Lieferung 81

Karl May

11. Februar 1888

Der Weg zum Glück.

Vom Verfasser des »Waldröschen«, »Verlorner Sohn«, »Deutsche Helden« etc.


// 1921 //

»Da brauchst keine Sorg zu haben. Der soll mir nicht kommen.«

»Meinst nicht? Er kann mal im Kronenhof sein, bevor mans denkt.«

»Das fallt ihm sicherlich gar nicht ein. Mußt doch bedenken, daß dera Offizier bei uns wohnen thut!«

»Vor dem fürchtet er sich nicht, das hat er bereits bewiesen. Ein Glück für den Grafen ists, daß dera Samiel so ein gutes Gemüth hat. Er hat ihm nur einen kleinen Klapps geben auf den Kopf. Wie leicht hätte er ihn tödten könnt!«

»Dera Samiel und - ein gutes Gemüth! Ein Räuber! Sepp, mach Dich doch da nicht lächerlich!«

»Das ist nicht lächerlich. Wenn dera Samiel denjenigen, der sein ärgster Feind ist und ihn fangen will, so schonen thut, so ist das ein Beweis, daß er ein gutes Herz hat. So ein Gemüth findet man sonst nur bei einem Frauenzimmer. Man könnt da ganz irr an ihm werden. Ich werd ihm das vergelten.«

»Du? Wieso?«

»Ich werd, wann ich ihn fang, ihn grad so behandeln, als ob er ein Frauenzimmer wär. Aber jetzund wollen wir unsere schöne Zeit nicht verschwatzen. Ich bin müd und möcht schlafen gehen. Erlaubst doch, Bäuerin, daß ich auf dem Kronenhof bleib?«

»Freilich! Bist den ganzen Nachmittag da gewest, kannst auch hier schlafen.«

»Aber wo?«

»Wie es Dir gefallt. Im Bett oder auch auf dem Heu.«

Da meinte Fritz, der Knecht:

»Kannst auch bei mir bleiben, Sepp. Dera Bastian schlaft stets im Stall. Da ist sein Bett immer frei, welches mit in meiner Kammer steht.«

»Gut, das ist mir recht. Kann ich da gleich schlafen gehen?«

»Sehr gern. Ich geh auch mit. Oder hast noch einen Befehl für mich, Bäuerin?«

»Nein.«

»So schlaf wohl! Morgen ist Montagen. Da muß man zeitig ausi aus dem Schlaf. Darum leg ich mich jetzt bald aufs Ohr.«

Er ging mit dem Sepp fort, über den Hof hinüber, wo eine Treppe hoch seine Kammer lag. Vorher aber traten die Beiden in den Stall. Dort brannte eine Laterne, bei deren Schein sie den Blödsinnigen auf der Streu liegen sahen. Er that als ob er schlief.

»Bastian, schläfst bereits?« fragte Fritz.

Der Knecht antwortete nicht.

»Bastian!«

Er stieß ihn leise an, doch regte sich der Gestoßene nicht.

»Laß ihn,« meinte der Sepp. »Was willst den armen Kerl aus dem Schlafe aufiwecken?«

»Er soll die Latern auslöschen.«


// 1922 //

»Das kannst ja an seiner Stell auch thun.«

»Ja; aberst dann merkt er es nicht und läßt sie ein anderes Mal wieder über die Nacht brennen. Wie bald ist da ein Unglücken schehen.«

»Ja, besonders bei so Einem, der nicht richtig im Kopfe ist.«

»Das ists ja eben, weshalb ich mich sorgen thu. Wann die Bäuerin sehen thut, daß noch Licht im Stall ist und er schläft dabei, so könnts ihm schlecht ergehen.«

»Ist sie so streng?«

»Ja, besonders mit dem Bastian hier.«

»Mit dem? Warum?«

»Das weiß ich nicht. Sie kann ihn wohl gar nicht leiden.«

»Der arme Teuxel!«

»Ja, auch mich hat er immer dauert, wann sie zornwuthig mit ihm gewest ist. Mit einem Menschen, welcher seine fünf Sinnen nicht beisammen hat, muß man wohl ein Wenig nachsichtiger sein können. Na, ich will das Licht auslöschen und ihm den Schlaf gern gönnen.«

Er blies das in der Laterne befindliche Lämpchen aus, und dann gingen sie.

Gleich neben dem Stalle führte die Treppe zu seiner Kammer empor. Auf derselben angekommen, wollte er sprechen; aber der Sepp gab ihm einen Rippenstoß und flüsterte ihm zu:

»Schweig jetzt! Dera Kerl könnt uns nachschleichen und Etwas hören.«

So verhielten sie sich ruhig, bis sie in die Kammer gelangt waren, und auch dann sprachen sie so leise, daß ein etwaiger Lauscher draußen nichts hören konnte.

»Hast nicht ein Licht da?« fragte der Sepp.

»Ja, ein Talglicht steht auf dem Tisch.«

»So brenn es an!«

»Warum? Wir müssen doch im Dunklen sein, damit man nicht sieht, was wir thun.«

»Nein, wir müssen Licht haben. Ich denk mir halt, daß die Bäuerin unten steht und uns heimlich beobachtet. Sie muß sehen, daß wir uns ausziehen.«

»Ach so! Willst also wirklich ins Bett?«

»Das fallt mir gar nicht ein. Ich will sie beobachten. Aberst grad darum muß sie denken, daß ich mich niederlegt hab und Du auch mit. Wir ziehen die Westen aus, damit sie das Hemden derblickt. Da denkts ganz sicher, daß wir nachhero schlafen.«

So geschah es. Sie brannten das Licht an und zogen ihre Jacken und Westen aus. Dann traten sie einige Male so nahe an das Fenster, daß man sie von dem Hofe und dem Hauptgebäude aus deutlich sehen konnte, und nun löschten sie das Licht wieder aus. So hatte es ganz den Anschein, als ob sie sich nun niedergelegt hätten.


// 1923 //

Nun saßen sie neben einander auf Fritzens Bette und flüsterten mit einander.

»Denkst wohl, daß sie heut noch Etwas beginnt?« fragte der Knecht.

»Wissen thu ichs freilich nicht; aberst ich ahne es. Es liegt mir halt ganz so in denen Gliedern, als ob wir noch was derfahren müßten.«

»Und ich hab die Ansicht, daß sie das bleiben lassen wird.«

»Warum?«

»Aus zweierlei Gründen. Erstens kann sie sehr zufrieden sein mit dem, was sie heut gestohlen hat. Und zweitens bist Du so unvorsichtig gewest. Sie wird ahnen, daßt sie für den Samiel hältst und also nix unternehmen, so lang Du Dich hier bei uns befindest.«

»Meinst wirklich, daß dera Wurzelsepp ein Unvorsichtiger ist?«

»Ja. Hast ihr heut Verschiedenes merken lassen, wast für Dich hättest behalten sollen.«

»So! Was denn?«

»Nun zum Beispiel, daß sie die Uhr in dera Taschen habt hat. Dadurch muß sie doch mißtrauisch worden sein.«

»Hm! Bist wirklich ein Kluger, der das Gras wachsen hört. Grad das hab ich doch wollt, daß sie mißtrauisch werden soll.«

»Warum aber denn?«

»Damit sie die Uhr schnell verstecken soll.«

»Das hat sie freilich sofort than. Was aber kann Dir das nützen?«

»Sehr viel. Das hast doch auch sehen. Ich hab wissen wollt, wo sie ihr Versteck hat. Indem ich sie mißtrauisch macht hab, ist sie gleich in ihre Kammer gangen. Wir haben sie beobachtet und wissen nun, wo dera Raub zu suchen ist.«

»Sapperment! Ja, wannst das so beabsichtigt hast, so bist freilich ein kluger Kopf.«

»Ja, den Wurzelsepp kannst Dir nicht für ein paar Pfennige kaufen. Da mußt schon mehr zahlen, wannst ihn bekommen willst!«

»Aberst nachhero hast Reden fallen lassen, aus denen sie merken muß, in welch einem Verdacht Du sie hast.«

»Was schadet das?«

»Sehr viel. Sie wird sich nun so sehr in Acht nehmen, daßt nun gar nix mehr derfahren wirst.«

»Das darfst freilich dem Sepp nicht sagen. Zunächst wissen wir bereits so viel, daß wir sie bereits schon jetzt fangen können -«

»Wann sie nun nix mehr thut! Wo willst sie dann fangen?«

»Wir brauchen nur in ihrem Versteck aussuchen zu lassen. Da wird genug funden werden, um ihr zu beweisen, daß sie dera Samiel ist. Und sodann mußt auch noch an die Hauptsach denken. Mit dem, was ich ihr sagt hab, hab ich sie ängstlich machen wollt. Wann Einer ängstlich wird, so verliert er die kalte Ueberlegungen und begeht viel leichter eine Unvorsichtigkeiten!«


// 1924 //

»Das mag wohl sein; aberst ich denk, daß sie keine Unüberlegtheit thun wird, sondern sie wird von nun an lieber gar nix thun. Als sie Dich fragt, wo dera Samiel wohnt, hast sagt in Kronsdorf. Da muß sie doch gleich wissen, daßt den Kronenhof meinst.«

»Jetzunder bist in diesem Augenblick mal gescheidter als sie. Ich habs ihrer Stimme und Antwort angehört, daß sie das nicht denkt hat.«

»Und nachhero das von den Hundert, die zu ihrer Bande gehören. Da hast sagt, daß auf die beiden Nullen gar nix ankommt. Wann man diese von dera Hundert wegstreicht, so bleibt nur noch Eins übrig, also besteht ihre Bande nur aus einem einzigen Menschen, nämlich dem Bastian.«

»So hab ichs freilich meint.«

»Und sodann hast von dem guten Gemüth sprochen, woraus man fast meinen könnt, daß er ein Frauenzimmer sei. Ist das nicht deutlich genug?«

»Jawohl.«

»Sie muß also wissen, daßt sie für den Samiel hältst.«

»Sie kann es ahnen, und das will ich ja. Das wird sie verwirren, und dann ertapp ich sie viel leichter auf dera That.«

»Nun, wannst meinst, daßt Recht hast, so will ich nix dagegen sagen. Nun aber sprich mal, ob ich unten im Stall bei dem Bastian nicht klug gewest bin?«

»Ja, das war gut, daßt sagt hast, die Bäuerin sei nicht schön mit ihm. Da wird er nicht denken können, daß wir ihn für ihren Verbündeten halten.«

»Und was willst heut Abend noch beginnen?«

»Ich steig wieder auf den Wagen in das Grummet. Da will ich sie beobachten.«

»Wirst nix zu sehen bekommen.«

»Vielleicht doch. Machst auch mit?«

»Ich? Ich muß fort.«

»Wohin?«

»Zu dera Martha.«

»Ach so, ja! Wann willst sie treffen?«

»Zur Mitternacht.«

»Nun, bis dahin kannst mit bei mir sein. Jetzt aberst wollen wir an das Fenstern gehen. Vielleichten ist was zu sehen.«

»Ich glaub halt nicht, daßt da viel entdecken wirst.«

»Das kann mich nicht abhalten, Alles zu thun, was ich für nothwendig halt.«

Sie standen auf und stellten sich an das Fenster, und da zeigte es sich sofort, daß der Sepp Recht gehabt hatte, denn kaum hatten sie diesen Standort angenommen, so sahen sie die Bäuerin schnell über den Hof herüberhuschen, nach dem Stalle zu.

Es war so heller Mondschein, daß man sie ganz deutlich erkannte. Es gab auf dieser Seite des Hofes keine schattige Stelle, welche sie benutzen konnte,


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um unbemerkt den Stall zu erreichen. Drüben aber, am Hauptgebäude, zog sich ein breiter Schattenstreifen hin, in welchem auch der Grummetwagen stand.

»Schau, da kommt sie!« sagte der Sepp. »Hab ich Recht habt oder nicht?«

»Da hasts freilich richtig errathen.«

»Sie muß was vorhaben.«

»Das brauchst deshalb nicht zu denken.«

»Nun, warum geht sie zum Bastian?«

»Vielleicht wills ihm einen Befehl geben, was morgen früh geschehen soll.«

»Das hätts Dir auch sagen konnt. Und warum gehts nicht langsam über den Hof? Warum huschts so scheu und vorsichtig herüber?«

»Das fallt mir freilich auf.«

»Ich will mit wetten, daß dera Samiel heut noch was vor hat. Wollen schauen, was sie thut, wanns beim Bastian gewest ist.«

Sie warteten eine ziemliche Zeit, um zu sehen, wohin sie sich wenden werde. Da plötzlich knarrte es draußen.

»Pst!« flüsterte der Sepp. »Hasts hört?«

»Ja.«

»Das war auf dera Treppen.«

»Es ist da eine Stuf, welche knarren thut. Wer mag es sein?«

»Hat Jemand hier oben was zu suchen?«

»Nein.«

»So ists dera Bastian, welcher sehen soll, ob wir schlafen. Hast die Thür verschlossen?«

»Nein, noch nicht.«

»Dann schnell hinein ins Bett!«

»Er wird doch nicht hereinkommen?«

»Es ist ihm schon zuzutrauen.«

Sie krochen behend in die beiden Betten und deckten sich so zu, daß nicht zu sehen war, daß sie nur die Jacken und Westen ausgezogen hatten.

Es blieb eine Weile ruhig. Dann war es ihnen, als ob ein leiser Luftzug zu fühlen sei. Der Mond schien zu dem kleinen Fenster herein, aber blos bis zur Thüre der Kammer, so daß die Thür im Dunkeln lag. Da erklang Bastians leise Stimme:

»Fritz!«

Der Gerufene antwortete natürlich nicht.

»Fritz! Sepp!« ertönte es lauter.

Nun, als auch jetzt keine Antwort erfolgte, blieb es still. Bastian hatte sich überzeugt, daß die Beiden eingeschlafen seien. Ein leises, kaum vernehmliches Knacken verrieth, daß er hinausgeschlichen war und die Thüre hinter sich zugemacht hatte. Dann knarrte die betreffende Treppenstufe wieder.

»Jetzt ist er fort,« sagte der Sepp. »Wir können wiederum heraus.«

Sie stiegen aus den Betten, und der Knecht meinte:


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»Das ist freilich stark! Sich bis in die Kammer zu uns herein zu wagen!«

»Das ist kein Wagniß.«

»Wann wir nun noch wach gewest wären und ihn derwischt hätten!«

»So hätte er irgend einen Befehl an Dich auszurichten habt. Die Beiden haben dies gar schön besprochen. Er wirds dera Bäuerin sagen, daß wir schlafen. Schau, er hat es schon than, denn da geht sie wieder über den Hof hinüber. Sie nimmt sich auch gar nicht so in Acht wie vorher. Sie glaubt also, vor uns sicher zu sein. Die Beiden haben irgend etwas vor. Was das ist, das müssen wir derfahren.«

»Aber wie?«

»Wir steigen auf den Wagen und schauen in die Kammer dera Bäuerin.«

»Das geht jetzunder noch nicht. Sie würden uns sehen, weils zu hell ist.«

»Das ist freilich wahr. Wann wir über den Hof hinüber gehen, so müssen sie uns ganz deutlich sehen. Ja, wann, wann es einen andern Weg geben thät.«

»Hm! Ich wüßt wohl einen.«

»Welchen?«

»Gleich unter dera Treppen hier ist dera Holzstall. Von da geht ein Laden hinaus in den Garten. Wann wir da hinaus steigen, können wir uns hinter dera Scheun herumschleichen bis hinüber zum Haus, wo wir in den Schatten kommen.«

»So thun wirs gleich!«

»Ja, gut. Aberst dera Bastian könnt im Stall doch die Stufe hören, welche an dera Trepp knarren thut. Es ist die dritte von oben herab. Steig über dieselbige hinweg. Was machen wir aber mit unsera Kammerthür?«

»Die wird verschlossen. Wir müssen gewärtig sein, er kommt nochmals aufi und sieht da, daß wir nicht drinnen sind.«

»Aberst wanns nun auf einmal verschlossen ist, wirds ihm auch auffallen.«

»Wir haben später daran denkt, daß sie auf ist und haben nachhero zumacht. Komm!«

Sie kleideten sich an und verließen die Kammer. Nachdem Fritz dieselbe verschlossen hatte, steckte er den Schlüssel zu sich. Sie gelangten in den Holzstall und von da durch den Boden in den Garten. Der Sepp schritt voran und Fritz folgte. Sie befanden sich im Schatten. Rechts um die Ecke biegend, gelangten sie hinter die Scheune, welche ein Seite des viereckigen Hofes bildete. Sie schritten an derselben entlang. Sie war durch einen offenen Gang in zwei Hälften getheilt, der Tenne und dem sogenannten Pansen. Durch diesen Gang gelangte man aus dem Hof in den Garten. Hier mußten die Beiden durch.

Sepp, als der Voranschreitende, trat zuerst in den Gang. Er hatte aber


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noch nicht drei Schritte gethan, so drehte er sich schnell um, ergriff Fritz am Arme und riß ihn zurück, aus dem Gang hinaus.

»Was hast?« fragte der Knecht.

»Dera Bastian! Schnell hinter den Busch an dera Scheunenwand.«

An der Hinterwand der Scheune wucherte ein dichter Hollunder, hinter welchem die Beiden sich schleunigst niederduckten.

»Hast ihn genau sehen?« flüsterte Fritz.

»Ja. Er kam über den Hof herüber und grad auf den Gang zu.«

»So muß er auch Dich erblickt haben.«

»Nein. Er befand sich im lichten Mondscheine, wir aberst waren im dunkeln Gange. Horch!«

Sie hörten Schritte. Dann sahen sie den Blödsinnigen aus dem Gange in den Garten treten. Er blieb stehen und blickte sich um, kaum vier oder fünf Schritte von den Beiden entfernt.

»Schau, was hat er in dera Hand?« raunte der Knecht dem Sepp zu.

»Einen Stock.«

»Nein. Das ist länger und stärker als ein Spazierstock. Das ist fast wie ein langer Schaufelstiel.«

»Ein Schaufelstiel ist gebogen, dieser Stock aber ist gerade. Vielleichten ists gar eine Stockflinten.«

»Das ist möglich. Wann er nur nicht nach dieser Seiten kommt, wo wir kauern. Er müßt uns sehen.«

»Ja. Doch, da läuft er nach dem Gartenzaun. Er steigt hinauf und springt hinaus auf den Weg. Schnell hin! Ich muß wissen, wohin er geht.«

Sie eilten nach dem Zaune und kamen noch zur rechten Zeit, um zu sehen, daß der Bastian quer über den Weg ging und dann in den Rain einbog, welchen vorhin die Bäuerin benutzt hatte, um dem Grafen zuvor zu kommen.

»Wollen wir ihm nach?« fragte Fritz.

»Nein.«

»Man sollt aberst doch wissen, wohin er sich wendet.«

»Dazu haben wir keine Zeit. Wir müssen auf die Bäuerin aufpassen. Sie ist ja die Hauptpersonen. Komm!«

Jetzt kehrten sie zu dem Scheunengang zurück. Im Hofe angekommen, huschten sie nach links an die hintere Seite des Hauptgebäudes hinüber, wo sie sich nun wieder im Schatten befanden. Von da schlichen sie sich zum Wagen hin. Der Sepp begnügte sich nicht damit. Er ging auch nach der Hinterthür, um diese zu probiren. Sie war verriegelt, wie immer des Nachts.

Nun kletterten sie, alles Geräusch vermeidend, auf den Wagen und krochen wieder so weit in das Grummet hinein, daß nur ihre Gesichter aus demselben hervorschauten.

In der Stube und dem Schlafraume der Bäuerin war es dunkel. Dann aber wurde es plötzlich in dem letzteren licht, so plötzlich, daß dieses Licht bereits vorhanden gewesen sein mußte und nicht erst angebrannt wurde.


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»Schau, sie hat doch Licht und ist hier oben,« flüsterte der Sepp. »Siehsts, wo sie war?«

»Ja, im Versteck. Sie kommt aus dem Schrank heraus.«

Die Bäuerin stellte, als sie aus dem Schrank getreten war, das Licht auf den Tisch und beschäftigte sich mit einem kleinen Gegenstande, welchen sie in der anderen Hand gehabt hatte.

»Siehsts, was sie hat?« flüsterte der Sepp.

»Ja, einen Revolver.«

»Sie ladet ihn. Sappermenten, da hat sie wohl schlimme Absichten!«

»Vielleicht brauchts ihn nur, um sich zu vertheidigen, wann man sie fangen will.«

»Möglich. Wollen weiter sehen.«

Aber sie bekamen zunächst nichts zu sehen, denn die Bäuerin blies das Licht aus.

»Sollts schlafen gehen?« meinte der Fritz.

»Nein. Da hätts sich vorher entkleidet. Dera Bastian ist fort, ihr voran. Sie wird ihm folgen.«

»Wollen wir ihr nach?«

»Das weiß ich noch nicht!«

»Wann wir ihr folgen wollen, dann müssen wir jetzund vom Wagen herab, denn sie wird zu dera Hinterthüren herauskommen. Da sind wir nachhero gleich hinter ihr her.«

»Gut, wollen also - - halt! Wieder schnell hinein!«

Sie hatten sich bereits mit dem Oberkörper aus dem Grummet erhoben, fuhren aber augenblicklich wieder tief hinein, denn die Bäuerin öffnete ihr Fenster und blickte heraus.

Sie verharrte wohl fünf Minuten lang in ihrer lauschenden Stellung. Dann öffnete sie auch den anderen Fensterflügel. Sie ließ etwas zur Erde nieder und trat denn wieder zurück.

»Was hats herunterworfen?« meinte Fritz.

»Weiß es nicht. Dera Schatten läßt einem nicht genau sehen. Pst! Da ist sie wieder!«

Jetzt sahen sie zu ihrem Erstaunen, daß die Bäuerin aus dem Fenster stieg. Schnell und gewandt wie ein geübter Turner. Als sie sich außerhalb befand, zog sie die beiden Fensterflügel heran und glitt zur Erde nieder. Ein Rauschen wie von einem Stricke, welcher sich an einem Balken reibt, war zu hören; die Fensterflügel öffneten sich ein Wenig wieder, als ob Etwas zwischen ihnen hindurchgezogen werde, und dann glitt die Bäuerin fort, am Hause hin, in den Scheunengang hinein und hinaus in den Garten.

Das war so schnell geschehen, daß es kaum so schnell erzählt werden kann.

»Sapperment! Wie ist sie denn da herabkommen?« meinte der Fritz.

»An einem Strick, wie es scheint.«

»So muß es sein. Aberst ich denk, wir wollen ihr nach?«


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»Das ist noch unbestimmt. Wenigstens muß ich sehen, wohin sie ist.«

Er glitt blitzschnell vom Wagen herab, und Fritz folgte ihm. Sie eilten nach der Scheune und durch den Gang hinaus in den Garten. Da sahen sie eben die Bäuerin über den Zaun springen. Als sie an denselben gelangten und durch die Latten blickten, bog sie nach eben demselben Raine en, welchem vorhin der Bastian gefolgt war.

»Hab mirs denkt,« sagte der Sepp. »Sie macht ihm nach.«

»Aber wohin?«

»Wer kann das wissen!«

»Wär es nicht gut, wann wir es zu derfahren suchten?«

»Ja, das wär schon gut; aberst wir werdens nicht derfahren.«

»Warum nicht? Wir brauchen ihr ja nur zu folgen.«

Der Sepp schaute nachdenklich durch die Latten hinaus, lachte leise vor sich hin und antwortete:

»Da hast freilich Recht. Also lauf ihr nach! Versuchs doch mal!«

»Du nicht mit?«

»Nein. So dumm bin ich nicht. Siehst denn nicht den Mondschein, daß es fast tageshell ist? Wannst ihr nachlaufst, so brauchts sich nur mal umzuschauen, so sieht sie Dich sofort. Dann ists gefehlt.«

»Man muß sich nur fern genug von ihr halten.«

»Du wirst sie bald aus dem Aug verlieren, besonders wann sie an den Wald gelangt ist. Nachhero stehst bei denen Bäumen, sperrst das Maul aufi und weißt nicht, wohinst gehen sollst, ob rechts, ob links oder grad aus.«

»Hm! Das ist dumm! Aber Du hast Recht.«

»Es ist also am Besten, wir bleiben hier.«

»Ich muß doch fort.«

»Schon! Ist die Zeit bereits da?«

»Es wird bald Mitternacht sein.«

»So nimm Dir wenigstens noch die Zeit, nochmals mit zurück zu kommen. Wir müssen sehen, wie sie aus dem Fenster zur Erde gelangt ist.«

Sie kehrten zu dem Wagen zurück und traten grad unter dem Fenster an die Mauer. Es war nichts zu sehen.

»Sappermenten! Ich hab fast glaubt, daß hier ein Seil herabhangen werd.«

»Ein Seil nicht, aberst eine Schnur,« antwortete Fritz, welcher mit der Hand an der Wand hingestrichen und dabei die Schnur zwischen die Finger bekommen hatte.

»Zeig her!«

Der Knecht gab sie dem Sepp in die Hand. Dieser prüfte sie und sagte erstaunt:

»An diesem Bindfaden kann sie doch nicht herabstiegen sein! Der ist viel zu dünn. Meinst nicht auch?«

»Ja. Der wär ganz sicher zerrissen.«


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»Natürlich. Man braucht ja nur zu versuchen, mal daran zu ziehen, so sieht man sogleich - - - Himmelsakra!«

Er sprang zurück und drehte sich schnell um. Er glaubte, von irgend Jemand einen Hieb auf den Kopf erhalten zu haben. Sein Hut war ihm herunter geschlagen worden. Aber zu seinem Erstaunen erblickte er keinen Menschen.

»Da schlag dera Teuxel hinein!« sagte er. »Es ist Niemand hier!«

»Wer soll denn da sein?«

»Der natürlich, der mich über den Kopf haut hat. Dera Kerl muß sich hinter den Wagen steckt haben.«

Er wollte fort, um dort nachzuschauen, doch Fritz hielt ihn zurück.

»Bleib! Hast denn nicht merkt, wers gewesen ist?«

»Nein.«

»Schau her. Hier hängts.«

Er deutete nach der Mauer. Da, wo vorhin nur die Schnur sich befunden hatte, hing jetzt eine Strickleiter herab.

»Sappermenten! So war diese es, die mir auf den Kopf fallen ist?«

»Ja.«

»Na, so ists gut! Besser konnts ja gar nicht kommen. Da können wir also nun aufi und die Geschichten recht genau betrachten. Gehst natürlich mit?«

»Ja. Aberst eine dumme Geschichten ist es doch, Sepp.«

»Warum?«

»Wann die Bäuerin zurückkommt und die Strickleiter hangen sieht, so wird sie gleich wissen, daß wer dagewest ist.«

Der Alte kratzte sich.

»Verdammt! Ja, da hast freilich Recht. Wie ist die Leiter wieder hinauf zu bringen!«

»Möglich muß es sein.«

»Vielleicht.«

»Sogar sehr leicht.«

»Wieso?«

»Weils die Bäurin auch hinaufbracht hat. Und das ist schnell gangen; nur einen Augenblick hats dauert.«

»Hm! Vielleichten mit dera Schnuren. Wo ist sie denn?«

Er suchte nach ihr; sie war nicht mehr da; aber an ihrer Stelle gab es eine zweite, welche, wie der Sepp merkte, durch Oesen an der Strickleiter emporlief.

»Da ist ein anderer Bindfaden,« sagte er. »Wills mal versuchen.«

Er zog. Der Erfolg war ein augenblicklicher. Nämlich die Schnur wurde ihm aus der Hand gerissen, die Strickleiter fuhr empor, und an ihrer Stelle kam der Bindfaden wieder herab, welcher zuvor herabgehangen hatte.

»Sapperment!« kicherte der Alte erfreut. »Da haben wirs. Das ist ja eine ganz richtige Maschinerie. Zieht man an diesem Faden, so kommt die


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Leiter abi, und zieht man an dem anderen, so geht sie wiederum aufi. Das hat die Bäurin sich sehr gut aussonnen.«

»Aberst warum!« meinte Fritz. »Warum steigt sie zum Fenster heraus!«

»Warum? Dumme Frag! Kann sie denn durch die Mauer heraus?«

»Nein; aberst zur Hinterthüren.«

»Ja, das ist schon wahr. Aberst das ist zu gefährlich für sie. Wie leicht könnte sie da mal entdeckt werden. Sie kann die Thür doch nicht von außen wieder zumachen. Sie müßt sie also auflassen, und das thät natürlich auffallen.«

»Hm! Da hast Recht. Und wann Jemanden bemerken thät, daß die Thür auf ist, so thät er sie natürlich zumachen. Dann könnt die Bäuerin nicht wieder herein, wann sie zurückkäm. Dann wär Alles verrathen.«

»Siehst also, wie schlau sie ist! Jetzt aberst wollen wir aufisteigen.«

»Probir erst mal, obs Dich hält.«

»Jedenfalls. Es geht.«

Er hing sich an die Leiter, und da sie nicht zerriß, so vertraute er sich ihr an und stieg hinauf und zum Fenster hinein.

»Komm nach! Es geht halt prächtig,« flüsterte er herab.

Bald stand auch Fritz in der Schlafstube.

»Nun suchen wir das Licht,« meinte der Sepp. »Als sie es verlöschte, stand es da auf dem Tisch.«

»Ists nicht gefährlich, das Licht anzubrennen?«

»Nein.«

»Wann man uns sieht!«

»Wer soll uns sehen. Alle schlafen hier auf dieser Seit, und dera Bastian ist mit dera Bäuerin fort. Es ist ja gar Niemand da, der uns sehen könnt.«

»Wann sie nun indessen zurückkehrt!«

»So ists auch kein Unglück. Sie hätte da alle Ursach, zu verschrecken, nicht aber wir.«

»Na, ganz wie Du denkst. Da ist das Licht auf dem Tisch, auch Streichhölzern dazu.«

»Brenn an! Wir müssen sogleich die Strickleitern empornehmen, damit Niemand zu uns aufi kann.«

Als nun das Licht brannte, sahen sie, daß die Strickleiter mit den beiden erwähnten Schnuren über eine Doppelrolle lief, welche an das eine Bein des Bettes befestigt war. Die Vorrichtung war eine ganz einfache. Durch die eine Schnur wurden die Rollen auf- und durch die andere abgedreht; so kam es, daß die Strickleiter ganz leicht auf- und abbewegt werden konnte. Der Sepp nahm sie herein.

»So!« sagte er. »Und nun schaun wir uns das Versteck an.«

Er trat zu dem Schranke und fand zu seine Freude, daß der Schlüssel steckte.

»Das ist sehr gut! Das kann mich gefreun!« lachte er. »Die Bäuerin


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ist doch nicht so klug, wie ich dacht hab! Laßt uns da den Schlüssel stecken! Das ist doch eine große, große Unvorsichtigkeiten!«

»Sie hat doch nicht denken konnt, daß Jemand einsteigt bei ihr!«

»Wann sie klug wär, thät sie auch an diesen Fall denken. Man sollt ihr doch gleich eine tüchtige Maulschellen geben. So ein Frauenzimmern hat doch niemals die Gedanken richtig beisammen!«

»Was räsonnirst denn! Für uns ist das doch sehr vortheilhaft!«

»Magst Recht haben, und doch kann ich mich über eine solche Unvorsichtigkeiten so erbosen, daß ich gleich mit denen Füßen dreinspringen möcht. Na, wir wollen uns mal Platz machen.«

Der jetzt offene Schrank hing voller Kleidungsstücke. Sepp gab Fritz das Licht zum Halten und schob die Kleider zurück und auseinander.

»Sapperment! Da ists ja zu!« sagte er.

Jetzt war nämlich eine Hinterwand vorhanden.

»Hast denn denkt, daß es aufi ist?« fragte Fritz.

»Natürlich! Die Bäuerin ist ja da hindurchgangen. Nun ist aberst gar eine Rückwand am Schranke.«

»Sie wird sich öffnen lassen.«

»Ja, ganz gewiß! Laß schauen! Leucht mal her. Es muß ein Schloß da sein, ein Riegel oder sonst was.«

Er suchte, aber vergebens. Die Hinterwand schloß sich fest an den Boden, die Decke und die Seitentheile. Es war keine Spur irgend einer Vorrichtung zu sehen, durch welche sie geöffnet werden konnte.

»Donnerwetter! Das ist mir unbegreiflich!« fluchte der Sepp. »Hindurch kann man; das ist gewiß. Dahinter ists hohl. Horch!«

Er klopfte, und es war allerdings dem Tone anzumerken, daß der Schrank nicht an einer Mauer stand.

»Wer soll das begreifen! Da steht mir doch dera Verstand still!« brummte Sepp.

»Ich weiß auch keinen Rath!«

»Das glaub ich wohl. Aberst wollens doch mal versuchen. Schau Du mal nach. Vielleicht findest durch Zufall, was ich nicht funden hab.«

Nun untersuchte der Knecht den Schrank, aber auch vergeblich.

»Weißt,« sagte er, »wollens heut lassen!«

»Das fallt mir nicht ein.«

»Wir haben für heut bereits genug derfahren. Wollen zufrieden sein.«

»Aberst ich bin einmal darauf versessen, das Versteck zu finden!«

»Laß es sein! Du weißt, wo es liegt. Damit kannst Dich einstweilen begnügen. Später, wann wir wieder hier sind, werden wir entdecken, wie die Wand aufzumachen ist.«

»Ich möchts aberst heut derfahren!«

»Dann bemerkt die Bäuerin, daß Jemand hier gewest ist.«

»O, die kommt nicht sogleich zurück. Die ist hinaus in den Wald.«


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»Aberst wir verbrennen ihr hier das Licht. Wann sie heim kommt und das sieht, so schöpft sie Verdacht.«

»Hm! Das ist freilich wahr. Also müssen wir die Geschicht lassen bis ein anderes Mal, wo wir Licht mit haben.«

Er schloß den Schrank wieder zu und begann, in der Schlafstube und dem vordern Zimmer sich genau umzuschauen. Es war nicht das Mindeste zu entdecken, was darauf hätte weisen können, daß hier der Samiel wohne.

»Vorsichtig ist sie doch,« sagte er. »Wann wir nur durch den Schrank könnten. Da liegen sicherlich die Beweise, welche wir suchen.«

»Natürlich! Hier aber findet man nix, als höchstens das Eine - hier das Bett.«

Fritz deutete auf das Bett, welches aufgeschlagen war. Decke, Betttuch und Unterbette waren zur Seite geschlagen.

»Was ists denn?« fragte Sepp.

»Das siehst nicht?«

»Daß Niemand drin im Bett liegt, das seh ich schon!«

»Ja, das sieht auch ein Blinder. Aberst schau mal da her! Da ist eine Spannfedernmatratze, und darauf liegt eine Strohmatratze. Zwischen denen Beiden ist diese Stelle hier eingedrückt. Warum?«

»Ah, ja! Jetzunder weiß ich, wast meinst. Hier zwischen denen beiden Matratzen versteckts die Strickleiter am Tag, wanns sie nicht brauchen thut.«

»Ganz recht. Das ist doch wenigstens Etwas, was wir entdeckt haben.«

»Kann uns aberst nicht viel helfen. Doch wart nur, wann ich wiederkomme! Da werd ich mir Licht genug mitbringen. Für heut muß man es lassen.«

Er blies das Licht aus und setzte es an die gehörige Stelle. Dann ließ er die Strickleiter hinab. Fritz mußte zuerst hinuntersteigen, und dann folgte der Alte. Draußen zog er die beiden Fensterflügel zusammen, ganz so, wie die Bäuerin es gemacht hatte. Da er nun die Mechanik der Leiter kannte, war es ihm, als er unten angekommen war, leicht, sie emporzuschaffen, so daß die Bäuerin bei ihrer Rückkehr Alles genau so fand, wie sie es verlassen hatte.

»Nun muß ich aberst fort,« sagte Fritz. »Was thust Du indessen?«

»Ich bleib natürlich hier. Ich versteck mich wiederum auf den Wagen ins Grummet hinein und wart, bis dera Samiel wiederkommt. Vielleichten giebt er mir eine Gelegenheiten, etwas Neues zu schauen oder zu derfahren. Es kann auch sein, wann ich genau aufipaß, daß ich dann seh, wie dera Schrank hinten geöffnet wird.«

»Wollen es hoffen. Mach nur die Augen aufi!«

»Das brauchst mir gar nicht zu sagen, denn das thu ich schon ganz von selberst. Und Du, wann wirst zurückkommen?«

»Ich werd nicht lange bleiben. Wir gehen zum Holzknecht, dessen Weib krank ist.«

»Willst ihr was bringen?«


// 1934 //

»Ja. Ich hab ein Brod und Wurst und Anderes im Dorf kaufen wollen, um es ihr zu geben, aberst da ich keine Zeit dazu funden hab, weil am Nachmittag gar so viel passiren that, so will ich ihr dafür ein kleines Geldl geben.«

»Ja, ein kleines,« lachte der Sepp. »Ein großes wirst wohl nicht zusammenbringen.«

»Weil ich meinen Lohn stets auf die Sparkassen tragen hab, so hab ich nicht viel im Beutel. Da hast Recht.«

»Wie viel willst ihr denn geben?«

»Vielleichten drei Mark oder fünf. Mehr kann ich nicht abthun.«

»Damit ist denen Leutln auch nicht viel geholfen, denn auch er ist krank.«

»Wie? Du kennst sie?«

»Ja. Es ist ein braves und armes Völkle. Weißt, ich werd Dir auch was dazu geben.«

»Das wollt ich wohl mit Dank besorgen.«

»So komm her und mach die Hand aufi.«

Er zog seinen alten Beutel, suchte drei Goldstücke hervor und gab sie dem Knecht. Dieser befühlte das Geld mit den Fingern, um zu erfahren, wie viel es sei. Da er aber nicht recht klug werden konnte, so trat er aus dem Schatten in den Mondenschein und sah es sich an.

»Du, Sepp,« sagte er, »Du hast Dich ganz gewiß vergriffen.«

»Wieso?«

»So viel hast nicht geben wollt.«

»Meinst?«

»Ja. Es sind zwei Zwanzigmarkerln und ein Zehnmarkstückerl.«

»Grad so viel wollt ich geben.«

»Aberst Du - fünfzig Mark!«

»Halts Maul! Hast heut ja sehen, daß ich ein Geldl verborgen und auch verschenken kann. Nimms nur hin!«

»So vergelts Gott, lieber Sepp! Die Leutln werden eine Himmelsfreud haben, wanns das empfangen.«

»Und ich freu mich mit. Aberst sag ja nix, daß es von mir ist!«

»Ich muß es doch sagen!«

»Nein, kein Wort!«

»Sonst denkens doch, es sei von mir!«

»Das mögens denken!«

»Mit fremden Federn mag ich mich nicht schmücken.«

»So sag, wast willst, aberst mich laß aus dem Spiel. Wannst ihnen meinen Namen nennst, so bist mein Freund gewest. Das kannst Dir merken.«

»Bist ein besonderbarer Kerlen! Doch will ich Dir den Willen thun.«

»So mach, daßt nun fortkommst!«

»Gut! Das laß ich mir nicht mehrere Male sagen. Also, wann ich wiederkomm, da treff ich Dich auf dem Wagen?«

»Ja, doch nimm Dich in Acht, damit nicht gesehen wirst und auch


// 1935 //

mich nicht verrathen thust dabei. Die Beiden könnten schon vor Dir wiederkommen sein.«

»Ich werd mich schon so an den Wagen schleichen, daß mich Niemand bemerken kann.«

»So mag es sein. Grüß mir auch die Martha, und sag ihr, daß ich den Brautherrn machen möcht. Sie soll sich also beeilen und Dir das Jaworten geben.«

Er stieg auf den Wagen, und Fritz ging fort, durch den Scheunengang. Er stieg grad da, wo vorhin der Bastian und die Bäuerin über den Zaun gesprungen waren, auch über denselben und ging dann quer über einige Wiesen, um an den von Martha bestimmten Ort zu gelangen, ohne von irgend Wem gesehen zu werden.

Als er denselben erreichte, war sie noch nicht da. Er setzte sich unter einen Baum und wartete, im Dunkel des Schattens verborgen. Der Weg führte da vorüber, rechts nach dem Dorfe und links nach dem Forsthause.

Er hatte noch nicht fünf Minuten da gesessen, so hörte er von rechts her ein leises Geräusch. Er horchte aufmerksam hin. Es schien sich nicht zu nähern, aber auch nicht zu entfernen, und doch klang es, als seien es langsame, leise Schritte.

Um seiner eigenen Sicherheit willen mußte er nachsehen, was es sei. Er stand also auf und schlich sich auf das Vorsichtigste hin, etwas tiefer in den Wald hinein und sodann parallel mit dem Wege fort.

Er kam näher und näher. Dann blieb er halten und legte sich auf den Boden nieder. Er kroch auf Händen und Füßen weiter und konnte nun gegen den lichten, vom Monde beschienenen Streifen, welchen der Weg bildete, eine weibliche Gestalt erkennen, welche neben diesem Wege unter den Bäumen auf und nieder schritt.

Schon wollte er aufspringen und hervortreten, denn er dachte, daß Martha es sei, da hustete die Gestalt zu seinem Glücke, und gleich darauf hörte er in gedämpftem Tone die ungeduldigen Worte:

»Himmeldonnerwetter! Der Kerl kommt weiß Gott noch immer nicht! Ich könnte ihn zerreißen.«

Er sah, daß das Frauenzimmer dabei die Erde mit dem Fuße stampfte, ganz in der ihm bekannten Art und Weise, in welcher die Kronenbäuerin dies that, wenn sie sich in Zorn befand.

Auch ihre Stimme war es gewesen. War die Bäuerin wirklich da, oder täuschte er sich? Er mußte Gewißheit haben. Darum kroch er noch näher, fast zu nahe für seine eigene Sicherheit. Sie ging jetzt kaum vier Fuß entfernt an ihm vorüber. Ein Mondesstrahl drang durch die Wipfel und fiel auf ihr Gesicht. Sie war es!

Was wollte sie da? Auf wen wartete sie? Wen hatte sie bestellt? Etwa den Förster, mit welchem sie heut ja so lange gesprochen hatte?

Er sollte sofort Antwort erhalten auf diese Fragen, denn von links her kamen jetzt eilige Schritte. Sie hielten mitten auf dem Wege, grad da, wo die Bäuerin daneben unter den Bäumen stand.


// 1936 //

»Kätherl?« ertönte es halblaut.

»Ja,« antwortete sie.

»Wo bist?«

»Hier, links.«

»Komm heraus!«

»Daß man uns sieht! Komm lieber herein unter die Bäumen!« Er trat zu ihr herein. Fritz erkannte an der Kleidung sogleich den Förster.

»Gott sei Dank! Endlich!« sagte dieser.

»Ja, endlich!« zürnte sie. »Wannst nun nicht kommen wärst, hätt ich keinen Augenblick länger wartet. Denkst denn, ich bin eine Einlegpuppen, daßt mit mir machen kannst, wast willst! Wannst nicht Wort halten kannst, so brauchst mich nicht zu bestellen.«

»Sei ruhig, Kätherl! Ich kann ja gar nix dafür!«

»Und Du sei still! Das ist eine Ausreden, die bei mir nix gelten thut. Bei so was kann man wohl dafür.«

»Nein, gar nix. Ich bin unschuldig.«

»So! Und wer trägt da denn die Schuld?«

»Dera Oberlieutenant.«

»Der? Warum?«

»Du weißt doch, was mit ihm schehen ist? Deine Leut haben ihn ja funden.«

»Ja, sie haben es mir verzählt.«

»Ists nicht schauderhaft von dem Samiel?«

»Ein großmächtiges Wagnissen ists von ihm. Das ist wahr.«

»Am Wege, mitten zwischen dem Dorf und meiner Förstereien den Grafen anzufallen, auszurauben und auch noch dazu an den Baum zu binden!«

»Ja, es ist erstaunlich! Aberst was hat das damit zu thun, daßt mich hier warten lässest?«

»Sehr viel. Dera Graf hat vom Samiel einen Hieb auf den Kopf erhalten. Dein Tagelöhner bracht ihn zu mir und ging darauf wiederum fort. Der Offizier hat glaubt, daß dieser Hieb ihm nix schaden werde; bald aberst ists ihm ganz schlimm und übel worden; es ist ein Schwindel kommen, und er hat sich niederlegen müssen.«

»Was!« erklang es in einem Tone, als sei sie darüber erschrocken.

»Brauchst nicht zu verschrecken. Es ist nicht lebensgefährlich. Wann er diese Nacht hübsch ruhig schläft, ists morgen wieder gut.«

»Das gefreut mich sehr. Wo liegt er denn also?«

»Bei mir, in meiner Stuben.«

»Wo Du selberst schläfst?«

»Ja.«

»Sappermenten!«

Das klang so, als ob sie es zwischen den Zähnen hindurchstoße.

»Was hast denn? Aergerst Dich?«

»Freilich!«


// 1937 //

»Warum denn?«

Sie antwortete nicht sogleich. Sie durfte es sich doch nicht merken lassen, welch einen Strich durch ihre Rechnung er ihr machte, daß nun der Graf in der Stube schlief, aus welcher sie das Geld hatte holen wollen. Doch fand sie eine passende Antwort:

»Ich muß mich gar wohl ärgern, denn ich hatte mich gar sehr auf diese Stuben gefreut.«

»Auf die Stuben? Aus was für einem Grunde denn?«

»Weil ich denkt hab, ich könnt mit Dir ein Wenig hinaufi gehen, wann nachher Dein Dienst zu Ende ist.«

»Das hast wollt, wirklich?« fragte er im Tone der Freude.

»Ja. Du hörsts ja, daß ich es sage.«

»Das hab ich mir freilich nicht denkt.«

»Ich aberst habs mir so aussonnen habt. Wir hatten uns heut zankt, und waren dann wieder einig worden. Hätten wir sodann, wann Dein Nachtdienst beendet war, ein Wenig hinaufi in Deine Stuben schleichen konnt, so hätten wir die Versöhnung viel besser feiern können als wann wir so im Wald herumilaufen.«

»Kätherl, liebes Kätherl! Was bist doch für ein prächtig Weib! Komm her! Ich muß Dich umarmen.«

Sie umschlagen sich, und Fritz vernahm das Geräusch kräftiger Küsse.

Es schüttelte ihn. Dieses Weib, seine eigene Stiefmutter, hatte ihm einen Liebes- und Heirathsantrag gemacht.

»Laß gut sein!« mahnte sie nach einer Weile. »Hat denn dera Graf Dir gar so viele Arbeiten macht, daßt erst so spät fortkommen konntest?«

»Ich bin schon längst fort. Weil er im Bett liegt, muß ich seine Stell vertreten und die Posten revidiren. Ich bin gerannt wie ein gehetztes Wild, um wenigstens jetzt hier einzutreffen. Ich hoffe, daß Du mir verzeihen wirst.«

»Wanns so ist, kann ich Dir freilich nicht zürnen. Wer ist denn nun bei dem Grafen, der ihn pflegt?«

»Die Martha schaut nach ihm und die alte Magd wird sie dabei unterstützen.«

»Da werdens sehr zu thun haben!«

»O nein. Er wird wohl fest schlafen. Wann Einer einen Hieb gegen den Kopf erhält, so wird er dumm und taub im Gehirn und schläft gar fest. Ich hab auf seinen Befehl sogar die Hunde aus dem Hause schaffen mußt, damit sie ihn nicht stören. Sie sind im Stall einischlossen worden.«

»Da ist die Förstereien ja ohne allen Schutz in dieser Nacht!«

»So schlimm ists schon nicht. Es ist Alles zugeschlossen, und kein Dieb weiß es, daß man durch den kleinen Kuhstall hinein in den Hausflur gelangen kann.«

»Das ist auch eine Unvorsichtigkeiten von Dir. Kann man denn von Außen in den Stall gelangen?«


// 1938 //

»Ja. Es ist innen ein Holzriegel und daneben ein Loch, durch welches man von Außen hineingreift und ihn zurückschieben kann.«

»Und sodann, wann man sich nun im Stall befindet, kann man in das Haus?«

»Ja. Man braucht nur die andere Thür zu öffnen, welche aus dem Stalle in den Hausflur führt.«

»Geht die denn aufi?«

»Es ist nur eine Klinke dran, gar kein Schloß, zu welchem ein Schlüssel gehört.«

»Förster, das mußt ändern lassen! So eine Unvorsichtigkeiten dürft mir in meinem Haus nicht vorkommen.«

»Hast Recht, Kätherl. Ich werd mir morgen, wann ich mein Geld in die Stadt trag, ein gutes Schloß mitbringen und es an die Außenthüre schlagen. Also nun, mein liebes Kätherl, bleiben wir jetzunder beisammen?«

»Ja; dazu bin ich doch wohl kommen. Oder willst etwan nicht?«

»Warum werd ich nicht wollen! Es ist doch mein allergrößtes Glück, Dich bei mir zu haben. Komm mit fort von hier.«

»Nach Deinem Posten, von demt gestern sprochen hast?«

»Noch nicht. Da kommen wir erst später hin. Vorher muß ich hinaufi nach dem Dachsberg, wo zwei Posten zu revidiren sind.«

»Da kann ich aberst doch nicht mit!«

»Warum nicht? Ists Dir zu weit?«

»O nein. An Deiner Seit ist mir kein Weg zu weit. Aberst die Posten werden mich doch sehen, und das dürfens doch nicht.«

»Meinst, daß ich Dich sehen laß! Fallt mir gar nicht ein. Wann ich mit ihnen sprech, bleibst einstweilen hinter dem Busch stehen.«

»Gut! So komm also.«

Sie gingen.

Der Förster ahnte nicht, daß er der Bäuerin förmlich den Weg in sein Haus gebahnt hatte. Erst, als sie hörte, daß der Graf heut Nacht in der Försterei bleiben und sogar in demselben Zimmer schlafen werde, in welchem sich der Gewehrschrank mit dem Gelde befand, hatte sie geglaubt, auf ihr heutiges Vorhaben verzichten zu müssen. In diesem Falle war ihr die hohe Summe verloren, indem der Förster das Geld nur bis morgen bei sich behalten wollte.

Nun aber, da sie hörte, daß der Graf fest schlafen werde, daß keine Hunde in dem Hause seien und daß es einen sicheren Weg in das Innere desselben gebe, war sie entschlossen, nicht auf die Ausführung ihres Planes zu verzichten. Welch eine Wonne für sie, wenn es morgen heißen werde, daß der Samiel dreißigtausend Mark aus einer Stube geholt habe, in welcher der Graf schlief und wo sich sogar die Waffen der Försterei befanden.

Fritz hatte ein jedes Wort vernommen. Es kam ihm Manches unheimlich vor. Warum erkundigte die Bäuerin sich so genau nach dem Eingang


// 1939 //

in das Haus? Der Förster hatte von Geld gesprochen, welches er nach der Stadt tragen wolle. Hatte sie es vielleicht auf dasselbe abgesehen?

Wohl nicht, denn sie befand sich jetzt doch bei ihm. Wie konnte sie da in seine Wohnung eindringen um zu stehlen? Eins war ihm unlieb. Nämlich daß Martha den Grafen zu pflegen hatte. Vielleicht war sie nun abgehalten, heut zu kommen.

Dennoch kehrte er nach der Stelle zurück, an welcher sie ihn erwarten wollte. Diese war nur wenige Schritte entfernt. Wie groß war da die Gefahr gewesen, vom Förster oder der Bäuerin bemerkt zu werden.

Er hatte nicht vergebens gehofft. Bereits nach kurzer Zeit vernahm er schnelle, leichte und leise Schritte. Er befand sich natürlich nicht mitten auf dem lichten Waldwege, sondern er hatte unter den Bäumen gewartet. Er erkannte die Geliebte, welche stehen blieb und sich umschaute. Er trat hervor. Sie erschrak zunächst bei seinem Anblicke; aber als sie ihn erkannte, verwandelte sich ihre Bestürzung in Freude.

»Bist noch da!« sagte sie.

»Wo soll ich sein, wannst mich herbestellt hast, Martha?«

»Ich hab denkt, daßt davon gangen bist, weil ich so spät kommen thu.«

»O nein. Ich hätt wartet bis morgen früh. Ich weiß, daßt gern Dein Wort hältst.«

»Ja, wann ich kann, dann allemalen. Heut aberst wär es beinahe nicht gangen. Ich muß Dir sagen, warum, damitst mir nicht bös bist.«

»Ich bin Dir nicht bös, denn ich weiß es schon.«

»Nein, das kannst nicht wissen.«

»Sogar ganz gut. Meinst doch den Graf?«

»Ja. Ich hab hört, daßt mit dabei gewest bist, als er funden worden ist; Du weißt also, was ihm geschehen ist. Das Weitere aberst kannst nicht wissen.«

»Und dennoch weiß ich es.«

»Nun, was?«

»Daß dera Oberlieutenant bei Euch schläft und daßt ihn pflegen mußt.«

»Wahrhaftig, er weiß es schon!« sagte sie, erstaunt die Hände zusammenschlagend. »Von wem weißt es denn?«

»Von Deinem Oheim.«

»Hättst mit ihm sprochen?«

»Nein. Ich hab ihn belauscht, als er es seiner Liebsten verzählte.«

»Seiner Liebsten? Wen meinst?«

»Weißts nicht?«

»Nein - - nein,« antwortete sie zögernd.

»Martha, Du weißts aber doch. Du willsts mir aber nicht sagen.«

»Weißt denn Du so was?«

»Ja.«

»Nun, so sag mal, wer Diejenige ist, die Du meinst!«

»Meine Bäuerin.«


// 1940 //

»Himmel! Er weiß es auch!«

»Ja, das weiß ich, und auch noch Andere wissen es.«

»Welche Schand!«

»Ja, es ist gar nicht auszusagen! Einen armen, blinden Mann zu betrügen!«

»Und die Beiden haben heut Abend mit nander sprochen?«

»Ja. Sie hatten sich bestellt und zwar gleich hier, zwanzig oder dreißig Schritte vorwärts von uns.«

»Herrgottle! Da hättens uns ja ganz leicht derwischen konnt!«

»Freilich! Es ist ein Glück, daßt so spät kommen bist. Auch dera Förster kam so spät. Die Bäuerin war ganz zornig auf ihn deshalb.«

»So sinds wohl im Zorn ausnander gangen?«

»O nein. Sie hat ihm verziehen, als sie hörte, weshalb er nicht kommen konnt.«

»Und wohin sind sie nun?«

»Hinaufi zum Dachsberg, wo er nach den Posten zu schauen hat. Da geht sie mit!«

»Das ist ja eine Todtsünden!«

»O, es ist eine noch viel größere Sünden, alst Dir denken kannst. Es ist noch viel mehr dabei, alst ahnen magst.«

»Was denn? Du machst mir beinahe eine große Angst.«

»Brauchst keine zu haben!«

»So sags mir, wast meinst!«

»Später, Martha, später! Jetzt ist die Sach noch nicht so reif, daß man von derselbigen zu denen Leutln reden könnt.«

»Du meinst, zu denen fremden Leutln?«

»Ja.«

»Da mußt freilich schweigsam sein. Mir aber kannsts doch sagen?«

»Warum grad Dir?«

»Weil - weil - weil ich doch nicht eine Fremde für Dich bin.«

»Nicht? Was bist denn?«

Sie schwieg.

»Martha, bitte, sag, wast mir bist!«

»Eine - eine - eine Freundin.«

»So! Das glaub ich nicht.«

»O, das kannst glauben.«

»Hasts etwan schon bewiesen?«

»Nein. Aberst gieb mir nur die Gelegenheit, es Dir zu beweisen.«

»Das wird wohl fehlschlagen. Schau, wann man Freund und Freundin ist, so sagt man doch wenigstens einen Gruß und reicht sich die Hand. Hast das than vorhin?«

»Hast Recht, Fritz. Ich hätt grüßen sollt. Aberst alst so da aus denen Bäumen tratst, war ich ganz verschrocken, und nachhero hab ich mich so freut darüber, daß es kein Anderer war. Darum hab ichs ganz vergessen,


// 1941 //

einen Gruß zu sagen. Nun aber will ich es gleich nachholen. Hier hast meine Hand. Grüß Dich Gott, Fritz!«

»So ists recht, Martha! Grüß Dich Gott! Hast Dich also freut, als ich es war?«

»Ja. Nun aberst stehen wir bereits so lange hier. Wollen doch gehen.«

»Jawohl. Aberst ich hab da ein Bedenken. Auf allen Wegen stehen Posten. Wann Einer uns derblickt, muß er uns anhalten. Dann erfährts Dein Oheim, daßt mit mir gangen bist.«

»Er wirds nicht erfahren.«

»Denkst wohl, sie sagen es ihm nicht?«

»Sie werden uns gar nicht sehen. Die Posten sind bei uns ausgeben worden, und ich war dabei. Ich weiß also, wo sie stehen und wie man gehen muß, wenn man keinen treffen will. Kannst also getrost mit mir kommen.«

»O, für mich hab ich keine Sorge, sondern nur für Dich.«

Sie setzten sich in Bewegung; da aber sagte Martha, welche sah, daß er sich ihr mit leeren Händen anschloß:

»Wo hast die Sachen, die Du mitbringen wolltest? Ich hab denkt, Du hast sie hier wohl bei Dir liegen.«

»Ich wollt Einiges mitbringen, doch gab es am Nachmittag so viel zu thun, daß ich gar keine Zeit funden hab, mir was zu besorgen.«

»Das ist schade! Ich hab mich so freut über die Wonne, welche die armen Leutln habt hätten, wannst ihnen auch was hättest geben konnt.«

»Ich werd ihnen was geben und zwar ein Geldl.«

»Das ist auch gut, sehr gut. Das ist ihnen wohl lieber als alles Andere. Zu essen habens bis morgen. Das bring ich ihnen hier im Korbe mit. Von dem Geldl aberst könnens sich kaufen, was sonst nachhero nöthig ist. Wie viel willst geben?«

»Ich hab nicht mehr als fünf Mark heut.«

»O, das ist viel und genug!«

»Denkst wirklich?«

»Ja. Du glaubst gar nicht, welch ein Kapital fünf Mark für solche bluthungerarme Leut sind. Was die sich dafür kaufen, das sollt man gar nicht meinen.«

»Das gefreut mich sehr. Und da hab ich eine noch viel größere Freuden für Dich und für sie.«

»Welche?«

»Das sag ich Dir erst dann, wannst mir auch eine große Freuden machst.«

»Ja, wann ich könnt!«

»Du kannst.«

»So sag es mir.«

»Ich möcht gern haben, daßt Deinen Arm in den meinigen legst.«

»Geh fort!«

»Martha! Willst nicht?«

»Wozu sollt es sein, Fritz?«


// 1942 //

»Hier durch den Wald ists besser man führt sich am Arm. Du kennst den Weg besser als ich. Darum möcht ich gern Deinen Arm in den meinigen haben.«

Sie gab ihm den Arm und er nahm ihn in den seinigen, ergriff dabei ihr Händchen, hielt dasselbe fest, damit sie es ihm nicht entziehen könne und sagte:

»So! Ich dank Dir gar schön, daßt mir die Bitt erfüllt hast. Doch ist es auch noch ein anderer Grund, wegen dem ich Deinen Arm gern haben wollt.«

»Welcher wäre das?«

»Ich hab immer hört, daß es gar so herrlich sein soll, wann man mit einem guten, braven Dirndl so Arm in Arm neben nander geht.«

Da wollte sie ihm den ihrigen wieder entziehen; er aber hielt ihn fest.

»Bitte, laß mich los, Fritz!« sagte sie.

»Warum, Martha?«

»Ich hab mich anderst besonnen.«

»So plötzlich!«

»Ja. Es wird doch wohl besser sein, wann wir einzeln gehen.«

»So! Wer hat denn vorhin sagt, daß sie meine Freundin sei?«

Sie antwortete nicht.

»Nun, weißt nicht mehr, wer das gewesen ist, Martha?«

»Ich,« sagte sie halb laut.

»Meine Freundin! Und jetzt willst mir nicht mal den Arm lassen!«

»Ich thät ihn Dir so gern lassen; aber wannst so redest, so - - -«

»Nun, wie denn?«

»So - so - ganz wie andere Buben, die ich gar nicht leiden mag.«

»Ists das? Wie soll ich denn reden, damitst mich leiden kannst?«

So recht verständig und gesetzt und ehrwürdig.«

»Ja, grad wie ein heiliger Eremit! Nicht wahr, so meinst?«

Er lachte dazu. Sie stimmte leise in sein Lachen ein und antwortete:

»Nein. Ganz und grad so doch nicht. Ich kanns Dir nicht gut sagen, wie ich es gern sagen möcht.«

»Darum ists eben besser, Du sagsts gar nicht. Sag mir lieber, wiests noch hast möglich machen konnt, zu kommen.«

»Das war gar nicht schwer. Dera Oheim und die Jägerburschen sind fort und werden vor dem Morgen nicht wieder kommen. Die merken also nix.«

»Aber die Magd!«

»Die ist auf meiner Seiten.«

»Die weiß es also?«

»Ja. Sie hat mir holfen den Korb einpacken.«

»So weiß sie also auch, wohinst gehst?«

»Ja.«

»Weiß sie auch, daß ich heut bei Dir bin?«

»Nein. Das werd ich ihr doch nicht sagen.«


// 1943 //

»Warum nicht?«

»Weil - weil - - weil - - -«

Sie stockte. Wäre es am Tage gewesen, so hätte er sehen können, daß eine glühende Röthe ihr schönes Gesichtchen überfluthete.

»Weil - weil - - ich weiß, was hast sagen wollen.«

»Nun was denn?«

»Weilst Dich schämst, mit mir zu gehen.«

Sie blieb sofort stehen, ganz als ob sie sehr erschrocken wäre.

»Fritz, das darfst mir nicht anthun. Thät ich jetzt mit Dir gehen, wann ich mich dafür schämen müßt?«

»Es ist ja Nacht, da siehts Niemand.«

»Grad daß ich in dieser Nacht mit Dir geh und mitten im Wald, das muß Dir ein Beweis sein, daß ich mich nicht Deiner schäm. Und warum sollt ich mich denn schämen?«

»Weil ich ein armer Knecht bin.«

»So! Und was bin denn ich?«

»Die Nichte und Erbin des reichen Försters von Kapellendorf.«

»Nein, seine Magd, weiter nix, seine Magd.«

»Dera Arbeit nach, das mag wohl sein, aber seine Verwandte bist doch und also auch seine Erbin.«

»Das werd ich niemals werden.«

»Warum? Hat ers zu Dir sagt?«

»Zu mir nicht, aberst zu dera Kronenbäuerin.«

»Du hast die Beiden wohl mal belauscht?«

»Ja, und zwar in finsterer Nacht in unserm Garten.«

»Hm, ja; das trau ich ihnen wohl zu. Und da habens von dera Erbschaft sprochen?«

»Ja. Sie haben sagt, daß sie sich heirathen wollen, wann dera Kronenbauer storben ist, daß sie dann Kindern haben werden, welche die reichsten in dera ganzen Umgegend sein werden. Und die Bäuerin hat verlangt, daß er mich fortjagen soll.«

»Das ist ihr zuzutrauen. Wohin thätst dann gehen?«

»Wohin sollt ich gehen? Ich hab auf dera Welt außer dem Oheim keine Menschenseel', die sich meiner annehmen möcht. Ich thät mir einen Dienst suchen.«

»Und ich mir auch.«

»Warum Du?«

»Nun, wann dera Förster die Kronenbäurin heirathen thät, so müßt ich auch fort. Das kannst Dir denken.«

»Ja. Er scheint auf Dich eifersüchtig zu sein.«

»Dann thät ich mir auch einen anderen Dienst suchen. Und weißt, bei wem?«

»Nun, wo?«


// 1944 //

»Da, wo Du wärst. Du die Magd und ich dera Knecht, wir Beid in einem Hause und unter einem Dache, das müßt herrlich sein. Nicht?«

Er drückte ihren Arm fester an sich; sie antwortete nicht. Es war ein wehmüthiger Ernst über sie gekommen.

»Du schweigst, Martha? Wärs Dir nicht lieb, wann wir so bei nander wären?«

»Ja, es wär mir freilich lieb. Aberst so weit kommts schon nicht.«

»Warum?«

»Weilst nicht dahin gehen würdest, wo ich bin.«

»Da irrst Dich schon gar sehr.«

»Und soweit ists auch noch gar nicht, daß dera Förster an die Stelle des Kronenbauern kommt, wann dieser storben ist.«

»Warum denkst das?«

»Ich kanns nicht glauben, daß die Bäurin meinen Oheim wirklich lieb hat.«

»Sie geht doch heimlich mit ihm zusammen!«

»Wer weiß, was für einen Grund dies haben mag.«

»Da hast Recht. Jedenfalls hat es einen Grund. Lieben thuts ihn nicht. Weißt, Du bist ehrlich mit mir gewest, und so will ich auch mit Dir aufrichtig sein. Die Bäurin hat mir auch einen Heirathsantrag macht.«

Martha erschrak so heftig, daß sie ihm ihren Arm nicht entzog, sondern förmlich entriß.

»Ists wahr?« rief sie.

»Ja, ich sag Dir natürlich keine Lüge.«

»Wann?«

»Heut, als wir von dera Kapellen mit nander nach Haus gingen.«

»Habs mir denkt!«

»Was, Du hasts Dir denkt?«

»Ich habs ihr ansehen, daß sie Dich lieb hat, sehr lieb.«

»O, das hat doch ganz anders ausschaut, gar nicht nach Liebe. Sie hat ein Gesicht macht wie eine Furie, grad als obs mich fressen wollt.«

»Nein, mich, Dich nicht. Ich bin keine Kluge und Witzige; aberst das ist gleich zu sehen, ob Eine einen Buben lieb hat oder nicht. Wann Sie Dich nicht lieb hätt, könnts ihr doch ganz gleichgiltig sein, wannst bei mir stehst.«

»Das möcht ich beinahe zugeben. Also wär sie auf Dich eifersüchtig gewest?«

»Ja.«

»So muß sie Dich also für ein Dirndl halten, der ich gut sein kann.«

Eine solche Dialectik hatte Martha nicht vermuthet.

»Geh,« sagte sie. »Bist auch ein Spitzfindiger!«

»Nein. Aberst ich geb der Bäurin Recht. Selbst wann Einer sie lieb hätt, könntst ihr gefährlich werden. Um wie viel mehr aberst bei Einem, der sie hassen und verachten muß.«

»Das thust wohl?«

»Ja. Sie ist eine Schlimme, so schlimm und gottlos, wiest gar nicht


Ende der einundachtzigsten Lieferung - Fortsetzung folgt.



Karl May: Der Weg zum Glück

Karl May – Forschung und Werk