Heft 39

Feierstunden am häuslichen Heerde

26. Mai 1877

   
Der beiden Quitzows letzte Fahrten.

Historischer Roman aus der Jugendzeit des Hauses Hohenzollern von Karl May,
fortgeführt von Dr. Goldmann.


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»Ich danke Euch für diese Theilnahme, muß aber gestehen, daß ich weniger an mich als vielmehr an Euch und Eure Gattin gedacht habe.«

»Besorgt Ihr vielleicht noch eine Gefährdung meiner Frau?«

»Unter Umständen ja!

»Ich verstehe Euch nicht!«

»Wir werden mit der Rückkehr nach Tangermünde kaum länger zögern dürfen, als bis Eure Gattin erwacht sein wird.«

»Das sehe ich recht wohl ein.«

»Falls sich dieses Erwachen aber sehr lange verzögert?«

»Dann wollen wir ihr ein bequemes Lager im Wagen bereiten, ich werde sie hinüber tragen, Marie mag bei ihr Platz nehmen und wir treten langsam den Rückweg an!«

Suteminn war nicht ganz einverstanden mit diesem Vorschlage, schwieg aber.

»Wir wollen doch erst noch warten. Ich werde, während Ihr bei den Euren weilet, zum Wagen gehen und dort für alle Fälle Vorkehrungen treffen!«

Feuchten Blickes betrachtete der Graf die kleine Gruppe am Fuße der Eiche.

Ein unnennbares Glück erfüllte ihn, als er die liebende Sorgfalt beobachtete, mit welcher Marie um ihre schlummernde Mutter beschäftigt war, wie sie jeden Athemzug bewachte, und Detlev, an der andern Seite des Lagers knieend, kein Auge von der Mutter verwandte. -

Lange, lange verharrten sie regungslos in dieser Stellung und der Graf, durch die vorschreitende Tageszeit und die Erinnerung an die weite Entfernung ihres zeitigen Aufenthaltsortes von der Lichtung dazu veranlaßt, erwog bereits die Absicht, welcher er dem Ritter gegenüber Ausdruck verliehen, als eine leise Bewegung der Schlummernden und die unregelmäßiger werdenden Athemzüge derselben darauf hinwiesen, daß sie bald erwachen werde.

Noch wenige Augenblicke und die Gräfin schlug die Augen auf.

Einen Moment nur sah sie verwundert auf die zu beiden Seiten ihres Lagers knieenden jugendlich blühenden Gestalten, dann richtete sie sich hastig auf, und noch hatte der Graf nicht Zeit gewonnen, ihr zu sagen, wer neben ihr kniee, als der Jubelruf erscholl:

»Mutter!« »Mutter!« »Meine Kinder!« und die Wiedervereinten in sprachlosem Entzücken eine eng aneinander geschlossene Gruppe bildeten. -

Der Graf wandte sich, unfähig, sich bei diesem Anblick länger zu beherrschen, mit Thränen erfülltem Auge ab.

Mutter wie Kinder gaben ihre unbeschreibliche Freude nur in unzusammenhängenden Ausrufen kund, es war ihnen unmöglich, die Worte zu finden, welche im Stande waren, ihrem Glück genügenden Ausdruck zu geben.

Mit Hülfe Detlev's und Marien's richtete die glückliche Mutter sich endlich empor. Den besorgt auf ihr ruhenden Blick des Gatten erwiderte sie mit strahlendem Lächeln:

»Fürchte nichts, Edward, ich fühle mich jetzt so wohl, so stark, o Gott, so namenlos glücklich, wie ich wohl noch nie gewesen bin!«

Der Graf hegte jedoch keineswegs vollen Glauben in diese Zuversichtlichkeit.

»Kinder,« wandte er sich zu Detlev und Marie, »geht


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zum Wagen und bereitet dort mit Hülfe dieser Decken ein angenehmes Lager; wir werden bald nachkommen!«

Beide eilten so rasch als möglich fort und die ihnen mit leuchtenden Blicken nachschauende Mutter versuchte am Arm des Gatten selbst in der Richtung nach der Straße fortzugehen.

Nur wenige Schritte war sie indeß erst gegangen, als sie wankte und der Graf sie nur durch ein rasches, festes Umfassen vor dem Zusammenbrechen zu bewahren vermochte.

Schnell entschlossen nahm er sie auf und trug sie bis zum Wagen und bald ruhte sie in diesem auf weichem bequemem Lager.

Marie hatte neben ihr Platz genommen und wurde nicht müde, ihr wieder und wieder zu erzählen, wie namenlos glücklich sie sich fühle, mit ihrer geliebten Mutter endlich vereint zu sein. Schweigend hörte diese, während ein beseligendes Lächeln ihre Züge erhellte, dem Geplauder ihrer Tochter zu und Marie war hoch überrascht, als der Wagen vor dem Thore des sogenannten Zauberhauses hielt und der Graf im Scherze fragte, ob ihr die Fahrt wirklich so kurzweilig geworden sei, daß sie an das Verlassen des Wagens erinnert werden müsse. -

»Ich habe nicht darauf geachtet,« erwiderte sie lachend, »ob wir fahren, oder wo wir sind, es genügte mir vollkommen, bei meiner Mutter zu sein und Dich zu unserem Schutze bei uns zu wissen!«

Ohne die Hülfe eines der Herren abzuwarten, schwang sie sich leicht von dem hohen Gefährt; der Graf hob seine Gattin herab und trug sie, da sie zum Gehen zu schwach war, in das Haus, das gesehen zu haben sie sich nicht zu erinnern vermochte, und bald lag sie dort auf ihrem seitherigen Lager wieder in festen Schlummer versunken.

Der Graf betrat mit Suteminn dessen Gemach.

»Ihr beharrt demnach auf Eurem mir bereits mitgetheilten Entschluß?« nahm der Letztere das während der Rückkehr geführte und durch die Ankunft zu Hause unterbrochene Gespräch wieder auf.

»Ja, Freund, und ich denke, Ihr werdet meiner Ansicht beipflichten, daß es unter den jetzt eingetretenen glücklichen Umständen das Beste ist, was ich überhaupt zu thun vermag.«

»Ich habe von meinem Könige den Auftrag erhalten, in seinem Namen an dem Concil theilzunehmen, und will und muß Gehorsam leisten. Es kann mich aber Niemand zwingen, in Costritz länger zu verweilen, als der Markgraf dies thun wird.«

»In dieser Hinsicht stimme ich Euch vollkommen bei, weniger jedoch vermag ich mich mit der Annahme zu befreunden, daß unsere Rückkehr in wenigen Monaten bereits wird erfolgen können. Der Markgraf erstrebt in Costritz ein hohes Ziel, und wenn auch der Kaiser ihm sehr gewogen ist, so fürchte ich doch, daß es nicht ohne Schwierigkeiten abgehen wird, ihn zur Billigung des Verlangens des Herrn Friedrich zu bewegen!«

»Was bewegt Euch zu dieser Besorgniß?«

»Der Markgraf besitzt, wie ich vielfach erfahren, unter den Churfürsten mehrere versteckte Gegner, die ihren Einfluß aufbieten werden, die Erhöhung und Kräftigung des Markgrafen zu verhindern!«

»Gleichviel; ich hoffe, Herr Friedrich wird den geheimen Umtrieben seiner Gegner zur rechten Zeit und mit gehörigem Nachdruck einen Riegel vorschieben und dann - bedenkt den allgewaltigen Schlüssel, welchen er in Händen hat!«

»Auf den,« rief Suteminn lachend, »baue auch ich vorzugsweise, und wenn er seine Dienste nicht versagt, dann ist es allerdings sehr wahrscheinlich, daß« - seine Stimme wurde wieder ernst - »die Mission der Zollern den ungeschlachten seitherigen Gewaltherren in den Marken in einer Weise und so nachhaltig zum Bewußtsein gebracht werden wird, daß sie sich beugen lernen!«

»Harte Kämpfe werden Herrn Friedrich im eignen Lande allerdings noch bevorstehen; bei seiner Macht und seiner geistigen Ueberlegenheit wird es ihm indeß nicht schwer werden, die Widerspänstigen zu Paaren zu treiben. Falls meine Frau morgen früh sich soweit gekräftigt fühlt, daß ich keine Besorgniß wegen eines Rückfalles oder eines neuen Schlages zu fürchten habe, dann will ich im Laufe des Tages nach Potsdam aufbrechen, dort mit dem Markgrafen mich über den Termin der Abreise verständigen und am dritten Tage hierher zurückkehren.«

»In der Zwischenzeit werde ich hier die erforderlichen Vorbereitungen treffen und Herrn Henning von Bismarck verständigen!«

»Detlev ist bereits davon verständigt, daß er zum Schutze der Frauen und des Hauses hier zurückbleiben wird, und mit Eintritt des Herbstes werden wir, wie ich bestimmt erwarte, wieder hier sein!«

»Ich hoffe dies, fürchte die Erfüllung dieses Eures nur zu berechtigten Verlangens aber auch ebenso sehr!«

»Weshalb?«

»Ich hoffe es mit Rücksicht auf den Markgrafen, dem ich das Gelingen seines Vorhabens von ganzem Herzen wünsche, und fürchte es, weil dann der Zeitpunkt nahe herankommt, an dem ich mich von Detlev und Marie und von Euch selbst trennen soll! Ich hätte nicht geglaubt, daß ich nach meinen Erfahrungen noch im Stande wäre, zu jemandem eine so aufrichtige, freundschaftliche Zuneigung zu gewinnen, wie zu Euch, Graf, und zu den Euren. Detlev und Marie sind mir so lieb geworden, als wären sie mein Eigen!«

»Freund,« rief der Graf ergriffen, »sprecht nicht von Trennung. Was Ihr für die Meinen und mich gethan, werde ich Euch niemals auch nur annähernd vergelten können; ich kann Euch heut noch nichts, als treue Freundschaft dafür bieten und reiche Euch nicht nur die Freundes-, sondern die Bruderhand! Schlagt ein!«

Wortlos folgte Suteminn dieser Aufforderung und der Bruderbund dieser beiden an edler Gesinnung zwar gleichen, in ihrer Lebensstellung aber so sehr verschiedenen Männer war geschlossen.

Noch lange saßen sie an diesem Abende in lebhaftem Gespräch und es war Mitternacht längst vorüber, als sie sich erhoben, um nach den Aufregungen des verlebten Tages die erforderliche Nachtruhe zu suchen.

Der Wunsch des Grafen, seine Gattin am andern Morgen gestärkt und gekräftigt zu sehen, erfüllte sich; sie vermochte sich von ihrem Lager zu erheben und am Arme Mariens im Wohngemach zu erscheinen, und Suteminn sprach seine offene Freude darüber aus, daß die völlige Wiederherstellung der Gräfin nunmehr in allerkürzester Frist bestimmt zu erwarten sei.

Der Vormittag verging mit den Vorbereitungen zu


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der vom Grafen nun beschlossenen Abreise nach Potsdam und eben saßen die Glücklichen beim Abschiedsmahle, als ein Klopfen am Thore hörbar wurde.

Die Alte eilte hinaus, um zu öffnen, und bald hörten die im Wohngemach Weilenden feste, sporenklirrende Tritte auf den vom Hofthor bis zur Hausthüre liegenden Steinplatten, die Thür ging auf und Herr Henning von Bismarck trat ein.

Auf das Freudigste von Suteminn, dem Grafen und Detlev begrüßt, nahm er bei ihnen Platz und begann, nachdem die Frauen sich entfernt hatten, zu Suteminn:

»Wie Ihr vielleicht geahnt habt, komme ich heut im Auftrage des Markgrafen. Er beabsichtigt in sechs Tagen abzureisen und hofft, Euch noch vor dem Tage der Abreise persönlich zu sprechen. Herr Friedrich wünscht lebhaft, Euch so zeitig als möglich bei sich zu sehen!«

»Werdet Ihr jetzt zurückkehren nach Potsdam? Doch weshalb stelle ich diese Frage, da ich doch sicher annehmen kann, daß Ihr die wenigen Tage bis zu unserer Abreise noch bei Eurem Bruder verleben werdet!«

»Die Verabschiedung von meinem Bruder ist bereits erfolgt und ich kehre von hier geraden Weges nach Potsdam zurück. Meine Anwesenheit wird dort dringender gewünscht, als irgend wo anders, und ich will heut Abend schon wieder dort ankommen!«

»Darf ich mir dann an Euch eine Bitte erlauben, Herr Ritter?« fragte der Graf rasch.

»Wolltet Eure Wünsche mir nur kund geben; ich werde ihnen gern nach Kräften entsprechen!«

»Dann bitte ich Euch, dem Markgrafen zu sagen, daß ich mit dem Ritter Suteminn zugleich dort eintreffen und mit ihm zusammen die Reise nach Constanz antreten will!«

»Herr Graf, diese Botschaft allein verdient es, so schnell als möglich nach Potsdam gebracht zu werden. Der Markgraf hat gestern erst wieder das Bedauern ausgesprochen, Euch vor der Abreise nicht in Potsdam oder Berlin begrüßen zu können, und wird sehr erfreut sein zu erfahren, daß Euer Besuch jetzt doch noch erfolgen soll!«

»Welche Ritter,« fragte Suteminn weiter, »werden sich außer uns in der Begleitung des Markgrafen befinden?«

»Graf Lindow, Herr Conrad von Besigheim, und mehrere Andere, unter welchen sich auch ein seitheriger, erbitterter Gegner des Zollern befindet. Es würde Euch schwer werden, den richtigen Namen zu errathen. Ich will ihn deshalb bald nennen: es ist Herr Werner von Holtzendorff!«

»Wer?« fragte Suteminn, hoch überrascht vom Stuhle aufspringend.

»Dachte mir's wohl, daß diese Nachricht Euch in Staunen versetzen würde. Ja, ja, es ist so, wie ich sage, Herr Werner von Holtzendorff hat, als er sah, daß das Burggräflein, wie er den Markgrafen stets benannte, Ernst mit der Drohung mache, ihn nicht nur von Bötzow zu vertreiben, sondern ihm auch, sofern er nicht vorzeitig seine Person in Sicherheit bringe, den verdienten Lohn für seine Aufsässigkeit auszuzahlen, sich gebeugt, und der bärbeißige Freund Dietrich von Quitzow's ist heut zum ergebenen Bewunderer des Markgrafen geworden. Dietrich Quitzow wird sich gewiß recht sehr freuen, sobald er Kenntniß von dieser Schwenkung seines tapferen Genossen erhalten!«

Diese Mittheilung hatte Suteminn sichtlich sehr überrascht. Längere Zeit verharrte er sinnend, schweigend.

»Ich erinnere mich eben,« begann er endlich, »Eurer Worte, als Ihr zum erstenmal mich hier aufsuchtet. Das kleine, unscheinbare Burggräflein kommt aus dem fernen Franken herbei und wirft sich binnen wenig Wochen den trotzigen, kraftvollen und an Streitkräften ihm weit überlegenen Adel des Landes zu Füßen!«

»Wahrlich, mehr und mehr muß es auch dem Befangensten, muß es den noch fest auf ihre seitherigen, gewaltsam angemaßten Vorrechte pochenden Rittern und Herren, die heut noch zu den Gegnern Friedrichs zählen, klar werden, daß das Geschlecht der Zollern berufen ist, die Marken, ja den Norden des Deutschen Reiches überhaupt der Cultur zu erschließen, daß Markgraf Friedrich, mit geistiger Kraft ausgerüstet, wohl im Stande und auch gewillt ist, Friede, Recht und Ordnung in den durch das Treiben Mächtiger arg zurückgebliebenen Marken zu schaffen.

Einer nach dem Andern fällt von den Gegnern ab, ihre Anzahl wird im Lande selbst immer geringer und ich hoffe, ich bin überzeugt, daß er auch mit seinen, an den Grenzen des Landes lauernden Feinden in gleicher Weise fertig werden wird.

Markgraf Friedrich wird die Macht der Zollern in den Marken begründen und ich sehe im Geiste, wie die Fittiche des Adlers sich ausbreiten weit über die Marken hinaus nach Osten und nach Westen, und unter seinem Schutze Segen und Wohlstand, Friede und Eintracht, aber auch Kunst und Wissenschaft emporblühen werden. -«

»Das gebe der Himmel!« rief Henning von Bismarck sich erhebend.

»Möchte der Markgraf nun aber auch nur solche Freunde an der Seite haben, die, wie Ihr, mit der Stärke und der Gewandtheit der Faust auch die Schärfe des Geistes verbinden. Noch ist ja aber in dieser Hinsicht nichts verloren, aus Wilden können nicht in einem Tage hochgelehrte Magister werden! -

Doch es wird spät, meine Herren, und ich will heut noch ein tüchtiges Stück Weges zurücklegen!«

Weder Suteminn noch der Graf vermochten ihn zu längerem Bleiben zu bewegen, und raschen Schrittes verließ er, gefolgt von den Herren, das Haus und bestieg sein Pferd. Am Thore angekommen, wandte er sich noch einmal zurück und rief ihnen einen Abschiedsgruß zu, welchen der Graf sowohl als der Ritter freundlich erwiderten: »Auf Wiedersehen!«

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17.

Der Tag der Abrechnung naht!

Henning Friedländer, der Falkenmeister, hatte sein, Brunhilde gegebenes Versprechen, ihren Vater aus der Gefangenschaft zu befreien und sie mit ihm wieder zusammenzuführen, soweit glücklich gelöst, daß er selbst Herrn Simon in seinem Gefängniß auf Friedland besuchen und ihm anzukündigen vermochte, er solle sofort seine Freiheit zurück erhalten, wenn er sich verpflichte, niemals mehr sich mit den Gegnern der Wedels zu verbinden.


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Als der Falkenmeister ihm diese Botschaft überbrachte, starrte er ihn erst einige Augenblicke groß, verwundert an, als zweifle er, auch wirklich den Mann zu erblicken, der mit ihm sprach.

»Wie kommst Du hierher?« stieß er endlich gezwungen, hastig hervor.

»Auf geradem Wege, Herr Ritter, und dann getrieben von dem Verlangen, Euch und Eurer Tochter die bitteren Stunden, die durch ein unglückseliges Verhängniß heraufbeschworen worden sind, möglichst abzukürzen!«

»Du kommst von meiner Tochter? Ist sie in Sicherheit? Wie geht es auf Güntersberg?«

»Eure Tochter ist wohlauf und sehnt sich, Euch wieder zu sehen. Gebt das Versprechen, welches Herr Henning von Wedel von Euch verlangt, und folgt mir dann zu ihr!« -

»Sage mir erst, wie ist es Dir möglich geworden, bis zu mir vorzudringen? Erstreckt sich denn die Dankbarkeit, von welcher Herr Friedrich von Wedel an dem Tage sprach, an dem ich mich durch Herrn Janeke verleiten ließ, mit der feindlichen Uebermacht anzubinden, auch auf Herrn Henning von Wedel, oder besitzest Du anderweite Mittel und Wege, Dir Eingang selbst dort zu verschaffen, wo man Dich als einen meiner Leute nicht gerade mit sonderlich freundlichen Augen ansehen kann?«

»Ich bitte Euch, die Beantwortung dieser Fragen für später zu belassen. Darf ich dem Herrn Ritter Henning mittheilen, daß Ihr gewillt seid, das geforderte Versprechen zu geben?«

»Meinetwegen. Bleibt mir, wenn ich nicht ewig in dem Käfig stecken und meine Brunhilde noch einmal wieder sehen will, wohl etwas Anderes übrig, als in die Bedingung meines Gegners zu willigen?

Ehe Ihr ihn aber benachrichtigt, sagt mir erst, wodurch Ritter Henning zur Stellung gerade dieses aus verschiedenen Gründen mich befremdenden Verlangens bewogen worden ist?«

»Zu meinem Bedauern kann ich Euch jetzt ebensowenig Antwort auf diese Frage geben. Vielleicht ermöglicht Euch Herr Ritter Henning von Wedel, die gewünschte Auskunft auch ohne mich zu erhalten!«

Ohne noch eine Entgegnung des Herrn Simon abzuwarten, verließ der Falkenmeister denselben, kehrte aber nach kurzer Zeit schon zurück mit der Aufforderung, ihn zu Herrn Henning zu begleiten, welchem Ersuchen der Ritter mürrisch, widerstrebend Folge leistete.

Henning Friedländer ließ ihn allein in den Saal treten, in welchem die Herren Henning und Friedrich von Wedel und Herr Heinrich von Bork anwesend waren.

»Herr Simon,« begann der Erstere, » Ihr habt Euch ohne irgend welche Ursache zu unserem Feinde erklärt und Euch verpflichtet, dem uns feindlich gesinnten Orden der deutschen Ritter im Kampfe gegen uns nach Kräften beizustehen. Ohne Zweifel durch Herrn Janeke habt Ihr Euch weiter bewegen lassen, einen sehr kühnen Angriff gegen uns auszuführen, seid, wie dies nicht anders zu erwarten war, überwältigt und gefangen genommen worden und solltet nach Recht und Brauch nun auch die Strafe tragen, welche die Bethätigung Eurer unberechtigten, gehässigen Gesinnung gegen uns verdient.

Herr Friedrich von Wedel hatte kaum eine Stunde vor unserem Zusammentreffen Euch überwunden, und nur mit Rücksicht auf Euren Falkenmeister Euch gegen eine verhältnißmäßig geringe Buße die Freiheit belassen.

Im blinden Uebermuthe habt Ihr die Warnungen dieses Mannes verlacht und befindet Euch nun als Gefangener in unserer Gewalt. Noch einmal Gnade vor Recht ergehen zu lassen, geht nach dem, was ich soeben erfahren, nicht an. Auf Bitten des Mannes, den Ihr gelegentlich unserer Begegnung zum Hüter Eurer Tochter bestimmt hattet, und der, wie ich erfahren, dieser Aufgabe besser nachgekommen ist, als Ihr es verdient habt, wollen wir die Strafe aber so mild als möglich bemessen. -«

»Was wollt Ihr von mir,« fiel ihm Simon von Güntersberg in's Wort, »macht's kurz!«

Ruhe! Ruhe! Ihr verpflichtet Euch also, alle Verbindungen mit unseren Gegnern vollständig und für immer abzubrechen, stets unseres Winkes zur Bekämpfung unserer Feinde, die ja von Stunde an auch die Eurigen sind, gewärtig zu sein und endlich Eurem seitherigen Falkenmeister Euch dankbar zu zeigen dafür, daß er Euch auch in dieser ernsten Gefahr, in die Ihr durch eigene Schuld gerathen, wirksamste Hülfe geleistet hat!«

»Wenn ich Euch recht verstanden habe, soll ich Herrn Erasmus von Wedel die Freundschaft aufkündigen und Herrn Janeke von Stegelitz fortan als Feind betrachten, lediglich aus keinem andern Grunde, als weil Ihr dies verlangt?«

»Ich verlange nichts zu Schweres von Euch. Erklärt Ihr Euch gegen uns, dann müßt Ihr in das Gefängniß zurück und es ist fraglich, wann Ihr das Tageslicht wieder erblicken werdet, zum Mindesten nicht vor Beendigung der Fehde mit den deutschen Rittern; willigt Ihr dagegen in meinen Vorschlag, dann seid Ihr frei, könnt Eure Tochter wieder sehen und dürft Euch meiner Freundschaft versichert halten!«

Ritter Simon schien einen schweren Kampf mit sich selbst durchzukämpfen. Es widerstrebte ihm, seine seitherigen Freunde aufzugeben, andererseits winkte aber auch die Freiheit, und das Verlangen nach Brunhilde wurde immer lebendiger, und endlich war der Hinweis auf die Freundschaft der mächtigen Sippe der Wedels auch nicht gering anzuschlagen.

»Erhält Herr Janeke auch seine Freiheit zurück?« fragte er endlich.

»Heut noch nicht!« lautete die entschiedene Antwort. »Janeke genießt nicht die Vorrechte, welche Euch eingeräumt werden sollen!«

»Welchen Grund habt Ihr, gerade mich zu bevorzugen? Bin ich denn weniger Euer Gegner gewesen, als dieser?«

Ich habe Euch bereits gesagt, daß Ihr Eurem Falkenmeister zum zweitenmale die Rettung aus ernster Gefahr zu danken habt. Macht das dann mit ihm selbst aus. Jetzt aber erklärt Euch, ob Ihr die gestellten Bedingungen annehmen wollt oder nicht!«

»Ja, ich nehme sie an!«

Gut denn, hier meine Hand darauf, daß ich meiner Verpflichtung, Euch beizustehen, stets eingedenk sein werde, sofern Ihr nie vergeßt, unter welchen Bedingungen wir Frieden geschlossen haben!«

Ich schlage ein und wiederhole mein Versprechen!«

Ritter Simon schien sich immer noch nicht in diese überraschende Veränderung seiner Lage finden zu können.


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Er erwiderte die freundlichen Fragen mechanisch und ohne sich selbst über das, was er sprach, recht klar zu werden. Am meisten jedoch beschäftigte ihn die Frage, wer eigentlich der eines so gewaltigen Einflusses sich erfreuende Falkenmeister sei. -

»Klärt mich doch über diesen räthselhaften Mann auf!« bat er; erst wenige Stunden in meinen Diensten, zwingt er mich schon zu der höchsten Dankbarkeit; er hatte sich noch nicht einmal eingerichtet auf Güntersberg, als er schon meine Bewunderung seiner Geschicklichkeit in der Führung der Waffen errang.

»Wahrlich, ich fühle mich versucht, ihn für mehr zu halten, als er scheinen will!«

»Verschafft Euch doch die Euch noch mangelnde Gewißheit über die geheimnißvolle Person!« rief Ritter Henning lachend. »Ich werde ihn Euch bald hierher senden. Damit Ihr ungestört mit ihm sprechen könnt, will ich mit meinen Freunden Euch verlassen! Hoffentlich sträubt er sich nun, nachdem Ihr einer der Unserigen geworden, nicht mehr allzusehr, Euch die ersehnte Aufklärung zu geben!«

Lachend verließen die Ritter das Gemach und der allein zurückbleibende Ritter Simon rief erstaunt, besorgt:

»Was bedeutet das? Mein Falkenmeister sollte -?«

»Ihr habt mich rufen lassen?« fragte dieser, rasch eintretend.

»Ja, ich möchte Gewißheit darüber haben, wen ich eigentlich in Dir vor mir sehe!«

»In mir? Nun ich denke, Euren seitherigen Falkenmeister!«

»Unsinn! Deinem Einflusse verdankte ich die Freiwerdung aus der Gewalt des Ritters Friedrich von Wedel und heut auch meine Rettung aus noch ernsterer Gefahr.

Einen derartigen Einfluß sollte ein Knecht besitzen? Wie wäre dies möglich, was vermag die stolzen Wedels zu bewegen, dem Andringen eines Untergebenen in Dingen zu entsprechen, die von hoher Bedeutung für ihre eigene Machtstellung sind?«

»Erlaubt mir, bevor ich Eurem Verlangen entspreche, die Frage, ob Ihr Kenntniß von dem erhalten habt, was sich seit Eurer Trennung von Eurer Tochter ereignet hat!« -

»Nein! Was ist geschehen? Brunhilde ist ja, wie Ihr mir sagtet, wohl!«

»Das ist richtig, sie ist aber zur Zeit nicht mehr auf Güntersberg.«

»Was?« schrie Herr Simon auf. »Brunhilde sei nicht -! Tod und Teufel, was bedeutet das? Ist sie gefangen genommen oder -«

»Sprecht nur immerhin Eure Vermuthung aus; sie wird dem Richtigen wohl ohngefähr entsprechen!«

Der Ritter prallte zurück.

»Güntersberg ist - zer - stört?«

»Zerstört? Nein, aber erobert von Feinden, deren Anführer ich nicht genau erkannt habe!«

»Himmel! und wo ist Brunhilde?«

»In Sicherheit und erwartet Euch!«

Wie vernichtet sank der Ritter auf einen Stuhl: dieser Schlag kam zu hastig, zu überraschend. Er bedurfte einiger Zeit zur Wiedererlangung der verlornen Fassung. Dann aber sprang er auf:

»Wo sind die Ritter? Rufe sie oder führe mich zu ihnen, nur schnell!«

Henning Friedländer eilte hinaus und bald stand Herr Henning von Wedel vor ihm.

»Euer Begehr?«

»Sagt, Herr Ritter, ist die Nachricht begründet, daß Güntersberg zerstört oder doch zum mindesten in die Gewalt eines meiner Feinde gerathen sei?«

»So viel ich weiß, ja; doch laßt Euch deshalb nicht vom Gram überwältigen. Der gelegentlich der Belagerung angerichtete Schaden soll meinen Erkundigungen nach nicht so bedeutend sein, daß er sich nicht in kurzer Zeit vollständig ausbessern ließe!«

»Wer hat meine Abwesenheit von Güntersberg benützt, um seiner Rache oder auch seiner Raublust Genüge zu leisten?«

»Einer Eurer Gegner, der, wie ich heut schon bestimmt versichern kann, Euch nunmehr ohne Umstände die Rückkehr auf Euer Besitzthum gestatten wird!«

»Und meine Tochter?«

»Hat Euer Falkenmeister gerettet!«

Ritter Simon sah den jungen Mann lange, ohne ein Wort zu sprechen, an.

Er schien im ersten Moment die Hand erheben und diesem reichen zu wollen, ließ sie indeß wieder fallen und zwang gewaltsam die Erregung nieder, welche bei dem Anblick des Mannes in ihm mächtig wurde, der ihn fort und fort zu Dank verpflichtete.

Henning Friedländer mochte verstehen, was den Vater Brunhilden's bewegte, und ein Lächeln flog über seine Züge, als Ritter Simon sich hastig zu Herrn Henning wandte.

»Ihr habt mir die Freiheit wiedergegeben. Ueberlaßt mir nun auch meine Waffen und ein Pferd. Mein treuer Beistand in gefährlichen Zeiten mag mich vorerst zu meiner Tochter und dann nach Güntersberg begleiten.

»Wo ist Brunhilde?«

»Auf Betow! Frau Hedwig hat Eure Tochter in freundlichster Weise begrüßt und ich glaube, die Jungfrau wird mit diesem vorläufigen Unterkommen zufrieden sein!«

Wieder richtete Simon von Güntersberg einen forschenden Blick auf den Falkenmeister; die Frage, wer bist Du? schwebte ihm auf den Lippen, er unterdrückte sie jedoch und verließ bald darauf in Begleitung des jungen Mannes Burg Friedland. Seine Gedanken eilten voraus nach Betow und auch nach Güntersberg. Er beachtete deshalb auch nicht, daß sein Begleiter die vom Fenster aus ihnen nachschauenden Ritter freundlich grüßte, und daß dieser Abschiedsgruß eben so freundlich erwidert wurde.

Schweigend ritten sie den Weg dahin und trafen noch vor Anbruch des Abends in Betow ein.

Der Ritter vermochte seine Ungeduld, Brunhilde wiederzusehen, kaum mehr zu beherrschen, aber auch dem Falkenmeister klopfte das Herz bei dem Gedanken, aller Wahrscheinlichkeit nach jetzt gezwungen zu werden, die Täuschung hinsichtlich seiner Person dem Vater der Geliebten und dieser selbst eingestehen zu müssen. »Wird sie Dir verzeihen?« fragte er sich bangend, als sein Blick die Fenster der Frauengemächer streifte.

»Ja! Ja!« jubelte es in ihm auf, als er Frau Hedwig bemerkte, welche einen Moment erstaunt war, dann aber mit unverhohlener Freude seinen Gruß erwiderte.

Beide hatten kaum die Pferde einem Stallknechte übergeben, als auch Ritter Hans von Betow bereits in der Thüre erschien und ihnen ein paar Schritte entgegen kam.


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»Willkommen, Ritter!« begrüßte er freundlich Herrn Simon, während er zum Erstaunen des Letzteren mit dem Falkenmeister einen freundschaftlichen Händedruck wechselte.

Auf die Einladung des Herrn Hans folgten sie ihm in den Saal, wo Herr Simon ohne Umschweife begann:

»Ihr, Herr Ritter, habt auf Fürsprache des jungen Mannes, den ich zwar nur als Falkenmeister kennen gelernt habe, welcher mir jedoch immer räthselhafter, immer unverständlicher wird, meiner Tochter ein Unterkommen gewährt, als sie während meiner Abwesenheit gezwungen wurde, zu ihrer eignen Rettung die väterliche Burg zu verlassen. Erlaubt mir, Euch hierfür zu danken!«

»Es freut mich, daß ich dem lieben Kinde und damit auch Euch habe gefällig sein können. Doch sagt mir, wie seid Ihr frei geworden aus der mißlichen Lage, in die Ihr, wie ich gehört habe, gerathen waret!«

»Ihr habt ohne Zweifel durch den Falkenmeister den ganzen Vorgang der Sache erfahren?«

»Nach dem, was von verschiedenen Seiten mir über das Euch betroffene Mißgeschick mitgetheilt worden ist, vermag ich mir den Zusammenhang des Ganzen ohngefähr zu erklären!«

»Dann bedarf es also nur noch einer Aufklärung darüber, wie ich ohne Lösegeld so bald schon frei zu werden vermochte. Wenige Worte reichen hin, diese Lücke nach meinem besten Wissen auszufüllen; dem Falkenmeister verdanke ich meine Rettung. Wie ihm dies möglich geworden, ist mir noch nicht bekannt!«

»Dann denke ich, daß er uns mittheilen wird, wie es ihm möglich geworden, Eure Gegner zur Nachgiebigkeit zu bewegen!«

»Zunächst werdet Ihr sicher danach verlangen, Eure Tochter zu sehen. Ich werde sie Euch sofort hierher senden!«

Mit diesen Worten entfernte er sich und Friedländer schickte sich eben an, ihm zu folgen, als die Thüre aufging und Brunhilde eintrat.

Ihr erster Blick traf den wenige Schritte von ihr entfernt stehenden jungen Mann, welchen sie leuchtenden Auges betrachtete.

Helle Röthe flammte in ihrem lieblichen Gesichtchen auf, als sie seinen Gruß durch ein leichtes Neigen des Kopfes erwiderte, dann aber flog sie dem Vater, der diese Scene wohl bemerkt hatte, entgegen und hing mit Freudenthränen im Auge wortlos an seinem Halse, in seinen Armen.

Diesen Moment des Wiedersehens zwischen Vater und Tochter wollte Friedländer benutzen, um sich, ohne bemerkt zu werden, zu entfernen, Brunhilde entging es jedoch nicht. Noch einmal begegneten sich die Blicke und wieder schien es dem Falkenmeister, als wenn sie ihm noch etwas anderes sagen wolle, als ein Wort des Dankes.

»Sollte sie vielleicht schon erfahren haben, daß ich nicht derjenige bin, für welchen ich mich ausgegeben habe?« fragte er, während er zu den Gemächern Frau Hedwigs empor stieg. »Nein, dies ist nicht möglich, sie kann es ihr nicht erzählt haben, und doch -!«

Diese Fragen und Erwägungen beschäftigten ihn, während er langsam den Corridor entlang schritt, so ausschließlich, daß er wenig auf das merkte, was um ihn vorging. Er sah also auch nicht, daß Frau Hedwig in eine Thüre getreten war, an welcher er eben vorbeiging, und erst ihre Ansprache erweckte ihn aus seinen Träumereien.

»Weshalb so tiefsinnig, lieber Henning?«

Erschreckt sah er auf.

»Ah, Tante, vergebt, daß ich so wenig aufmerksam gewesen bin. Ich wollte Euch eben aufsuchen!«

»Dann geh' nur inzwischen in mein Gemach; ich werde bald zurückkehren!«

Lächelnd blickte Frau Hedwig dem jungen Mann nach.

»Ich ahne, was dem guten Jungen das Herz schwer macht,« murmelte sie, »doch wird sein Kummer wohl bald behoben werden!«

Längere Zeit bereits wartete er in dem Gemach seiner Tante, als sich leichte Tritte der Thüre näherten. »Endlich!« rief er in seiner Ungeduld lauter, als er beabsichtigt hatte, und erhob sich in dem Augenblicke vom Stuhle, als nicht die Tante, sondern Brunhilde eintrat.

Diese war im ersten Moment wohl nicht weniger überrascht, den jungen Mann hier zu finden, wie Henning selbst es war, so plötzlich das Mädchen vor sich zu sehen, mit welchem er sich eben wieder in Gedanken beschäftigt hatte.

Brunhilde faßte sich jedoch schneller und trat, wenngleich erröthend und den Blick zu Boden gesenkt, ihm näher.

»Wie soll ich Euch danken für das, was Ihr für mich und meinen Vater gethan habt!«

»Ich freue mich mit Euch, daß es mir so unerwartet schnell gelungen ist, Euren heißen Wunsch erfüllen zu können!«

»Wie ist es Euch denn möglich geworden, meinen Vater so schnell aus der Gewalt seiner Feinde zu befreien?«

Als er einen Augenblick mit der Antwort zögerte, fuhr sie fort:

Mein Vater hat mir mehrmals Andeutungen gemacht, die darauf hinweisen, daß Ihr bei seinen Gegnern hoch angesehen sein müßt. Und wie kann dies auch anders sein, da Herr Friedrich von Wedel ja selbst in meiner Gegenwart erklärt hat, Euch zu großem Dank verpflichtet zu sein. Daß sich freilich diese Dankbarkeit so weit erstrecken würde, wie ich dessen heut' inne werde, konnte ich nicht ahnen!«

Henning Friedländer ließ diese versteckte Frage vorläufig unbeantwortet, suchte vielmehr dem Gespräch eine andere Wendung zu geben und fragte nun seinerseits:

»Erlaubt mir die Bitte um die mich in hohem Grade interessirende Auskunft darüber, ob meine Hoffnung, Frau Hedwig werde Euch gut aufnehmen, berechtigt war. Ich habe dies zwar als selbstverständlich angenommen, möchte die Bestätigung meiner Erwartung aber auch gern von Euch selbst hören!«

»Frau Hedwig begegnet mir mit solcher Liebe und Aufmerksamkeit, daß ich mich ihr hoch verpflichtet fühle. Ich werde sehr, sehr ungern von ihr scheiden!«

»Scheiden? Ihr denkt doch nicht etwa heut schon an Eure Abreise von Betow?«

Friedländer hatte diese Frage so hastig, so erregt hervorgestoßen, daß Brunhilde wagte, einen Moment das Auge zu ihm aufzuschlagen.

Der Blick, welchem sie begegnete, steigerte die in ihrem Gesichte aufsteigende verrätherische Gluth noch mehr und stotternd, mit unsicherer Stimme erwiderte sie:


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Mein Vater hat mir erzählt, daß er, - daß wir nach Güntersberg zurückkehren werden. Durch Eure Vermittelung hat er nicht nur die Freiheit, sondern auch die angeblich nicht zerstörte Burg zurückerhalten!«

»Es ist allerdings richtig, daß Euer Vater sich angelegen sein lassen wird, den gelegentlich der Einnahme der Burg an dieser entstandenen Schaden so bald und so gründlich als möglich auszubessern, doch glaube ich nicht, daß er Euch jetzt schon mit dahin nehmen wird. Der Anblick, welcher heut Eurer dort wartet, kann kein erfreulicher sein. Endlich aber bin ich überzeugt, daß Frau Hedwig Alles aufbieten wird, Euch zu längerem Bleiben zu bewegen!«

»Seid Ihr davon wirklich so fest überzeugt?«

»Ja, liebe Brunhilde,« ertönte die Stimme der unbemerkt von Beiden eingetretenen Burgfrau, »Henning darf dies wirklich sein. Doch laßt Euch in Eurer Unterhaltung nicht stören, ich muß noch einmal weggehen!«

Bei diesen Worten richtete sie einen schelmisch-lächelnden Blick auf die sich ihr verlegen nähernde Brunhilde, nahm einen der am Schlüsselbrett hängenden Schlüssel und verließ zur Freude Friedländers wieder das Gemach.

»Frau Hedwig,« begann Brunhilde nunmehr wieder, »meint es recht gut mit mir und ich werde die Zeit meines Aufenthalts auf Betow nie vergessen. Aber auch Euch ist sie sehr gewogen!«

»Hat sie sich während meiner Abwesenheit an mich erinnert?«

»Ja, wir - wir haben -«

Erröthend hielt sie inne; Friedländer, welcher verstehen mochte, was sie sagen wollte, griff diese Andeutung jedoch auf und fragte freudig erregt:

»Auch Ihr, Brunhilde, habt Euch meiner erinnert? Ihr habt mit meiner - mit Frau Hedwig von mir gesprochen?«

»Ja, weshalb sollte ich das bestreiten? Ich habe oft an Euch gedacht. Waret Ihr ja doch hinausgezogen, um meinem Vater die verlorne Freiheit wieder zu verschaffen, und setztet freiwillig Euer Leben in Gefahr, um ihm das seine zu erhalten und mich zu beruhigen. Doch,« fuhr sie, wiederholt ihm schärfer in's Auge blickend, fort, »wollt Ihr mir nicht sagen, wen Ihr mit der nicht vollendeten Frage meintet? Ich soll mit Eurer - gesprochen haben? Mit wem denn? Außer Frau Hedwig wußte ich keine andere Frau oder - oder - Jungfrau hier, mit welcher ich mich hätte unterhalten können!«

Sichtlich verlegen kämpfte Friedländer mit einem Entschlusse. Er schien nicht zu wissen, wie er das, was er sagen wollte und sollte, zweckentsprechend in Worte kleiden könne, und Brunhilde, welche dies recht wohl bemerkte, harrte klopfenden Herzens und mit unverkennbarer Spannung, ja fast ängstlich dessen, was sie endlich werde hören müssen.

Ich habe Euch doch nicht wehe gethan mit meiner Bitte?« fragte sie endlich unruhig. »Sollte dies der Fall sein, dann vergebt mir, Euch, dem ich ja so viel zu danken habe, möchte ich - nicht betrüben!«

Jetzt war Friedländer nicht mehr im Stande, an sich zu halten.

Er ließ sich auf ein Knie vor ihr nieder, ergriff ihre Hand und fragte, während er diese an seine Lippen zog:

»Brunhilde, könnt Ihr mir verzeihen, daß ich mich einer Täuschung gegen Euch schuldig gemacht habe?«

»Ihr - Ihr hättet mich getäuscht?« fragte Brunhilde bestürzt, zweifelnd, und versuchte zwar, ihm die Hand zu entziehen, doch zeigten sich diese Versuche so schwach, daß Friedländer sie leicht festzuhalten vermochte.

»Ja, Brunhilde, und ich kann, ich darf nicht länger schweigen, ich muß Euch mein Vergehen bekennen, selbst wenn ich das Schlimmste, was mir geschehen könne, zu erwarten habe. Doch hoffe ich bei Eurer mir ja bekannten großen Milde und Nachsicht auf Vergebung!«

»Vor Allem bitte ich, Euch zu erheben; ich mag Euch nicht vor mir knieen sehen!«

»Nein, laßt mich knieend Eure Vergebung erflehen -«

»Aber, um Gottes Willen, sprecht doch, welche Täuschung Ihr begangen haben wollt. Es ist dies ja unmöglich; ich halte Euch dessen nicht fähig. Ihr habt mich mehrmals aus der Gewalt der Feinde, ja sogar vom Tode gerettet, mir dann ein Unterkommen verschafft, wie ich dies nie besser, freundlicher zu finden vermocht hätte, Ihr habt den Vater gerettet und nur Euch verdankt mein Vater die Wiedererlangung von Güntersberg, und Ihr, unser treuster Freund, solltet -? Unmöglich! Doch, was es auch sei, das Ihr gethan habt, so viel ist mir klar, daß Ihr nichts Böses gegen mich oder meinen Vater beabsichtigt habt, und ich verspreche, um Euch dieses Geständniß etwas zu erleichtern, Euch nicht zürnen zu wollen. Ich schulde Euch ja so viel, daß ich - nie im Stande sein würde - vergessen zu können!«

»Dank, Dank Euch, Brunhilde, für diese Zusicherung. Ihr werdet mich, wie ich ja nun weiß, nicht von Euch verstoßen, wenn ich Euch mittheile, daß ich nicht der bin, für welchen Ihr mich seither gehalten habt!«

Bestürzt zog Brunhilde ihre Hand, die er seither noch immer festgehalten hatte, zurück.

»Wie? O Gott, meine Ahnung!«

»Hört mich nur ganz an und dann vergebt Eurem treuen Diener.

»Ich bin kein Falkenmeister, oder aber je ein Bediensteter gewesen, sondern der Sohn Henning von Wedels, Euer Jugendgespiele.«

Erschrocken hielt er inne, denn Brunhilde, welche ihn einen Moment sprachlos, starr angesehen, verdeckte ihr erschreckend bleich gewordenes Gesicht mit den Händen und schien zu wanken.

Er sprang auf und fing die Geliebte in seinen Armen auf.

Nur wenig Augenblicke vermochte diese plötzliche Anwandlung einer Schwäche sie zu beherrschen, dann schlug sie die Augen auf, ihr Blick begegnete dem des besorgt ihr in das Auge sehenden jungen Mannes und glühend roth befreite sie sich aus dem sie noch immer stützenden Arme desselben.

»Habe ich auch wirklich recht gehört?« fragte sie mit bebender Stimme, »Ihr seid -?«

»Henning von Wedel,« ergänzte dieser, »der Euch nun noch einmal um Verzeihung der begangenen Täuschung bittet!«


Ende des dreißigsten Teils - Fortsetzung folgt.



Karl May: Der beiden Quitzows letzte Fahrten