Sie lachte dazu, als ob es ihr nur darum zu thun sei, einen Scherz zu machen; im Grunde aber war es ihr sehr ernst damit. Ein feiner, reicher, junger und auch noch hübscher Herr aus der Residenz, dazu Künstler und Gelehrter! Und sie die schönste Frau der Gegend! Was gab das für eine Aussicht! Malen konnte er. Vielleicht, wenn sie liebenswürdig zu ihm war, malte er sogar ihr Bild. Sie sah sich schon in seinen Armen.

»Schön ist er auch,« antwortete der Sepp. »Ich kann sagen, daß ich noch keinen prächtigeren Mann sehen hab.«

»Wie sieht er denn aus?«

»Er ist hoch, stark und voll, mit mächtigen dunklen Augen, vor denen man sich fürchten möcht, wann sie nicht auch so mild, lieb und gut blicken thäten.«

»Das ist grad so mein Geschmack!«

»Du, Bäuerin, einen Scherz kannst machen, wannst so sagst. Du hast Dich nur nach dem Geschmack des Bauern zu richten.«

»Das weiß ich wohl.«

»Diesem Herrn dürftst überhaupt gar nichts merken lassen, daß er Dir gefällt.«

»Nimmt er es etwan übel, wann man Wohlgefallen an ihm hat?«

»Nein; aberst merken lassen darf man es ihm nicht. Das duldet er nicht.«

»Was thut er denn da?«

»Er geht gleich fort.«

»O wehe! Da werd ich ihn gar nicht anschauen.«

»Daran thust sehr recht.«

»Kennst ihn denn genau?«

»Ja. Wann ich ihn nicht kennen thät, so würd ich ihn Dir gar nicht empfehlen.«


// 1855 //

»Hat er eine große Familie? Kommt er mit derselbigen?«

»Nein. Er ist unverheirathet und kommt allein. Er wird überhaupt wohl niemals eine Frau nehmen.«

»Warum?«

»Weil er die Weiber haßt, denk ich mir. Er hat mal Eine - na, na, das gehört nicht hierher.«

Aber grad das wollte die Bäuerin nun erst recht wissen. Er hat mal Eine - - vielleicht eine unglückliche Liebe! Und nun haßte er die Frauen. Wenn man ihn so weit bringen könnte, eine zu lieben, eine Einzige natürlich - nämlich die Kronenbäuerin.

»Halt, Sepp,« sagte diese. »Das gehört wohl hierher. Wann man einen Gast bekommt, so muß man Alles von ihm wissen.«

»Alles, was man derfahren kann, ja. Das aberst kannst nicht derfahren, weil ich es selbst nicht weiß.«

»Wolltsts aber doch gleich sagen!«

»Ja, und da fiel es mir ein, daß ich es ja auch noch nicht weiß.«

»Bist ein Hinterlistiger!«

»O nein. Vielleichten erzählt er es Dir selbst, wannst ihn darum bittest.«

Es glitt bei diesen Worten ein undefinirbarer Zug über sein Gesicht. Ein Ausdruck schlaukindlicher Einfalt, der seinem alten Gesichte so ausgezeichnet gut stand. Er dachte sich nämlich, daß sie es gar nicht wagen werde, diesen Herrn Ludwig nach solchen Dingen zu fragen. Der gewaltige Eindruck seiner Persönlichkeit mußte sie in angemessener Ferne von ihm halten.

»Schon gut!« sagte sie. »Ich hab nur eben fragen wollt. Eigentlich bin ich gar nicht so neugierig.«

»Also sag mir die Antwort! Willst ihn hernehmen oder nicht?«

»Bevor ich antworten kann, muß ich noch Einiges wissen.«

»Was?«

»Wann will er kommen?«

»Morgen Mittag.«

»Schon! Du mußt es ihm doch erst zu wissen thun, ob ich will oder nicht.«

»O, der fragt nicht darnach, obt willst oder nicht. Er kommt eben. Er hat mir den Befehl geben, ihm hier eine Stuben zu miethen; morgen zum Mittag wird er da sein. Ich bin zunächst zu Dir kommen, weilst die nobelste Frauen bist und den größten und schönsten Bauernhof hast. Nimmst ihn nicht her, so such ich ihm einen anderen Ort.«

»Wie lange wird er bleiben?«

»Nicht gar lang. Einige Tag oder eine Woche.«

»Da möchts gehen. Für das ganze Jahr könnt ich nix vermiethen. Aberst nun wird er essen wollen wie in einem feinen Hotel im München.«

»Nein, sondern er ißt, was Ihr habt. Aberst reinlich und sauber muß Alles sein!«


// 1856 //

»Das versteht sich ganz von selberst. Anderst ist man es ja gar nicht gewöhnt. Hast denn mit meinem Mann bereits davon gesprochen, Sepp?«

»Nein. Ich hab ihm noch nix sagt. In solchen Angelegenheiten muß man dera Frau das erste Wörtle gönnen.«

Das schmeichelte ihr. Sie nickte ihm freundlich zustimmend zu und wendete sich dann an den Bauer:

»Was sagst Du dazu, Juli?«

Er hieß Julius, welchen Namen sie abkürzte. Es waren viele Monate vergangen, seit sie es zum letzten Male gethan hatte. Es kam ihm fast fremd vor, ihn jetzt zu hören.

Uebrigens that sie es nur der Form wegen, daß sie ihn frug. Sie war doch gewöhnt, zu machen, was ihr beliebte. Er antwortete:

»Ich kann da gar nix sagen. Mach also, wast willst.«

»Nein, sondern ich will auch Deinen Ausspruch hören.«

Ihr Blick streifte dabei das Gesicht des Knechtes, welcher sich neben den Sepp gesetzt hatte. Es lag eine gewisse verwunderte Zufriedenheit darauf. Das hatte sie beabsichtigt. Er sollte denken, daß sie von jetzt an ihren Mann mehr berücksichtigen wolle.

»Ich bin ja blind. Was kann ich thun und bestimmen? Nix, gar nix,« meinte der Bauer. »Sepp, was rathest Du?«

»Ich kann Euch nur mit gutem Gewissen rathen, den Herrn herzunehmen.«

»Nun, Kätherl, so nimm ihn!«

»Ja,« sagte sie, »auf eine so gewichtige Empfehlungen hin kann man sich doch nicht weigern. Doch hat die Sach einen großen Haken.«

»Welchen?«

»Wo thu ich ihn hin, wann er gar so vornehm ist?«

»Hast doch Stuben im neuen Gebäud.«

»Da hat dera Offizier die besten. Der that so vornehm, daß ich ihm eine andere gar nicht anzubieten wagt hab.«

Der Sepp meinte:

»Nun, Herr Ludwigen ist zufrieden mit dem, was Ihr ihm gebt. Vielleichten tritt dera Offizier ihm eine ab.«

»Der? Der auf keinen Fall!«

»So? Ist er gar so breit von Spur?«

»Ja. Er ist ein gar stolzer. Uns sieht er gar nicht. Nur am Nachmittag, da trinkt er seinen Wein hier unter dem Baum. Und wann wir dabei sitzen, da spricht er mit uns! Sonst aber nicht.«

»Nun, wie viele Zimmer hat er?«

»Drei.«

»Er tritt sie vielleicht alle drei dem Herrn Ludwigen ab, wann dieser ihn darum bittet.«

»Nicht eins giebt er ihm. Sie liegen so gar bequem.«

»Trag keine Sorge um meinen Herrn Ludwigen. Der hat eine gar eigene Art, zu bitten.«


// 1857 //

»Er nimmt sichs wohl gleich?«

»O nein. Aberst er bittet so, daß man es für eine Ehre hält, wann er es von Einem nimmt.«

»Da machst mich wirklich begierig, ihn kennen zu lernen.«

»Wirst zufrieden sein. Also, abgemacht. Schlag ein!«

Er hielt ihr die Hand über den Tisch hinüber, wo sie sich niedergesetzt hatte, entgegen. Sie schlug aber noch nicht ein.

»Halt,« sagte sie. »Wir sind noch gar nicht fertig.«

»Was giebts denn noch?«

»Das Miethgeld.«

»Das ist Nebensach.«

»O nein, sondern das ist grad die Hauptsach.«

»Bist auf einmal so geldhungrig worden?«

»Nein, im Gegentheil. Ich thät lieber gar nix nehmen; aberst er wird gar nicht darauf eingehen, da er so vornehm ist. Nun weiß ich nicht, wie viel ich verlangen soll.«

»Nimmst halt, was die Sach werth ist.«

»Wer kann das schätzen? Verlang ich zu wenig, so kanns ihn beleidigen, weil er nix schenkt haben will. Verlang ich aberst zu viel, so kann es ihn ebenso beleidigen, weil er meint, daß ich ihn prellen will.«

»So nimmst ganz einfach, wie viel er Dir giebt.«

»Geht er denn darauf mit ein?«

»Allemal.«

»So bin ich aus dera Sorg heraus, und wir wollen einschlagen.«

»Ja, also topp! Es wird ihm hier in dera Gegend gefallen.«

»Er kommt direct aus München?«

»Nein. Er war einige Zeit unten in Hohenwald. Und nun will er sich eine Abwechslungen machen. Schaut, wer kommt da gefahren?«

Vom Dorfe her kam ein Einspänner. Der Wagen war ein sogenanntes Berner Wägelchen. Ein einzelner Mann saß darin, welcher die Zügel führte.

»Das ist dera Baumeister,« sagte der Knecht.

Bei diesen Worten streifte sein Blick unwillkürlich das Gesicht der Bäuerin. Diese erröthete leicht und senkte die Augen, obgleich sie sich sonst sehr in der Gewalt zu haben pflegte. Sie zog die Stirn in Falten, denn sie ahnte gar wohl, warum der Blick des Knechtes sie gestreift hatte.

Auch das Gesicht des Bauers hatte einen unfreundlicheren Ausdruck angenommen.

»Ein Baumeister?« fragte der Sepp. »Den kenn ich noch nicht, obgleich ich sonst überall bekannt bin.«

»Er ist ein Norddeutscher,« erklärte Fritz, »und erst seit einigen Monaten hier. Er hat das neue Seitengebäude errichtet.«

»Ach so! Da ists ja ein alter Bekannter von Euch. Na, ich werd ihm Platz machen.«

Er wollte aufstehen.


// 1858 //

»Bleib sitzen!« gebot ihm die Frau. »Dera Baumeister findet schon auch seinen Platz. Er wird nicht lange hier bleiben.«

Jetzt kam der Wagen heran. Der Insasse knallte einige Male und rief dann bereits bevor er angehalten hatte:

»Guten Tag, meine Herrschaften! So traulich beisammen? Das lobe ich mir! Brrrr, eeeh!«

Er lenkte den Wagen auf eine Weise herbei, daß man merkte, er sei kein Gewohnheits-, sondern nur ein Sonntagsfahrer. Dann sprang er vom Wagen.

»Nun, kannst Du nicht helfen?« fuhr er den Knecht an, indem er ihm die Zügel hinwarf. »Paß doch auf!«

Fritz rührte keine Hand. Er ließ die Zügel ruhig an sich niedergleiten, so daß sie zur Erde fielen. Er bewegte sich nicht.

»Hast Du mich verstanden?« fragte der Baumeister.

Da wendete Fritz ihm das Gesicht zu.

»Redest mit mir?«

»Ja; aber ich bitte sehr, mich Sie zu nennen. Ich bin kein Bauernknecht!«

»Und mich nennst auch Sie; denn ich bin kein Baumeister. Weißt wohl gar nicht, wot jetzunder bist?«

»Welch eine Frechheit! Natürlich bin ich auf dem Kronenhofe.«

»Das ist richtig. Verhalt Dich auch darnach. Bist vor keinem Wirthshaus, wo es einen Hausknecht giebt, welcher herbeispringen muß, wann Einer mit einem Fünfzehnmark-Gaul angefahren kommt!«

Der Baumeister blickte ganz erstaunt von einer Person auf die andere.

»Was ist denn das?« fragte er. »Bin ich denn hier unter gebildeten Menschen oder nicht?«

Da antwortete ihm die Bäuerin:

»Wann Sie uns meinen, so sind Sie halt unter gebildeten Menschen. Wanns aberst sich selberst mit meinen, so mags noch unentschieden sein.«

Sein dickes, grobzügiges Gesicht wurde blutroth.

»Das sagen Sie! Sie, Frau Kronenbäuerin! Wie komme ich dazu, von Ihnen solche Grobheiten zu hören zu bekommen?«

»Weils erst selbst grob west sind. Ein Fremder, der einen Dienst verlangt, kann höflich um denselbigen bitten.«

»Ach so! Nun, das kann ich ja thun!«

Und sich zu Fritz herumdrehend, sagte er, sich höhnisch verbeugend:

»Verehrtester Herr, haben Sie die Güte, mein Pferd auszuspannen und in den Stall zu führen.«

Fritz ignorirte die Ironie und antwortete ruhig:

»Hier giebts halt keine Ausspannung. Gehens hinab in die Schänke!«

»Aber ich habe doch allemal hier ausgespannt und bin bis zum späten Abende hier Gast gewesen!«


// 1859 //

»Das braucht aberst nicht für das ganze Leben zu sein,« sagte jetzt der Bauer sehr ernst, welcher überhaupt noch gar nicht gesprochen hatte.

»So! Also bin ich unwillkommen?«

»Ja, so ists!«

»Schön! Gut, daß ich das weiß. Ich kam, um das Innere des Gebäudes noch einmal in Augenschein zu nehmen.«

»Ist das nöthig?«

»Ja. Es sind neue baupolizeiliche Bestimmungen getroffen worden, welche ich beim Beginne des Baues noch nicht kannte. Die Frau Kronenbäuerin ist vielleicht so freundlich, mich zu begleiten.«

Ueber das Gesicht des Bauers zuckte ein zorniger Blitz.

»Willst mit ihm gehen, Kätherl?« fragte er.

»Ja,« antwortete sie.

Ihr Ton war ein eigenthümlich energischer; er schien den Bauer zu beruhigen. Der Baumeister warf die Bemerkung hin:

»Bis wir wiederkommen, wird der Knecht wohl mein Pferd halten!«

»Das Pferd? Dieses?« fragte Fritz. »Lächerlich! Das ist froh, wann es nicht zu laufen braucht.«

»Gut! Wenn Du zu stolz dazu bist, so mag dort der Bettler es thun. Ich werde ihm ein Trinkgeld geben.«

Er nickte dabei zu Sepp hinüber.

»Was bin ich? Ein Bettler?« fragte dieser. »Du Grasaff, Du! Ich, dera Bettler, thät mich schämen, einen solchen Ziegenbocksgaul in denen Bergen herum zu schinden. Dem stechen ja die Knochen durch die Haut. Und was hast für einen Wagen? Das ist ein Jammerkasten, wie ich noch niemals eins sehen hab. Hier hast fünfzig Pfennige! Kauf Dir ein Schnupftuchen und bind Dir damit die Augen zu, daßt Dich nicht zu schämen brauchst. Ich, ein Bettlern! Was bist denn eigentlich für ein Fruzzifrazzi, daßt so was zu sagen wagst?«

Er war aufgestanden und vor den Baumeister hingetreten. Dieser war zunächst so erstaunt, daß er die Strafrede ganz ruhig über sich ergehen ließ. Dann aber brach auch er los.

»Wer ich bin?« rief er. »Das sollst Du erfahren, altes Kameel! Aber nicht sagen werde ich es Dir, sondern es Dir lieber gleich hinter die Ohren schreiben, damit Du es Dir besser merken kannst. Hier hast Du es!«

Er holte aus, um ihm eine Ohrfeige zu geben, flog aber in demselben Augenblicke drei oder vier Schritte entfernt von dem Punkte, auf welchem er gestanden hatte, zur Erde nieder. Der alte, kräftige Sepp hatte ihm einen Jagdhieb mit der Faust in die Magengrube gegeben und stand nun lachend da:

»Schreiben willsts mir hinter die Ohren? So! Ich kann auch schreiben. Und meine Schrift ist vielleichten noch was deutlicher zu lesen als die Deinige. Nennt mich dera Esel ein Kameelen! Komm nur heran, Du Heiducke, Du! Ich werd Dir das Leder gerben, daßt denkst, Du bist in Saffian einwickelt!«

Er nahm eine kampfbereite Haltung an. Der Baumeister raffte sich


// 1860 //

langsam empor. Er wollte sich wüthend auf den Sepp stürzen, blieb aber stehen. Der Fall hatte ihm so wehe gethan, daß es ihm schwer wurde, sich zu bewegen. Er konnte also sein Vorhaben nicht ausführen. Desto lauter aber schimpfte und wetterte er.

»Halts Maul!« lachte der Sepp. »Wirst mir wohl keine Maulschelle mehr anbieten. Du bist curirt. Wannst wieder mal einen Mann triffst, denst für einen Bettler hältst, so sag Dir nur im Stillen, daß er dennoch ein feinerer Kerl ist, als Du bist. Ein Haus kann Jeder bauen. Aberst Ohrfeigen anbieten und dann selberst hinfliegen auf die Erd, das bringt nicht ein Jeder fertig!«

Der Baumeister wollte antworten, wurde jedoch durch die Bäuerin daran verhindert. Sie nahm ihn beim Arme und zog ihn mit sich fort. Sie verschwanden mit einander in der Hausflur.

Der Knecht ging auch fort in das Haus. Der Sepp setzte sich wieder zu dem Bauer nieder. Dieser hatte nicht sehen können, was vorgefallen war, aber was gesprochen worden war, das hatte er gehört. Darum fragte er:

»Bist wohl handgreiflich mit ihm worden?«

»Ja. Er hat mir Ohrfeigen geben wollt; dafür aber hab ich ihm Eins auf den Magen geben, daßt er zur Erde flogen ist. Mit solchen Leutln darf man nicht gar zu fein sein!«

»Halts recht macht. Es ist ihm zu gönnen.«

»Bist ihm also auch nicht gar zu wohl gesinnt?«

»Nein.«

»Was hat er Dir denn than?«

»Erst ist er kommen, weil er hört hat, daß wir bauen wollen, hat uns lange Reden halten und mit meiner Frauen schön than, damit er den Bau bekommen sollt. Nachhero, als er Hahn im Korbe war, hat er zeigt, was er kann. Es ist Alles viel theurer worden, als es veranschlagt war, und sodann, als uns das nicht recht gewest ist, hat er uns schlecht macht.«

»Donnerwetter! Wer kann denn Dich schlecht machen, Kronenbauer?«

»Mich? Wohl Keiner.«

»Und doch hat er es wagt?«

»Es hat nicht mich, sondern meine Frauen betroffen.«

»Ach so! Was hat er denn von dieser sagt?«

»Das, was man nicht gern ausspricht.«

»Sappermenten! Sie soll wohl hübsch mit ihm gewest sein?«

»Freilich.«

»Den Kerlen soll dera Teuxel reiten! Vorhin, wann ich es wußt hatt, da wär es ihm traurig ergangen. Darauf kannst Dich verlassen. Auf die Kronenbäurin laß ich nix kommen!«

Doch war es ihm anzusehen, daß diese Versicherung nicht sehr ernst gemeint war.

»Sepp!« meinte der Bauer.

»Was willst Du?«


// 1861 //

»Willst etwan mich täuschen?«

»Fallt mir nicht ein!«

»So einen alten, guten Freund und Bekannten wie ich von Dir bin!«

»Ja, das bist, Juli.«

»Also sag mir mal aufrichtig: Lässest Du wirklich auf die Kronenbäuerin nix kommen?«

»Nein. So was nicht.«

»Ich denke, das sagst Du nur.«

»Nein; ich mein' es aufrichtig.«

»Nun, ich traue ihr die früheren Ausschreitungen auch nicht mehr zu; aber sie ist jung, und da ist leicht eine kleine Unvorsichtigkeiten begangen, welche an und für sich nix zu bedeuten hat, aber von übelwollenden Personen ungut ausgedeutet werden kann.«

»So wirds wohl sein, so! Freundlich wird sie gewest sein, zu ihm. Was Unrechtes ist nicht passirt; da möcht ich wetten. Aber dieser Kerl, dem man den Maulhelden auf zehn Meilen Entfernung ansieht, hat nun aufschnitten und Sachen sagt, die nicht wahr sind.«

»Das ist auch meine Ansicht.«

»Hasts ihm nicht sagt?«

»O doch! Er hats leugnet.«

»Dera Schuft!«

»Und darauf hat er im Wirthshaus erst recht anfangt und schimpft. Und was mich dabei am Meisten ärgert, daß dera Fritz mit dort gewest ist. Er geht nur alle Jubeljahren mal ins Wirthshaus und muß nun grad an dem Tag dort ein Bier trinken, an welchem dieser Kerl von meiner Frauen solche Sachen verzählt.«

»Hat ers Dir sagt?«

»Der? Was denkst von dem! Kein Wort, kein einziges. Der hätt sich lieberst die Zung abbissen als daß er mir so was sagt, was mich kränken kann.«

»Woher weißts aber denn?«

»Von Anderen.«

»Kann mirs denken. Es giebt viele solche gute Freunde, welche Einem nur Dinge verzählen, über die man sich zu ärgern hat. Sie thun, als ob sie es Einem aus lauter Liebe und Freundschaft berichten, und freuen sich dann im Stillen, daß es ihnen gelungen ist, Einem eine solche Kränkung zu bereiten.«

»Ja, so sind sie, grad so, wiest sie beschrieben hast. Ich ärger mich allemal heimlich, wann so ein guter Freund kommt und zu reden beginnt. Da ist ein jedes Wort ein Stachel, der mit Honig bestrichen ist. Den Honig leckt man, und dann bleibt dera Stachel in dera Zungen stecken. Da ist dera Fritz ein Anderer. Er hat mir kein Wort sagt; aberst die Bäuerin hat er vertheidigt.«

»Das ist brav! Er hat es nicht gar gut bei ihr habt; desto mehr ists


// 1862 //

ihm anzurechnen, daß er es ihr nicht nachträgt. Was hat er denn zu dem Kerl sagt?«

»Sagt? Nix, gar nix. Sagen, das ist nicht dem Fritz seine Art und Weis, wann es so was giebt. Als dera Baumeister so recht im Sprechen ist, da kommt dera Fritz zu ihm, sagt kein Wort und pfeift ihm aberst eine solche Maulschellen in das Gesicht, daß er sich mit dem Stuhl uminummi dreht hat und dann auf die Diele flogen ist.«

»Schön! Das kann mich gefreun. Nun ist eine richtige Raufereien daraus worden, und dera Fritz wird sein Ding macht haben.«

»Raufereien? Nein. Dera Fritz rauft nie. Er hat sich ganz still wieder auf seinen Platz niedersetzt und dem Baumeistern, der sich nicht an ihn wagt hat, schimpfen lassen von Rohheit, Raufsucht und ähnlichen Dingen. Aberst als dera Kerlen wiederum von meiner Frauen begonnen hat, da steht dera Fritz auch gleich schon wieder bei ihm, sagt abermals kein Wort und steckt ihm wieder eine, daß die Funken flogen sind. Nachhero hats noch eine dritte geben. Dem Baumeister seine Wange ist aufischwollen wie ein Pfannkuchen. Da hat er genug gehabt und ist still davon gangen.«

»Das ist recht so! Nachhero, wann er wieder heraus kommt, werd ich ihm auch noch eine geben, so daß er sich die Rosinen im Gras zusammensuchen muß.«

»Thu es nicht! Er hat genug!«

»Dera Kerl ist so groß und stark und dick; aberst er hat keine Schneid! Sich drei Backpfeifen geben zu lassen, ohne sich zu verdefentiren! Dem kann man ja die Knöpf von denen Hosen schneiden, ohne daß er was dagegen sagt! Das sollt mal Einer mir machen! Himmelsakra! Ich thät ihn in die Luft werfen, daßt die Leutln denken sollten, es sei ein neuer Kommet derschienen. Was aber will Deine Frauen jetzt mit ihm?«

»Hasts ja hört. Das Gebäude zeigen muß sie ihm.«

»Und das derlaubst Du?«

»Warum nicht? Meinst, daß sie Dummheiten mit ihm macht?«

»Ganz sicher nicht. Ich habs ihr anschaut, daß sie einen gewaltigen Zorn auf ihn hat. Der kann sich gefaßt machen. Die wird ihm die Wahrheit geigen. Aberst es wäre besser gewest, wenn ein Anderer mit ihm gangen wär.«

»So! Wer denn? Ich?«

»Nein. Was willst ihm zeigen? Bist ja leider blind.«

»Oder dera Fritz?«

»Ja.«

»Das könnt nix Gutes geben. Und weiter giebts halt Keinen.«

»Dera andere Knecht? Nicht?«

»Dera Bastian? Der ist viel zu dumm dazu. Da ist die rothscheckete Kuh gescheidter als der. Wann man dem Was sagt, so steht er da und sperrt das Maul auf, als ob die Sperlinge hinein hecken sollten.«

»Ist der denn wirklich so dumm?«


// 1863 //

»Hageldumm. Bei dem hats die Hebamme versehen. Ich glaub, sie hat ihm beim ersten Bad das Gehirn ins Wasser laufen lassen.«

»Hm, hm!«

»Was hmst Du denn, Sepp? Glaubsts wohl nicht?«

»Nein.«

»So kennst ihn schlecht.«

»Ich hab ihn schon einige Male beobachtet. Wann er denkt, daß man ihn nicht sieht, so macht er ein ganz anderes Gesichten als gewöhnlich.«

»Das kann ich freilich nicht sehen.«

»Ich halt ihn für einen Vexirbeutel. Er thut dumm und hat dabei die Klugheiten hinter denen Ohren, grad wie die Ziegen den Speck. Wann ich nicht nur so kurze Zeit da wäre, allemale wann ich komm, so thät ich ihn einmal genau beobachten.«

»So bleib doch da! Es würde mich gar sehr gefreuen. Ich kenne keinen besseren Gesellschafter für mich als den Wurzelsepp.«

»Meinst? Ja, dann könnt ich mich als gar großer Faullenzer zu Dir setzen und die Zeit verplaudern.«

»Schadet nix.«

»Oho! Das schadet schon. Ich hab auch noch andere Leutln, die mich sehen wollen.«

»Ja, was weiß ich freilich. Bist ein Allerweltsfreund und Schwager von Jedermann. Ich möcht wissen, wast so eigentlich machst bei denen vielen Leutln.«

»Gar Vieles und Verschiedenes. Später, wann ich mal todt sein werd, wirds erst an den Tag kommen, was für ein nothwendiger Kerl ich gewest bin. Jetzunder zum Beispiel wär ich vielleichten nothwendig bei dem Herrn Baumeister.«

»Warum?«

»Er bleibt mir zu lange weg. Wer weiß, wie sehr Deine Frauen sich mit ihm zu ärgern hat.«

»Die ist Manns genug. Die braucht keine Hilfe. Da kenn ich sie.«

Er hatte Recht. Dem Baumeister gegenüber brauchte sie keine Unterstützung, obgleich der Auftritt, welchen sie mit einander hatten, kein gewöhnlicher genannt werden konnte.

Als sie den Hausflur erreicht hatten und von Niemand gesehen wurden, blieb er stehen und sagte:

»Kätherl, was ist denn das?«

»Was?«

»Diese Behandlung!«

»Sie ist verdient.«

»Der Bettler hat mich hingeworfen!«

»Er ist kein Bettler.«

»Was denn?«


// 1864 //

»Das zu derklären, dazu haben wir keine Zeit. Wir gehen auf meine Stube.«

Sie stieg voran, die Treppe empor, und er folgte ihr. Oben schloß sie ihre Stube auf und riegelte dieselbe, als sie mit einander eingetreten waren, von innen wieder zu. Sodann führte sie ihn noch eine Thüre weiter - in die Schlafstube.

»Ah, hierher! Das habe ich erwartet,« sagte er, indem seine Miene sich erheiterte.

»Erwartet? Warum?«

»Nun, weißts ja, von früher her.«

»Ach so! Sie haben sich da geirrt, Herr Baumeister.«

»Das sollte mir leid thun.«

»Wenn ich Sie heut hier herein führe, so geschieht es nur deshalb, weil wir hier von Niemandem gehört werden.«

»Sie und wieder Sie! Warum nennst Du mich heut Sie? Wollen wir es denn nicht bei dem traulichen Du lassen?«

Er wollte die Arme um sie legen. Sie aber schob ihn kräftig von sich ab.

»Damit ists aus. Ich habe eingesehen, daß ich meine Freundlichkeit einem Unwürdigen geschenkt habe.«

»Donnerwetter! Wieso?«

»Sie haben so Vieles über mich erzählt, daß Sie eigentlich eine viel andere und größere Strafe verdient haben, als Ihnen geworden ist.«

»Das ist die reine Verleumdung.«

»Natürlich! Eine Verleumdung meiner Person.«

»Nein, der meinigen habe ich sagen wollen. Ich habe über Dich und von Dir auch nicht das geringste unrechte Wort gesagt.«

»Bitte, nicht Du, sondern Sie. Wir sind zwei vollständig fremde Menschen.«

Sie blitzte ihn mit ihren Augen so drohend an, daß er augenblicklich antwortete:

»Gut, gut! Also Sie! Ich habe mich riesig zu beschweren. Ihr Knecht hat mich geschlagen, sogar in der Kneipe, öffentlich!«

»Sie haben es vollauf verdient.«

»Oho! Was er erzählt hat, ist jedenfalls erlogen gewesen.«

»Er hat kein Wort erzählt. Andre haben die Neuigkeit meinem Manne zugetragen.«

»Nun, so haben diese gelogen.«

»Nein. Es stimmt ja Alles. Sie haben Sachen erzählt, welche nur wir Beide wissen. Wenn Andere es auch wissen, so müssen Sie es erzählt haben. Wollen Sie leugnen?«

»Ja.«

Sie sind ein Feigling.

»So sind Sie ein niederträchtiger Feigling. Schlechtigkeiten können Sie erzählen; aber eingestehen, daß Sie dieselben erzählt haben, das können und wollen Sie nicht; dazu fehlt Ihnen der Muth. Schämen Sie sich!«


// 1865 //

Jetzt hatte er es nur mit einer Frau zu thun. Da fürchtete er sich nicht so sehr.

»Oho!« antwortete er. »Wer hat sich bei dieser ganzen Angelegenheit zu schämen? Ich oder Sie?«

»Sie!«

»Nein, sondern Sie. Wenn ich erzählt habe, was geschehen ist, so bin ich nicht der Blamirte. Sie sind es.«

»Nein. Sie blamiren nur sich selbst. Denn nur ein ganz und gar ehrloser Mensch kann eine verheirathete Frau, von der er Freundlichkeiten und Bereitwilligkeiten genossen hat, in dieser Weise an den Pranger stellen.«

»Handeln Sie nicht so, daß Sie an den Pranger gestellt werden!«

»Meinen Sie, daß es eine Ehre ist, der zu sein, der Jemand an diesen Pranger stellt? Jeder Henker ist ehrlos, besonders wenn er die Mitschuld trägt. Sie haben viel mehr erzählt, als was wahr ist. Und selbst wenn Alles wahr wäre, was Sie gesagt haben, so ist es eben eine bodenlose Schlechtigkeit, solche Sachen auszuplaudern.«

»Nun, wollen doch einmal sehen, was ich gesagt habe. Ich kann Alles vertreten.«

»Das meinen Sie. Aber ich kann Sie so schlagen, daß Ihnen die Augen übergehen.«

»Das sollte Ihnen sehr schwer fallen.«

»Sehr leicht, im Gegentheile.«

»Wollen sehen. Ich habe zum Beispiele erzählt, daß Sie mich geküßt haben.«

»Ich Sie!«

»Oder ich Sie; das ist doch ganz egal.«

»Nein, das ist zweierlei. Wenn ich Ihnen begegnet bin und Sie haben so plötzlich, daß ich vor Ueberraschung starr war, mich umarmt und geküßt, so haben Sie kein Recht, von freiwilligen Vertraulichkeiten zu sprechen.«

»Na, Kronenbäuerin, Sie wissen doch am Allerbesten, ob ich Ihnen Ihre Küsse abgezwungen habe oder nicht.«

»Ich behaupte, daß Sie mich stets so überraschten, daß meine Gegenwehr zu spät kam.«

»So! Wie steht es denn da mit dem Anderen? Wissen Sie, die Nacht, welche ich hier bei Ihnen blieb?«

Sie lachte laut auf.

»Ich besinne mich. Sie drängten mich so mit Ihren Bitten, daß ich denselben scheinbar nachgab, aber nur, um mir einen heimlichen Spaß zu machen.«

»Einen Spaß? Ja, der war es, und zwar ein ganz famoser!«

»Allerdings! Famoser noch als Sie denken. Besinnen Sie sich noch, daß Sie kein Wort reden durften?«

»Ja.«

»Und auch ich sprach nicht?«


// 1866 //

»Ja. Weil Ihr Mann daneben schlief.«

»Nun, ich werde Ihnen die Situation sogleich erklären.«

Sie öffnete das Fenster und blickte hinaus. Eine Magd hanthierte an der Miststelle herum. Sie winkte derselben und machte dann das Fenster wieder zu.

»Wen rufen Sie?« fragte er.

»Sie werden die Person gleich sehen.«

»Wer ists denn? Doch nicht etwa - -?«

Er machte ein höchst ängstliches Gesicht.

»Wen meinen Sie?« fragte sie.

»Den Knecht oder jenen verdammten Bettler unten.«

»Was soll ich mit denen?«

»Mich abermals - - durchprügeln lassen.«

Sie lachte laut und höhnisch auf.

»Welch ein Feigling! Und das will ein Mann sein! Haben Sie keine Angst! Wenn Sie hier oben bei mir Prügeln bekommen sollten, so haue ich Sie selbst durch. Sie würden nicht wagen, sich zu wehren.«

Und wie sie so blitzenden Auges und mit erhobener Hand vor ihm stand, war wohl zu denken, daß sie sich weniger vor ihm fürchten würde als er sich vor ihr.

Da klopfte es draußen an der vorderen Thür. Sie öffnete, und die Magd trat ein.

Sie war barfuß, jedenfalls Diejenige, deren schmutzigen Füße Fritz beschrieben hatte. Sie mußte dieselben sammt den Beinen wohl seit Monaten nicht gewaschen haben. Der Rock, der einzige, den sie an hatte, ließ deutlich erkennen, daß die Füße und so weiter fast bis an das Knie mit einer schmutzigen Kruste förmlich überzogen waren. Die aufgesprungenen Hände boten einen ebenso unappetitlichen Anblick. Die Haare waren nicht gekämmt. Kurz und gut, das Mädchen bot einen Anblick, daß ein reinlicher Mann sich gescheut hätte, ihr die Hand zu reichen.

Dazu hatte sie ein ganz idiotisches Aussehen. Ihr Gesicht war nichtssagend, und ihr Auge inhaltslosen Blickes. Sonst aber war sie gar nicht schlecht, sogar üppig gebaut. Bei größerer Reinlichkeit und anderer Kleidung hätte sie gar keine üble Figur gespielt.

»Christel,« fragte die Bäuerin. »Kennst Du diesen Herrn hier?«

Die Magd klotzte den Genannten an, zog ein breites Gesicht, machte ein freundliches Grinsen und nickte.

»So gehe hinaus vor die Thür und warte, bis ich Dich rufe!«

Die Magd ging wieder hinaus. Als nun die Beiden abermals allein waren, fragte der Baumeister:

»Was solls denn mit diesem Frauenzimmer sein?«

»Das werden Sie bald erfahren. Gefällt sie Ihnen?«

»Pfui Teufel!«

Er spuckte aus und machte eine Geberde des Abscheus.


// 1867 //

»Nun, so hören Sie!«

Sie stützte sich mit der Hand auf den Tisch und begann, indem sie ihn aus einer höhnischen Miene mit verächtlichem, siegessicherm Blicke musterte:

»Als ich Sie engagirte, unsern Neubau auszuführen, theilte ich Ihnen einen gewissen Wunsch mit, dessen Erfüllung Niemand erfahren sollte - -«

»Die heimlichen Thüren!« fiel er ein.

»Ja. Die Thüren und das schmale, fensterlose Cabinet hier nebenan. Sie wollten nicht darauf eingehen, und nur durch eine erzwungene Freundlichkeit brachte ich Sie so weit, diese Sachen anzubringen, ohne daß es Jemand bemerkt hat.«

»Das müssen wir nun ändern,« sagte er, indem er ein schadenfrohes Lächeln auf seinem breiten Gesicht zeigte.

»Warum?«

»Es ist verboten.«

»Durch wen?«

»Baupolizeilich.«

»Ist das erst jetzt verboten worden?«

»Nein. Es war schon damals verboten und ist niemals erlaubt gewesen. Ich ließ mich bestimmen, vom Gesetz abzugehen, weil - weil - weil - Sie mir versprachen, meine Liebe zu erhören.«

»Und nun soll das plötzlich geändert werden?«

»Ja.«

»Auf wessen Veranlassung?«

»Auf die meinige. Ich habe mir die Sache überlegt. Wenn es entdeckt wird, so werde ich unbedingt bestraft. Ich habe gegen die Verordnung der Behörde gebaut.«

»Schön! Was werden Sie thun, wenn ich nicht in diese Aenderung willige?«

»Ich zwinge Sie.«

»Ach so! Wodurch?«

»Dadurch, daß ich Anzeige mache.«

»Gut! Thun Sie das, Herr Baumeister. Mein Haus bleibt so, wie es ist. Ich lasse nichts ändern.«

»So muß ich also Anzeige machen!«

»Ich bitte Sie darum! Sie werden bestraft. Mir aber kann nichts geschehen.«

»Sie werden natürlich ebenso bestraft!«

»Nein. Ich bin nicht ein einziges Mal auf dem Bauamte gewesen. Sie haben das Alles geordnet, und die Verantwortung liegt ganz auf Ihnen.«

»Verdammt!«

»Ja, so ist es. Sie sind für Ihre Arbeit anständig bezahlt worden. Dennoch verlangten Sie von mir gewisse Zärtlichkeiten als Extrabelohnung -«

»Ich habe sie auch erhalten!«

»Von mir nicht!«


// 1868 //

»Oho!«

»Nein!«

»Wollen Sie es leugnen?«

»Ja.«

»So lügen Sie. Was ich im Wirthshaus erzählt habe, das ist wahr.«

»Nein, es ist eine Unwahrheit. Ich wollte und mußte aus gewissen Gründen das Cabinet und die heimlichen Thüren haben. Sie wollten nicht so bauen, außer ich ging auf Ihre Wünsche ein. Nun gut, ich that, als ob ich Ihnen den Willen thue, und lud Sie in meine Schlafstube ein.«

»Sie thaten nur so?«

»Ja.«

»Ah, das ist stark!«

»Allerdings. Es ist sogar stärker als Sie denken. Passen Sie auf. Ich werde es Ihnen zeigen. Christel!«

Sie rief das laut, und die Magd trat ein. Die Bäuerin zeigte auf den Baumeister und sagte:

»Also Du kennst diesen Mann. Wer ist er?«

»Dera Maurer, der unser neues Haus baut hat.«

Sie antwortete gedehnt und tonlos, wie Blöde zu sprechen pflegen.

»Schön. Kannst Du Etwas von ihm erzählen?«

Das Mädchen lachte breit und vergnügt und antwortete:

»Viel.«

»Was denn?«

»Als mich die Bäuerin da hier in dera Stuben hat schlafen lassen, da ist er zu mir kommen.«

»Hast Du mit ihm sprochen?«

»Nein. Die Bäuerin hat mirs verboten habt.«

»Hat er sprochen?«

»Auch nicht.«

»Was hat er denn than?«

»Er hat mich angreifen wollt.«

»Und Du?«

»Ich habs nicht litten, sondern ihm eine tüchtige Schellen geben. Nachhero hat er gehen wollt, aberst nicht hinaus konnt, weil die Bäuerin zuschlossen hat. So hat er in dera Stuben sessen auf dera Dielen und wartet bis früh, wo die Bäuerin wiederum aufischlossen hat.«

»Gut! Kannst gehen.«

Die Magd ging und warf dem Baumeister noch einen freudegrinsenden Blick zu, als ob sie sagen wolle:

»Siehst Du, daß ich zehnmal gescheidter gewesen bin als Du!«

Nun wendete sich die Bäuerin wieder zu ihm.

»Nun, Herr Baumeister, was sagen Sie dazu?«

Er stand ganz starr da und schaute nach der Thür, hinter welcher die


// 1869 //

Magd verschwunden war. Die Bäuerin konnte sich nicht halten. Sie brach bei dem Anblicke seiner perplexen Miene in ein lautes Gelächter aus.

»Die, Die ists gewesen?« stieß er endlich hervor.

»Ja, Die!«

»Und ich hab - ich hab sie mit aller Gewalt geküßt, obgleich sie sich auch dagegen wehrte!«

»Wie hats geschmeckt?«

»Und die Ohrfeige! Ja, so eine Pfote, wie die hat, da war es gar kein Wunder, daß mir die Funken aus den Augen sprangen!«

»Aber trotz dieser Funken haben Sie nicht gesehen, daß Sie eine Falsche vor sich hatten. Anstatt der Erfüllung Ihrer Wünsche haben Sie Ohrfeigen erhalten, und trotzdem erzählen Sie im Wirthshause Dinge, welche gar nicht geschehen sind! Ich verlange von Ihnen, daß Sie dort erklären, daß Sie im Rausche die Unwahrheit gesagt haben. Ich gebe Ihnen blos noch heute Zeit dazu. Fahren Sie jetzt hin, und thun Sie es, sonst lasse ich überall erzählen, bei wem Sie sich befunden haben. Ihre Frau wird sich sehr darüber freuen.«

»Eine ganz verdammte Geschichte!«

»An welcher Sie selbst die Schuld tragen. Und vor allen Dingen, wenn Sie sich jetzt von meinem Manne verabschieden, so geben Sie ihm die Erklärung, daß das, was Sie über mich erzählt haben, die Unwahrheit ist. Das verlange ich.«

»Donnerwetter! Das ist zu viel!«

»Ich gehe nicht davon ab!«

»Aber wenn ich es nicht thue?«

»So lasse ich die Magd kommen. Die mag ihm Alles erzählen.«

»Dann bin ich aber blamirt!«

»Und wie!«

»Verdammt!«

»Wählen Sie das kleinere von den zwei Uebeln. Wenn Sie die Erklärung freiwillig abgeben, können Sie dieselbe in Worte fassen, unter denen Sie so wenig wie möglich leiden.«

»Hm! Ich begreife Sie nicht!«

Er blickte sie kopfschüttelnd an.

»In wiefern?«

»Ich habe Sie schlecht gemacht. Sie drohen mir mit der Magd, und doch geben Sie mir guten Rath.«

»Das ist doch sehr leicht zu erklären. Es soll Niemand von dem Cabinet Etwas wissen, und ich müßte davon sprechen, wenn ich gezwungen würde, Alles zu erklären. Daher begnüge ich mich mit einer einfachen, kurzen Ehrenerklärung, welche Sie mir geben.«

Er ließ seinen Blick an ihrer schönen Gestalt auf und niedersteigen und sagte triumphirend:

»Aber geküßt habe ich Sie doch!«


// 1870 //

»Pah! Das konnte ich nicht verhüten, wenn ich Sie nicht auch ohrfeigen wollte.«

»O, Sie hätten sich doch besser wehren können, wenn Sie gewollt hätten.«

»Schweigen wir am Allerliebsten darüber. Kommen Sie jetzt wieder mit hinab, thun Sie Ihre Schuldigkeit, und betragen Sie sich nicht wieder so, daß Sie Ohrfeigen bekommen!«

Er kratzte sich hinter die Ohren und murmelte:

»Das kommt so, wenn man für eine schöne Frau heimliche Thüren und Cabinette baut! So etwas soll mir in meinem ganzen Leben nicht wieder vorkommen!«

Er ging, und die Bäuerin folgte ihm. Sie schloß ihre Thüre sehr sorgfältig wieder zu, denn es durfte niemals Jemand während ihrer Abwesenheit ihre Wohnung betreten.

Als die Beiden unten aus dem Hause traten, machte der Sepp ein ganz erstauntes Gesicht.

»Du,« sagte er zum Bauer, »da kommens wiederum herbei.«

»Mit nander?«

»Ja.«

»Wie schauens aus?«

»Die Deinige blickt drein wie eine Siegerin. Dera Kerl aberst macht ein Gesicht, als ob ihm das Karnikel den Geldbeutel fressen hätt.«

»So hat sie ihn tüchtig dran nommen.«

»Ja, so schauts aus, ganz so. Wollen sehen, was er nun thun wird.«

Die Beiden kamen herbei, und die Bäuerin setzte sich neben ihren Mann. Sie legte ihm die Hand auf die Achsel und lehnte sich an ihn, was eine ganze Reihe von Jahren nicht vorgekommen war.

Es durchzuckte ihn eine selige Freude. Der Sepp aber zog die Brauen zusammen. Er wußte, daß dies bei ihr nicht aus dem Herzen kam.

»Nun, wie stehts?« fragte der Bauer. »Ist das Gebäude fehlerlos?«

»Ja,« antwortete der Baumeister. »Ich habe mich überzeugt und bin beruhigt.«

»Schön! Das ist mir lieb. Aenderungen sind immer unbequem und kosten neues Geld. Hast die Rechnungen alle bezahlt, Kätherl?«

»Ja. Aberst dera Baumeister hat noch eine zu berichtigen.«

»Was für eine?«

»Wirsts gleich hören.«

Sie blickte den Baumeister erwartungsvoll an. Dieser begann abermals, sich zu kratzen.

»Ja - ja - eine Rechnung ists,« nickte er. Weiter aber kam er nicht.

»Nur heraus damit!« gebot sie.

»Das ist leicht gesagt. Es ist aber viel schwerer, als man denkt.«

»Soll ich etwa nachhelfen?«

»Ja.«


// 1871 //

»Gut, so rufe ich die Magd.«

»Um Himmelswillen!« rief er aus. »Nur das nicht!«

Er hatte sein Ja ganz anders gemeint und unter dem Nachhelfen ein freundliches Einhelfen verstanden.

»Dann reden Sie aber auch!«

»Was soll er denn reden?« fragte der Sepp.

»Das geht Sie nichts an!« antwortete der Baumeister. »Sie haben in dieser Angelegenheit kein Wort zu sprechen.«

»Gut, so schweige ich.«

»Das ist das Beste, was Sie thun können. Wer eines schnellen Wortes wegen die Leute gleich zu Boden wirft, der gehört nicht dahin, wo - -«

Er hörte erschrocken auf, denn der Sepp nahm seinen Bergstock, welcher am Stamme der Tanne lehnte, in die Hand, erhob sich von seinem Platze und fragte:

»Wohin gehöre ich nicht?«

»Himmelsapperment! Bleiben Sie doch sitzen! Ich habe Ihnen nichts gethan!« rief der Baumeister.

»Wann ich den Stock liegen lassen soll, so zankens nicht wiederum auf mich, sonst beginnt er zu tanzen.«

»Ja,« fiel die Bäuerin ein, »Sie haben hier Anderes zu thun, als sich mit dem Sepp zu zanken. Thun Sie, was ich Ihnen geboten habe. Dann sind Sie fertig und können den Hof verlassen.«

»Hm, ja! Jawohl!« stotterte er. »Nämlich, Herr Kronenbauer, ich habe Ihnen mitzutheilen, daß ich damals - - -«

»Nun, was denn?«

»Daß ich damals nicht ganz - - Himmelsapperment! Es geht so schwer heraus! Frau Kronenbäuerin, bitte, erlassen Sie es mir doch!«

»Nein, auf keinen Fall!« antwortete sie.

»Ich sage es später!«

»Nein, heut!«

»Ich komme ja wieder!«

»Das ist nicht nöthig!«

»Könnte ich es nicht brieflich abmachen?«

»Auch nicht.«

»Das ist wirklich zu streng.«

»Es darf Sie gar nicht befremden, daß ich es verlange. Reden Sie; dann ists herunter, und wir sind mit einander für immer fertig.«

»So Etwas aber fällt so schwer!«

»So rufe ich die Magd!«

»Was hast nur mit dera Magd?« fragte ihr Mann. »Welche meinst denn?«

»Die Christel.«

»So! Wo ists denn?«

»Hinten im Hofe.«


// 1872 //

»So wird sie ruft.«

Er rief den Namen der Magd mit lauter, weithin schallender Stimme. Daß der Bauer einmal einen Dienstboten in solcher Weise zu sich beorderte, das war eine außerordentliche Seltenheit. Daher kam das Mädchen schleunigst herbei gelaufen.

Als der Bauer den Namen Christel rief, fuhr der Schreck dem Baumeister in die Glieder.

»Halt, halt!« rief er. »Was soll sie denn da! Ich sags ja selber.«

»So machen Sie schnell!« ermunterte ihn die Bäuerin.

»Gut, gut! Nämlich, Kronenbauer, als Sie erfahren haben, daß ich Ihre Frau Gemahlin schlecht gemacht haben soll, da - - -«

Er stockte.

»Nun, was war denn da?« fragte der Bauer.

Auch Fritz hatte den lauten Ruf gehört. Zwar galt er nicht ihm; aber als er den Baumeister wieder an dem Baume bei den Andern sah, kam er schnell herbei, um nöthiger Weise bei der Hand zu sein.

»Da - da - da war ein Irrthum vorhanden.«

»Nun, welcher?«

»Dieser Irr - Irr - Irr - Himmeldonnerwetter! Da ist sie schon.«

Ja, die Christel war jetzt da. Sie zog ihr breites Gesicht, grinste Einen nach dem Andern an und sagte:

»Dera Bauer hat mich ruft. Was soll ich?«

»Ja, das weiß ich selbst nicht. Meine Frauen hat von Dir sprochen. Ich glaub, es ist wegen dem Baumeister hier.«

»Das glaub ich wohl!« lachte sie.

»So? Also weißt Du was?«

»Viel!« antwortete sie stolz.

»Was denn?«

»Daß ich ihm eine Maulschellen geben hab.«

»Warum denn?«

»Er hat mich angreifen wollt. Er hat dacht, die Bäuerin wär es, und derweilen war doch ich es, dera Holdrio!«

Sie warf einen siegesfunkelnden Blick auf den Baumeister. Dieser lehnte sich wie gebrochen an seinen Wagen. Die Anderen sahen sich wechselseitig an, und dann brach der Sepp in ein lautes Gelächter aus.

»Also, so ists, so! Darüber könnt man vor lauter Freud gleich den Ofen einschmeißen. Komm mal her, Christel! Sag mal: Dera Baumeistern ist Dir wohl sehr gut gewest?«

»Sehr!« nickte sie.

»Hat er Dich heirathen wollen?«

»Davon hat er nix sagt.«

»Was hat er denn wollt?«

»Schmatzt hat er mich, immer und immer, obgleich ich mich so wehrt


Ende der achtundsiebzigsten Lieferung - Fortsetzung folgt.



Karl May: Der Weg zum Glück

Karl May – Forschung und Werk