>
Wolfgang Hallmann |
Einen Spaziergang wert – die Karl-May-Höhle im Oberwald |
Die Karl-May-Höhle geht auf frühen Erzbergbau
zurück, es handelt sich also nicht um eine Höhle im eigentlichen Sinn,
sondern um einen Stollen, der auf der Suche nach Eisenerz ins
Serpentingestein getrieben wurde. Karl May suchte hier im Jahre 1869
mehrfach Zuflucht. Die Höhle ist vom kleinen Parkplatz am Badteich
durch den die A 4 unterquerenden Tunnel in nördlicher Richtung über den
Steinbruchweg zu erreichen. Das alte Forsthaus, das gleich links hinter
dem Tunnel stand, existiert nicht mehr, es fiel vor Jahren dem
sechsspurigen Ausbau der Autobahn zum Opfer. Am Serpentinitsteinbruch
angekommen, wendet man sich nach links und folgt dem Verlauf des
Pechgrabens und gelangt nach ca. 10 Minuten zur Höhle. Vom Gasthaus
›Zum Fichtenthal‹ führt ebenfalls ein ausgeschilderter, etwa 1,5
Kilometer langer Weg in westlicher Richtung zur Karl-May-Höhle.
Eingang der Karl-May-Höhle im Oberwald, heutige Ansicht.
Ihre romantische Lage hat Karl May in ›Die Rose von Ernstthal‹ (1874) trefflich beschrieben. Er lässt einen Handwerksburschen, der in der Höhle nächtigte, erwachen und aus dem Stolleneingang hinausblicken:
»Es war ein goldener, sonniger Julimorgen.
Längst schon hatte die Feuchtigkeit des nächtlichen Thaues den Weg zum
Aether gefunden; die Wärme des Tages wallte sichtbar um die braunen
Stengel der noch blüthenlosen Erica und erquickender Duft fluthete
durch die Zweige des stillen, geheimnisvollen Waldes.
Die Vögel, ermüdet durch die Morgenabtheilung ihres
täglichen Concertprogrammes, saßen sinnend unter dem grünen Plafond,
durch dessen Öffnung sich das Licht in zauberischen Tönen brach, der
Bach murmelte sein ewiges, einschläferndes Schlummerlied …«
Erstveröffentlichung von ›Die Rose von Ernstthal‹, in: ›Deutsche
Novellen-Flora‹, Verlag von Hermann Oeser, Neusalza 1874.
Jene Eisenhöhle und mindestens einen zweiten
Stollen soll ein Lungwitzer Bürger namens Haugk 1620 in den
Kiefernberg, der inmitten des Oberwaldes liegt, getrieben haben. Der
Chronist Christian Friedrich Marburg notierte im nachhinein: Haugk
»trieb etwa 20 Lachter Stoln (ca. 40 Meter, d. A.), da es ihm an
Unterstützung fehlte, so verarmte er darüber.« Tatsächlich legte man
Anfang des 17. Jahrhunderts mehrere Stollen am Kiefern- beziehungsweise
am vorgelagerten Steinberg an. Nur die Karl-May-Höhle blieb bis heute
erhalten. Sie führt 33 Meter in den gewachsenen Fels hinein. Nach 20
Metern gabelt sich der Stollen in einen linken 9 Meter und einen
rechten 13 Meter langen, zunehmend enger werdenden Gang. Die
Karl-May-Höhle war zu DDR-Zeiten über lange Jahre bergamtlich verwahrt
und das Betreten nicht gestattet. Inzwischen ist sie seit einigen
Jahrzehnten für den interessierten Besucher wieder begehbar gemacht.
Wanderern sei die Mitnahme einer Taschenlampe empfohlen. Der von Karl
May vermutlich wirklich als Unterschlupf genutzte Stollen, auch der
große Eisenstollen genannt, soll etwa 60 Meter lang und viel geräumiger
gewesen sein. Er lag am Steinberg unmittelbar im Steinbruchbereich. Zu
Zeiten Karl Mays ging dieser Gegend im Oberwald kein guter Ruf voraus,
was aber nichts mit Karl May zu tun hatte. Die alten Stollen am
Kiefern- bzw. Steinberg trugen den Namen ›Räuberhöhlen‹, eine
Bezeichnung, die sich aus Ereignissen der Jahre 1771/72 herleitet, als
Mißernten Teuerung und Hungersnot mit sich brachten. Eine Räuberbande
unter dem Hohensteiner Christian Friedrich Harnisch trieb in der
Umgegend ihr Unwesen. Nach Ergreifung der Räuber fand man das Diebesgut
im Wert von etwa 15 000 Talern in eben diesem Stollen. Das kann auf
keinen Fall der heute als Karl-May-Höhle bekannte Stollen gewesen sein,
er ist viel zu nass, zu eng und zu niedrig.
Winnetou war tatsächlich in der Karl-May-Höhle. Gojko Mitić beim
Verlassen der Höhle am 27. Februar 1988.
Der Brunnenbauer Kurt Kunze erhielt vor 1930 den Auftrag diesen großen Stollen zu sprengen. Hans Zesewitz berichtete 1933, die große Eisenhöhle sei schon Jahre von Abraum verschüttet gewesen. Der Steinbruch florierte in den 30er-Jahren, so dass die Befürchtung bestand, die kleine Eisenhöhle könne auch zerstört werden. Hans Zesewitz setzte sich für deren Erhalt ein, er mobilisierte dazu Fürst Günther von Schönburg-Waldenburg, den Verleger E. A. Schmid aus Radebeul, die Stadt Hohenstein-Ernstthal und schließlich den Steinbruchbesitzer Otto Uhlig aus Zöblitz. Richard Clauß, der Steinbruchmeister, meiselte in einen Stein über dem Eingang »K. May Höhle«. Die oben genannten fanden sich am 18. Mai 1933 vor Ort ein und benannten die Höhle offiziell nach dem Schriftsteller.
Einmeiselung über dem Eingang zur Karl-May-Höhle aus den 1980er-Jahren,
so findet man sie heute vor.
Sicher ist die Karl-May-Höhle wohl die meistbesuchte Stätte im Oberwald, selten ist man dort ganz allein, wenn man eine Zeit verweilt. Von Zeit zu Zeit machte die Karl-May-Höhle von sich reden. 1976 drehte das DDR-Fernsehen am Pechgraben für den siebenteiligen Krimi ›Gefährliche Fahndung‹, in einer kurzen Szene tauchte der teils noch verwahrte Eingang mit der erwähnten Schrift ›K. May Höhle‹ auf. Ein Teil dieses Steines befindet sich heute im Karl-May-Haus. Die heutige Inschrift wurde in den 80er-Jahren eingemeiselt. 1984 drehte das Fernsehen eine viertelstündige ›Ansichtskarte‹ mit dem im Umbau befindlichen Karl-May-Haus und mit der Innenansicht der Höhle. In diesem Jahr kommt die Karl-May-Höhle wieder ins Gespräch, da sich Karl May vor 150 Jahren bei Kuhschnappel aus dem Gewahrsam eines Beamten befreite, in Richtung Wald floh und sich in der Höhle verschanzte. Die ganze Geschichte findet sich im Gemeindespiegel St. Egidien in einem ausführlichen Artikel von Andreas Barth. Sicher steht das Karl-May-Haus für May-Verehrer aus aller Welt bei einem Aufenthalt in Hohenstein-Ernstthal im Zentrum und die ganze Stadt wurde bisher als ein Freilichtmuseum im Zeichen Karl Mays mit vielen Maystätten, wozu auch die Karl-May-Höhle gehört, wahrgenommen, aber das Flair geht mehr und mehr verloren. Eine historische Ansicht nach der anderen, ebenso Karl-May-Stätten verschwinden aus dem Stadtbild. Wie anderen Orts solche Stätten für touristische Zwecke genutzt werden, zeigte Dr. Christian Heermann (1936–2017), der langjährige Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats des Karl-May-Hauses, am Beispiel von Hannibal, der Heimatstadt von Mark Twain, auf. Die Besuchermagneten Tom Sawyer und Huckleberry Finn sind die unverzichtbaren Botschafter der Stadt am Mississippi. Könnten nicht in ähnlicher Weise Mays literarische Schöpfungen, manche gar mit Heimatbezug wie die ›Rose von Ernstthal‹, das Stadtbild in Hohenstein-Ernstthal für einen ganzjährigen Karl-May-Tourismus beleben?
Dr. Christian Heermann, Dr. Hainer Plaul und Andreas Barth am
Pechgraben vor der Karl-May-Höhle.
Dieser Besuch erfolgte am 13. September 2016 anlässlich des 80.
Geburtstages von Dr. Heermann.