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Jahr |
Biografische Ereignisse |
Wohnort |
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1842 |
Carl
Friedrich May wird am Freitag, dem 25. Februar 1842, 22 Uhr, als
Untertan des Adelsgeschlechts Schönburg-Hinterglauchau (ab 1878 zum
Königreich Sachsen gehörend) geboren und am nächsten Tag in der
evgl.-luth. Kirche St. Trinitatis zu Ernstthal getauft. Die Paten sind
der Webermeister Carl Gottlob Planer (1792–1859), die Jungfrau Chr.
Friederike Esche (Lebensdaten unbekannt), und der Schmiedegeselle
Christian Friedrich Weißpflog (1819–1894). Er ist das 5. Kind des
32-jährigen Webers Heinrich August May und dessen 27-jähriger Frau
Christiane Wilhelmine geb. Weise. Im Hause May herrscht größtes Elend –
bittere Armut, manchmal gar Hungersnot. Von seinen vier Geschwistern
lebt nur noch die vierjährige Auguste Wilhelmine.
In diesem Jahr »war ein sehr trockener und heißer Sommer. Von der Saatzeit an hat es 6 bis 7 Wochen gar nicht geregnet und ist beinahe den ganzen Sommer in hiesiger Gegend kein Gewitter mit Regen gewesen. Es trat allgemeiner Wassermangel ein, so daß vieles Korn nicht gemahlen werden konnte und daher bloß geschrotet wurde. … Das Vieh mußte außerordentlich leiden und viele Rinder wurden fast ganz dürr und mager dahin geschlachtet. …« |
Ernstthal, |
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1843 |
Es entsteht
»wegen Mangel an Schlachtvieh [ein] hoher Preis des Fleisches. …« |
Ernstthal, Niedergasse 122 |
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1844 |
28. Mai: Geburt von Karl Mays Schwester
Christiane Wilhelmine, der späteren Frau Schöne. In Hohenstein und Ernstthal
herrscht immer größere Hungersnot: |
Ernstthal, Niedergasse 122 |
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1845 |
Karl Mays Zustand verschlimmert
sich: Seine Augenlider sind geschlossen und geschwollen (Blepharitis),
ein entzündlicher Blepharospasmus (Lidkrampf) folgt.
Er kann längere Zeit die
Augen nicht öffnen. Er ist somit blind
(funktionelle Blindheit)
und verlernt das Sehen. An vorherige Seherfahrungen kann er sich später
nicht erinnern. Gute Ärzte sind nicht bezahlbar, es gibt noch
keine Krankenkassen. May beklagt sich in seiner Selbstbiografie
Mein Leben
und Streben (in den Gesammelten Werken in Band »Ich« enthalten) über die
verderbliche Medikasterei, der er zum
Opfer fällt. Sehr wahrscheinlich werden seine geschlossenen Augenlider völlig
sinnlos mit Salben und einer Augenbinde behandelt; die ohnehin geringe
Chance, vielleicht kurzzeitig sehen zu können, wird damit völlig vertan. |
Ernstthal, Marktplatz 183 |
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1846 |
13. Februar: An der Chirurgisch-Medizinischen
Akademie (Kurländer Palais) in Dresden besteht Mays Mutter die Hebammenprüfung mit der
Note »vorzüglich gut«. Dort werden auch die Augen ihres
blinden Knaben von den Professoren Haase und Grenser erfolgreich ›behandelt‹,
nicht operiert
(eine Operation scheidet laut Mays eigener Aussage und aus medizinischen Gründen aus). –
Karl May lernt sehen
(Ölbild von Torsten Hermann).
Es gab für mich nur Seelen, nichts als Seelen. Und so
ist es geblieben, auch als ich sehen gelernt hatte, von Jugend an bis auf
den heutigen Tag. Das ist der Unterschied zwischen mir und anderen. Das
ist der Schlüssel zu meinen Büchern. Das ist die Erklärung zu allem,
was man an mir lobt, und zu allem, was man an mir tadelt. Nur wer blind
gewesen ist und wieder sehend wurde, und nur wer eine so tief gegründete
und so mächtige Innenwelt besaß, daß sie selbst dann, als er sehend
wurde, für lebenslang seine ganze Außenwelt beherrschte, nur der kann
sich in Alles hineindenken, was ich plante, was ich tat und was ich
schrieb, und nur der besitzt die Fähigkeit, mich zu kritisieren, sonst
keiner! |
Ernstthal, Marktplatz 183 |
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1847 |
Karl May wird aus der Märchenwelt seiner
Großmutter gerissen. Grausame Erziehungsmethoden des Vaters erschüttern fortan Mays
Psyche: |
Ernstthal, Marktplatz 183 |
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1848 |
Ostern: Karl May wird eingeschult. Die Klassen in der Ernstthaler Volksschule sind überfüllt; ein Lehrer hat ca. 90 Schüler zu unterrichten. Was Karl dort nicht lernt, bläut ihm sein Vater ein; der Junge solle es doch mal besser haben. In diesem Sinne muss Karl in den nächsten Jahren unzählige, teils wissenschaftliche Bücher lesen, die ihm sein Vater verordnet. Die wenige Freizeit verbringt Karl bei seinem Paten, dem weit gereisten Schmied Christian Weißpflog, und lauscht dessen exotischen Geschichten. |
Ernstthal, Marktplatz 183 |
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1849 |
Karl May wird Trommeljunge bei der 7.
Schützenkompanie Ernstthals, in der sein Vater als Gefreiter dient. Sein Vater exerziert
und drillt ihn in diversen Kriegsspielen. |
Ernstthal, Marktplatz 183 |
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1850 |
Ferrys ›Le Coureur des Bois‹ [Der Waldläufer] erscheint, den May neunundzwanzig Jahre später für die Jugend umgestalten wird. |
Ernstthal, Marktplatz 183 |
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1851 |
Vermutlich in diesem Jahr: Umzug in das Haus
des Webermeisters Selbmann. |
Ernstthal, Marktplatz 185 |
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1852 |
16. August: Mays Schwester Anna Henriette wird geboren; auch sie stirbt viel zu früh, wenige Wochen alt, am 4. September. |
Ernstthal, Marktplatz 185 |
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1853 |
Der gravierende Erziehungsfehler, den Mays
Vater beging, seinem Sohn ›Wissen‹ einzuhämmern, dürfte in diesem Jahr einen
ersten Höhepunkt erreicht haben. Karl May schreibt unter der so treffenden
Kapitelüberschrift Keine Jugend in seiner Selbstbiographie: |
Ernstthal, Marktplatz 185 |
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1854 |
Karl May
erhält privaten Sprachunterricht, der von ihm selbst finanziert wird. Inzwischen zwölfjährig,
muss er in der
Schankwirtschaft Engelhardt im benachbarten Hohenstein als Kegelbub arbeiten
– manchmal
bis nach Mitternacht! Dort verfällt er der Leihbibliothek: ›Rinaldo Rinaldini,
der Räuberhauptmann‹ – ›Himlo Himlini, der Räuberhäuptling in Spanien …‹ – ›Sallo Sallini, der furchtbarste Räuberhauptmann
…‹, heißen seine Helden und
werden ihm zum Traumideal. |
Ernstthal, Marktplatz 185 |
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1855 |
3. Juli: Mays Bruder Karl Heinrich wird geboren; auch dieses Kind stirbt nach kurzer Zeit am 30. Oktober. |
Ernstthal, Marktplatz 185 |
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1856 |
Realitätsflucht! |
Ernstthal, Marktplatz 185 Waldenburg |
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1857 |
Karl May verliebt sich in die fünfzehnjährige Anna Preßler aus Ernstthal. Er dichtet und komponiert Liebeslieder, die er ihr auf der Gitarre vorspielt:
Von Dir geschieden,
Von Dir zu lassen, 21. November: Mays Schwester Maria Lina wird geboren; sie stirbt am 13. Dezember. |
Waldenburg | |||
1858 |
Im Juli heiratet Anna Preßler,
16-jährig, den Krämer Carl Hermann Zacharias, von dem sie ein Kind erwartet. Der
Schmerz sitzt tief in Karl May, er wird dies sehr lange nicht verwinden. |
Waldenburg | |||
1859 |
Im November ist May ›Lichtwochner‹ am Seminar Waldenburg. Bei dieser Tätigkeit soll er sechs Kerzen veruntreut haben. Die Angelegenheit ist mysteriös. Zwei Mitschüler öffeneten Mays Koffer (was hatten sie dort zu suchen?) und meldeten erst einige Wochen später, kurz vor Weihnachten, sie hätten 6 neue Kerzen gefunden und dem fungierenden Lichtwochner übergeben. May scheibt in seiner Autobiographie lediglich von »Talgresten«, die er offenkundig für den Christbaum in seinem armseligen Elternhaus verwenden wollte. – Am 21. und 22. Dezember wird diese Angelegenheit vom Seminardirektor Schütze untersucht. |
Waldenburg | |||
1860 |
28. Januar:
Ausschluss aus dem Lehrerseminar. |
Ernstthal, Marktplatz 185 Plauen |
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1861 |
9., 10. und 12. September: May absolviert
seine Abschlussprüfung.
Seine nächste Lehramtsstelle, wo er seit dem 6.
November als Fabriklehrer bei der Firma Solbrig in Altchemnitz tätig ist,
wird May zum Verhängnis. Im unmittelbar benachbarten Harthau muss er sich
sein Logis, Stube und Schlafstube, mit deren Expedienten Julius Hermann
Scheunpflug teilen. |
Plauen
Glauchau
Altchemnitz
Ernstthal, |
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1862 |
May wird höchstwahrscheinlich
– die Akten
sind nicht erhalten – wegen »widerrechtlicher Benutzung fremder Sachen« nach
Art. 330, Abs. 3, verurteilt. Man verhängt die Höchststrafe: sechs Wochen Gefängnis.
Gnadengesuche werden abgelehnt.
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Ernstthal, Marktplatz 185 |
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1863 |
May
tritt bei »musikalisch-declamatorischen Abendunterhaltungen« in
Ernstthal auf. Seinen Lebensunterhalt verdient er mit Privatunterricht.
Am 12. Februar wird deshalb vom Lehrercollegium Anzeige erstattet; die
Schulinspection erfährt hiervon durch einen Brief des Ernstthaler
Pfarrers Schmidt vom 20. März. Dass May tatsächlich psychisch-seelisch verstört war, nachts hinaus in den Regen lief, dürfte sein wohl aus jener Zeit mit zittriger Hand geschriebenes Gedicht aufzeigen:
Kennst du die Nacht,
die auf die Erde sinkt
Kennst Du die Nacht, die auf das Leben sinkt,
Kennst Du die Nacht, die auf den Geist dir sinkt, Zunächst kämpft May erfolgreich gegen diese »tausend Teufel« an. Er schreibt für den Ernstthaler Gesangsverein ›Lyra‹, den er als »Direktor« leitet, bis Anfang 1864 eine ganze Reihe eigener Kompositionen. Erhalten sind: An die Sterne, vierstimmig für Männerchor; Ave Maria der Gondolieri am Traghetto della Salute, achtstimmig für Männerchor (Doppelchor); Nottourne, Soloquartett für Männerstimmen; Wanderlied, für vierstimmigen Männerchor; Serenade, Bearbeitung einer Originalmelodie von Wilhelm Heiser; Warnung, für vierstimmigen Männerchor (mit dem von May wahrscheinlich verfassten Textbeginn O gräme nie ein Menschenherz; Ständchen, für vierstimmigen Männerchor mit Streichquartettbegleitung. |
Ernstthal, Marktplatz 185 |
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1864 |
May hält sich in Naußlitz bei Dresden auf.
Über diese Zeit ist nichts bekannt. In der zweiten Jahreshälfte tingelt er
vermutlich mit einer Theatergruppe durch Sachsen und unterhält dabei
möglicherweise amouröse
Beziehungen zu einer Balleteuse der Theater- und Ballettgruppe H. Jerwitz aus Leipzig.
Fast 21 Monate sind nach Mays sechswöchiger Haft in Chemnitz vergangen. Jetzt verliert er
den Halt: |
Naußlitz bei Dresden |
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1865 |
28.
Februar: In Gohlis bei Leipzig wohnt May beim Stahlstecher Schule. Am
20. März sucht er als »Kupferstecher Hermes«, Schutzgott der Diebe und
der Händler, den Kürschner Friedrich Erler auf und erleichtert ihn um
einen Biberpelz. Einen Tag später versetzt May den Pelz über eine
ahnungslose Mittelsperson im Leihhaus. Beim Versuch den Erlös abholen
zu lassen, wird May am 26. März im Rosenthal, einem Parkgelände
zwischen Gohlis und Leipzig, ergriffen, wobei ihm ein Beil »unter dem
Rocke vorgeglitten« ist. |
Gohlis
Zwickau, |
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1866 |
May fertigt Geld- und Zigarrentaschen. |
Zwickau, Schloss Osterstein |
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1867 | Der Aufseher Friedrich Göhler entdeckt Mays musikalische Talente. May avanciert zum Posaunenbläser und ist Mitglied des Gefängnis-Kirchenchors. Vermutlich zum Jahresende wird er »besonderer Schreiber« des Inspektors Krell und in das Isolierhaus versetzt. Die umfangreiche Gefangenenbibliothek verwandelt seine Strafzeit in eine Studienzeit. |
Zwickau, Schloss Osterstein |
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1868 |
Literarische Entwürfe entstehen: das
Repertorium C. May. |
Zwickau, Schloss Osterstein
Ernstthal, |
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1869 |
Etwa zum Jahresbeginn lernt May das
Dienstmädchen Auguste Gräßler aus Raschau kennen. Aus dieser Bekanntschaft entwickelt
sich eine Liebschaft. |
Ernstthal, Marktplatz 185
Eisenhöhle |
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1870 |
4. Januar: In Niederalgersdorf (Böhmen) wird
May als Landstreicher in einer Scheune aufgegriffen. Er nennt sich »Albin
Wadenbach«, Plantagenbesitzer aus Orby auf der Insel Martinique, Westindien. Ein
Lichtbild überführt ihn. |
Böhmen Mittweida Waldheim |
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1871 | Eine schriftstellerische Betätigung Mays ist nach der Zuchthausordnung in Waldheim völlig ausgeschlossen. »Das Schreibmaterial wird den Züchtlingen für jeden einzelnen Fall in der erforderlichen Menge von der Anstalt gegen Bezahlung gewährt, ebenso das Couvert, in welches jeder Brief eingeschlossen werden muß. Das Beiseitebringen von Schreibmaterialien ist verboten. Jeder Züchtling hat soviel Papier als er empfing, beschrieben oder unbeschrieben, ferner Dinte und Schreibstifte etc. wieder abzuliefern.« [§ 50] |
Waldheim | |||
1872 |
Der Anstaltskatechist Johannes Kochta wird May
zum väterlichen Freund. Die Begegnungen mit dem Katholiken hinterlassen bei May einen
bleibenden Eindruck; er findet zu sich selbst. |
Waldheim | |||
1873 |
Obwohl Lutheraner, spielt May beim katholischen Gottesdienst die Orgel. |
Waldheim | |||
1874 |
May ist bis Anfang März in der
Gefangenenbibliothek beschäftigt.
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Waldheim
Ernstthal, |
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1875 |
Mays Erzählung
Die Rose von Ernstthal, erschienen ab
Oktober 1874 bei Hermann Oeser in Neusalza, dürfte
den Verlagsbuchhändler H. G. Münchmeyer veranlasst haben,
May, den er noch aus den 60er Jahren kennt, aufzusuchen. Sein Redakteur
Otto Freitag hat im Streit gekündigt; Münchmeyer braucht dringend
Ersatz. 8. März: May begibt sich als ›Redakteur‹ nach Dresden-Altstadt; er wohnt im Jagdweg, in dem sich das Verlagsgebäude befindet. Dort redigiert er das Unterhaltungsblatt ›Der Beobachter an der Elbe‹. Münchmeyer nennt May vor seinen Verlagsarbeitern stets »Herr Doktor«. Diese Titulierung, die May später beibehält, ändert aber nichts daran, dass er am 24. März aus Dresden ausgewiesen wird. May, der noch ein gutes Jahr unter Polizeiaufsicht steht, darf Hohenstein und Ernstthal ohne Erlaubnis nicht verlassen. Fortan redigiert May in Ernstthal Münchmeyers ›Beobachter‹. Dort erscheint ab Ende Mai seine Novelle Wanda. Ferner verfasst er für seinen Verleger große Teile für das Buch der Liebe als Nachfolgewerk des berüchtigten ›Venustempel‹ (Geschichte der Prostitution und ihre Entstehung), der seit Dezember 1874 in Österreich, später auch im Deutschen Reich verboten ist. Anfang August kehrt May nach Dresden zurück; man hat ihm jetzt eine Aufenthaltsgenehmigung erteilt. Zwischenzeitlich reist er u.a. nach Essen, Dortmund, Berlin und Wien, um bei den Firmen Krupp, Borsig und Hartmann für seine neu zu gründende Arbeiter-Zeitschrift Schacht und Hütte zu werben. Ab September startet anstelle des ›Beobachters‹ neben Schacht und Hütte das Unterhaltungsblatt Deutsches Familienblatt. Ab Mitte Oktober erscheint Mays erste Winnetou-Erzählung Old Firehand. Weitere Erzählungen aus dieser Zeit: Der Gitano, Inn-nu-woh, Ein Stücklein vom alten Dessauer, Die Fastnachtsnarren, Geographische Predigten. Mays Verhältnis zu seinem Verleger wird familiär. Zu Weihnachten erhält er von dessen Frau Pauline ein Klavier geschenkt. |
Ernstthal, Marktplatz 185 Dresden-Altstadt, Ernstthal,
Dresden-Altstadt,
Dresden-Altstadt, |
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1876 |
Seit Anfang September 1875 wohnt Karl May im Wohngebäude Münchmeyers. Minna Ey, die Schwester von Pauline Münchmeyer, hält die Privaträume Mays in Ordnung. Sie soll mit May verkuppelt werden; der angehende Erfolgsautor zeigt nicht das geringste Interesse. 23. Februar: Hausdurchsuchung bei H. G. Münchmeyer. Die Polizei ermittelt aufgrund unerlaubten Vertriebs der Schriften ›Venustempel‹ und Buch der Liebe. 2. Mai: Mit diesem Tag endet Mays zweijährige Polizeiaufsicht. Anfang August kündigt May eine Fortsetzung zum Roman ›Fürst und Junker‹ an, der von Friedrich Axmann verfasst worden war:
Denjenigen Lesern des
»deutschen Familienblattes«,
welche sich mit den späteren Lebensschicksalen Dietrichs von Quitzow
bis zu seinem Tode bekannt zu machen wünschen, dürfte die Nachricht
nicht unwillkommen sein, daß der Autor dieses Thema zum Gegenstande
eines ebenso fesselnden, wie ergreifenden Romans:
»Dietrichs von Quitzow
letzte Fahrten« gewählt hat, welcher in Nummer 20 der diesjährigen
»Feierstunden am häuslichen Heerde«, einer im Münchmeyerschen
Verlage erscheinenden belletristischen Zeitschrift, beginnen wird.
Der angekündigte Quitzow-Roman startet
jedoch bereits in Nummer 10 der Feierstunden unter dem Autorennamen
›Karl May‹. |
Dresden-Altstadt, Jagdweg 14 Pillnitzer Straße 72 |
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1877 |
May wohnt in der Pillnitzer Str. 72
bei der Wittfrau Groh. In den nächsten Monaten schreibt er Die
beiden Nachtwächter, Der Dukatenhof, Die verhängnißvolle
Neujahrsnacht, Ziege oder Bock, Der Samiel,
Der Kaiserbauer. Am 26. Mai folgt ihm Emma Pollmer nach Dresden. Sie findet eine Anstellung im Haushalt der Pfarrerswitwe Auguste Petzold in der Mathildenstraße 18. Karl May wird Redakteur beim Verleger Bruno Radelli für den 2. Jahrgang des Unterhaltungsblattes ›Frohe Stunden‹; die erste Nummer erscheint Ende Juni. Ab der Nummer 10 publiziert May regelmäßig eigene Texte: Der Oelprinz, Die Gum, Ein Abenteuer auf Ceylon, Die Kriegskasse, Aqua benedetta, Auf der [hoher] See gefangen, Ein Self-man. Bei Peter Rosegger erscheint Die Rose von Kahira. Diese Erzählung war bereits im Vorjahr unter dem Titel Leilet von Münchmeyer herausgegeben worden. Aufgrund der Neupublikation hält Rosseger »Herrn Karl May … für einen vielerfahrenden Mann, der lange Zeit im Orient gelebt haben muß.« |
Dresden-Altstadt, Pillnitzer Straße 72 |
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1878 |
Seit Jahresbeginn wohnt May in einer Parterrewohnung
in Dresden-Strießen, wo ihm Emma die Wirtschaft führt; sie
gelten als Ehepaar. Er schreibt dort für die ›Frohen Stunden‹:
Husarenstreiche, Der Africander, Vom Tode erstanden,
Die Rache des Ehri, Nach Sibirien. Für Peter Rosseger
verfasst May Die falschen Excellenzen.
26. Januar: Emil Eduard Pollmer, Emmas trunksüchtiger Onkel, stirbt in Niederwürschnitz bei Stollberg; er war im Rausch unter ein Fuhrwerk geraten und konnte sich noch in den Pferdestall des Gasthofes ›Zum braven Bergmann‹ schleppen. Der Großvater Emmas, der Barbier Christian Gotthilf Pollmer, glaubt nicht an einen Unfall. Er verleitet May zum Recherchieren. 25. April: May ermittelt als »höherer, von der Regierung eingesetzter Beamter«. Obwohl er keinen Titel oder Dienstgrad nennt, legt man ihm dies als Amtsanmaßung aus. Am 11. Juni wird er deshalb in Dresden vorgeladen. Ende Juni endet Mays Redakteurzeit bei Radelli. Emma Pollmer zieht zu ihrem Großvater nach Hohenstein, Karl May zu seinen Eltern. Zeitweilig soll er sich in Berlin aufhalten. Möglicherweise sucht er eine neue Redakteurstelle. 6. September: Vernehmung auf dem Gerichtsamt in Hohenstein. 15. Oktober: Vernehmung in Stollberg und eine Gegenüberstellung am 25. Oktober. May verhält sich leichtsinnig; er verzichtet auf Rechtsbeistand. Im Sommer und Herbst verfasst er die Erzählungen: Des Kindes Ruf, Die Universalerben, Die Laubthaler und Der Waldkönig. |
Dresden-Strießen Straße Nr. 4 Villa Forsthaus Ernstthal, |
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1879 |
Am 9. Januar wird May vom Gerichtsamt Stollberg
wegen »unbefugter Ausübung eines öffentliches Amtes« (im Sinne des
§ 132 StGB) zu drei Wochen Gefängnis verurteilt. Dieses Urteil
ist, wie der Strafrechtler Erich Schwinge nachgewiesen
hat, eine Fehlentscheidung. Die Akten sind erhalten. May hat keineswegs
eine Amtshandlung vorgenommen. Einspruch (12. Mai) und Gnadengesuch (2.
Juli) werden abgewiesen. Vom 1.–22. September muss Karl May seine
Strafe im Arresthaus des Gerichtsamtes Hohenstein absitzen. Diese Blamage
hat er nie verwunden, wie zahlreiche Werkspiegelungen belegen. Die Beziehung mit Emma Pollmer ist aufgrund ihrer Untreue gefährdet; Karl May lebt vermutlich ständig bei seinen Eltern. Erfreulicher gestaltet sich seine literarische Tätigkeit. Erste Kontakte zur katholischen Wochenzeitschrift ›Deutscher Hausschatz‹ in Regensburg. In der Reiseerzählung Unter Würgern fällt dort zum ersten Mal der Name ›Old Shatterhand‹. Ende November erscheint beim Stuttgarter Verlag Franz Neugebauer seine Buchbearbeitung des Ferry-Romans ›Der Waldläufer‹ sowie sein erstes Jugendbuch Im fernen Westen. Weitere Publikationen in diesem Jahr: Ein Dichter, Der Giftheiner, Three carde monte, Unter Würgern, Der Girl-Robber, Der Boer van het Roer und der Stuttgarter Zeitschriftenroman Scepter und Hammer. Das darin enthaltene Kapitel Der tolle Prinz lässt auf ein ernstes Zerwürfnis mit Emma Pollmer schließen, die May dort als Emma Vollmer verewigte, welche ihren Geliebten betrügt. |
Ernstthal, Marktplatz 185 |
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1880 |
Januar:
»May, Dr. Karl
…« wird erstmals
im ›Allgemeinen Deutschen Literaturkalender‹ erwähnt. 19. Februar: Das Heiratsaufgebot von Karl May und Emma Pollmer wird in Hohenstein bestellt. Der Aushang erfolgt vom 20. Februar bis zum 7. März. Mai: Erstmals meldet der ›Deutsche Hausschatz‹, dass der Ich-Erzähler der Reiseabenteuer mit dem Verfasser Karl May identisch sei. 26. Mai: Emmas Großvater Christian Gotthilf Pollmer stirbt infolge eines Schlaganfalls in Hohenstein, und am 27. Mai stirbt Mays ältere Schwester Auguste Wilhelmine, verheiratete Hoppe, an Blutzersetzung. Wegen dieser Schicksalsschläge – wohl auch wegen Meinungsverschiedenheiten – findet die standesamtliche Trauung von Karl May und Emma Pollmer erst am 17. August statt. 12. September: Kirchliche Trauung in der Hohensteiner Kirche St. Christopheri, anschließend Umzug in das Haus ›Am Markt 2‹. Erwähnenswerte Veröffentlichungen in diesem Jahr: Deadly Dust, Der Brodnik, Die Juweleninsel, Der Kiang-lu, Tui Fanua. |
Ernstthal, Marktplatz 185
Hohenstein |
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1881 |
Januar: In der Hausschatz-Reiseerzählung
Giölgeda padishanün – später Durch die
Wüste
und Folgebände – treten zum ersten Mal der Ich-Erzähler Kara Ben Nemsi
und sein Diener Hadschi Halef Omar auf. Dieser Orientzyklus wird
literarisch lediglich von seinem Alterswerk übertroffen. März: Der ›Deutsche Hausschatz‹ schreibt in seiner Nummer 9: »›Hausschatzleser in Westfalen.‹ Der Verfasser der Reise-Abenteuer hat alle Länder, welche der Schauplatz seiner Erzählungen sind, selbst bereist. Unlängst ist er von einem Ausflug nach Rußland, Bulgarien, Konstantinopel etc. zurückgekehrt, und zwar mit einem Messerstich als Andenken. Denn er pflegt nicht, mit dem rothen Bädeker in der Hand im Eisenbahn-Coupé zu reisen, sondern er sucht die noch wenig ausgetretenen Pfade auf. – Besten Dank für Ihre Grüße!« November 1881: Die Zeitung ›Le Monde‹ beginnt mit dem Abdruck einer französischen May-Übersetzung. |
Hohenstein, Am Markt 2 |
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1882 |
May arbeitet intensiv an seinem Orientzyklus im
›Deutschen
Hausschatz‹. Die Reise-Abenteuer in Kurdistan sowie
Die Todeskaravne gelingen ihm hervorragend. Den Schluss seiner
Juweleninsel für den Stuttgarter Verlag Göltz
& Rühling schreibt er dagegen lustlos; dementsprechend endet dieser
Roman.
»Geehrte Frau!
Emmas Vermittlung ist erfolgreich:
Waldröschen oder die Rächerjagd rund um die Erde
startet Anfang Dezember unter dem Pseudonym Capitain Ramon Diaz de
la Escosura und wird in der Folgezeit zum Kassenschlager. |
Hohenstein, Am Markt 2 |
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1883 |
Mit ziemlicher Sicherheit reist May Anfang
Februar nach Dresden, um Münchmeyer zu besuchen. Emma folgt später
nach. Zwischen ihr und der Verlegerfrau Pauline entwickelt sich eine intime
Freundschaft. 6. April: Emma Mays Jugendfreundin Ida Metzer hält in ihrer Hohensteiner Wohnung eine spiritistische Sitzung ab; Karl May nimmt teil. 7. April: Umzug von Hohenstein nach Blasewitz (seit 1921 Stadtteil von Dresden). Im Blasewitzer Adressbuch ist May als »Literat und Redacteur« gemeldet. Sehr wahrscheinlich redigiert der »Redacteur« mit Münchmeyer gemeinsam den ›Deutschen Wanderer‹ Er sollte auf derselben Höhe stehen, wie die beiden im Jahre 1875 von mir gegründeten Unterhaltungsblätter. Im ›Wanderer‹ erscheint ab Ende September, jetzt für 50 Mark Honorar, Die Liebe des Ulanen. May verfasst in diesem arbeitsreichen Jahr ferner: Stambul, Im »wilden Westen« Nordamerika's, Der Amsenhändler, Pandur und Grenadier. Eine Mitarbeit für Joseph Kürschner (Herausgeber des Literaturkalenders) muss er aus Zeitmangel ablehnen. Der Hausschatz-Redakteur Venanz Müller bittet vergeblich um weiteres Manuskript, als May immer intensiver für Münchmeyer arbeitet. Ein Mythos entsteht: »Die Fortsetzung der Reise-Erzählungen von Karl May wird in dem bald beginnenden neuen Jahrgang unserer Zeitschrift Statt finden. Der Herr Verfasser ist wieder auf Reisen.« – Deutscher Hausschatz, 9. Jg., Nr. 50, September 1883. »An mehrere Abonnenten. Dr. K. May ist wieder auf der Rückkehr nach Deutschland begriffen. Die Fortsetzung der Reiseabenteuer wird nun nicht mehr lange auf sich warten lassen.« – Deutscher Hausschatz, 10. Jg., Nr. 12, Dezember 1883. |
Hohenstein, Am Markt 2 Blasewitz, |
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1884 | Vermutlich Anfang April zieht May mit seiner Frau Emma in die Prinzenstraße 4. Mit dem Ende des Waldröschens startet im August ein weiterer Kolportageroman für Münchmeyer: Der verlorne Sohn oder der Fürst des Elends. Die Arbeiten für den ›Deutschen Hausschatz‹ geraten ins Stocken. Der letzte Ritt, Teil des Orientzyklus, wird ab Mitte Dezember für ein halbes Jahr unterbrochen; Leser und Redaktion sind verärgert. |
Blasewitz, Sommerstr. 7 Dresden-Altstadt, |
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1885 | 15 April: Mays Mutter stirbt an einer Geschwulst, vermutlich Krebs. Etwa einen Monat später erleidet Mays Vater einen Schlaganfall. Manuskriptlieferungen bleiben durch diese Schicksalsschläge aus. Die Liebe des Ulanen ist vier Wochen ohne Fortsetzung. Als Notlösung gelangen Teile des verlornen Sohns unter dem Titel Ulane und Zouave als Fragment in den ›Deutschen Wanderer‹. Im Juni hat sich Mays Psyche soweit erholt, dass er weiter schreiben kann; er setzt sogar im Sommer für einige Monate seinen Orientzyklus fort. Sein Ulanen-Roman endet im Oktober. Weihnachten startet sein vierter Münchmeyer-Roman Deutsche Herzen, deutsche Helden. |
Dresden-Altstadt, Prinzenstr. 4 |
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1886 |
27. Februar: Mays ehemaliger katholischer Anstaltslehrer
Kochta stirbt. Ende Juli endet Mays verlorner Sohn. Um gleich den Nachfolgeroman veröffentlichen zu können, waren etwa Mitte Juni ca. 50 Manuskriptseiten für den Roman Delila entstanden. Ziemlich zeitgleich starb unter mysteriösen Umständen am 13. Juni König Ludwig II. von Bayern – für Kolportage-Verleger eine Sensationsnachricht. May bricht deshalb Delila ab (blieb Fragment) und schreibt einen Roman über den Märchenkönig: Der Weg zum Glück. Es sollte sein letzter Münchmeyer-Roman werden. Zum Jahresende beginnt er mit der Jugenderzählung Der Sohn des Bärenjägers für den Stuttgarter Spemann-Verlag. |
Dresden-Altstadt, Prinzenstr. 4 |
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1887 |
8. Januar: Die Knabenzeitschrift ›Der Gute Kamerad‹ startet mit Mays Sohn des Bärenjägers. Währenddessen bekommt Münchmeyer Probleme, seine Lieferungshefte pünktlich erscheinen zu lassen:
»Mein lieber Doktor! Etwa Anfang April: Umzug in die Schnorrstraße 31. Mitte August beginnt May mit der Niederschrift von Durch das Land der Skipetaren; diese Reiserzählung bildet den Abschluss des Orientzyklus im ›Deutschen Hausschatz‹. |
Dresden-Altstadt, Prinzenstr. 4 Schnorrstr. 31 |
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1888 |
Anfang Januar endet der Münchmeyer-Roman Deutsche
Herzen, Deutsche Helden. May gönnt sich keine Pause – er
schreibt seine Jugenderzählung
Der Geist der Llano estakata. Mitte Januar beginnt der
›Hausschatz‹ mit dem Abdruck der
Skipetaren-Reiseerzählung. Anfang Februar startet Der
Geist der Llano … im ›Guten Kameraden‹. »Heiß wogt unter unseren Lesern der Kampf um die Romane des Reiseerzählers Carl May. Während der eine Theil in fulminanten Zuschriften bei der Redaktion sich beklagt, daß die Romane einen so großen Raum einnehmen, der viel kostbarer verwendet werden könne, verlangt der andere in nicht minder bestimmten Ausdrücken, daß sofort im neuen Jahrgang wieder mit einer Erzählung von Carl May begonnen werde. Da ist die Redaktion denn doch gezwungen, den goldenen Mittelweg einzuschlagen, um beiden Theilen gerecht zu werden.«
1. Oktober: Umzug von Dresden nach Kötzschenbroda
in die Villa Idylle, Schützenstraße 6. |
Dresden-Altstadt, Schnorrstr. 31 Kötzschenbroda, |
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1889 |
Vermutlich im Frühjahr lernen Karl
und Emma May das Ehepaar Plöhn kennen. Richard Plöhn, Besitzer
einer Verbandstoff-Fabrik, wird Mays bester Freund, und Plöhns Frau
Klara – in den nächsten Jahren Emmas Busenfreundin – wird noch eine
wichtigere Rolle in Mays Leben spielen. Karl May verfasst in diesem arbeitsreichen
Jahr ca. 3770 Manuskriptseiten! Veröffentlichungen: Die Sklavenkarawane, Im Mistake-Cannon, Sklavenrache, Lopez Jordan. |
Kötzschenbroda, Schützenstr. 6 Villa Idylle |
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1890 |
14. Januar: Mays Vermieterin reicht
beim Amtsgericht Dresden Zahlungsklage wegen Mietsäumnis ein. Die
fällige Quartalsmiete (200 Mark) für die teure Villa Idylle
muss May trotz seines Schreibfleißes schuldig bleiben. Sein
Dienstmädchen muss er am 19. März entlassen. Vermutlich Anfang April: Umzug nach Niederlößnitz, Lößnitzstraße 11. Wichtige Veröffentlichungen: Christus oder Muhammed, Der Schatz im Silbersee, Der Schatz der Inkas. Ende Oktober erscheint die Buchausgabe Der Sohn des Bärenjägers, laut Titelblatt Die Helden des Westens (im Band inklusive Der Geist des Llano estakado), in der Stuttgarter ›Union Deutsche Verlagsanstalt‹. |
Niederlößnitz, Lößnitzstr. 11 |
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1891 |
8. April: Umzug nach Oberlößnitz
in die Villa Agnes, Nizzastraße 13.
28. Mai: »… erwachte die Frau des Dr. May durch ein Geräusch
im Parterre. Sie weckte ihren Mann, der sich sofort nach unten begab, wo
er zu seiner Überraschung … sämmtliche Schränke
und Kommoden geöffnet und deren Inhalt zum Theil auf dem Boden verstreut
fand. Außerdem hatte der Einbrecher eine Axt auf das Bett gelegt.
Von dem Diebe, der nach Aufbrechen eines Fensterladens und Zerbrechen mehrerer
Fensterscheiben in das Zimmer gedrungen, war nichts mehr zu bemerken
…« [Kötzschenbrodaer Zeitung vom 30. Mai]
Im lieben, schönen Lößnitzgrund
November:
Karl und Emma May nehmen die neunjährige Nichte Clara (»Lottel«) Selbmann als Tochter zu sich. |
Niederlößnitz, Lößnitzstr. 11 Oberlößnitz, |
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1892 |
6. April: Der Kolporteur H. G. Münchmeyer stirbt
an fortgeschrittener Lungenschwindsucht in Davos (Schweiz). 10. Mai: Der erste Band der Fehsenfeld-Reihe Durch Wüste und Harem (In den Nachauflagen Durch die Wüste ) erscheint. Es folgen Durchs wilde Kurdistan, Von Bagdad nach Stambul, In den Schluchten des Balkan, Durch das Land der Skipetaren, Der Schut. Karl May wird ein wohlhabender Mann.
Im Sommer verkehrt Emma heimlich mit Offizieren. Mays Nichte Lottel erzählt alles ihrem Onkel. Es kommt zum Ehestreit. Ein weiteres Zusammenleben Emmas mit Mays Nichte ist unmöglich. Im August wird Lottel von ihrer Mutter, Mays Schwester Karoline, heimgebracht. Ab September beginnt der ›Hausschatz‹ mit dem 2. Teil des Mahdi. Als Union-Buchausgabe erscheint im Oktober Kong-Kheou, das Ehrenwort unter dem Titel Der blau-rote Methusalem. |
Oberlößnitz, Nizzastraße 1 d Villa Agnes |
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1893 |
Juni: Karl und Emma May reisen in den Schwarzwald. Anschließend besuchen sie das Verlegerehepaar Fehsenfeld; gemeinsam geht es in die Schweiz nach Bönigen am Brienzer See. Am 17. September schreibt May seinem Verleger Fehsenfeld: Ihr Zorn ist gerechtfertigt, doch bin ich nicht so sehr schuldig, wie Sie denken. Der Hauptgrund, daß ich nichts fertig brachte, ist meine gegenwärtige gegen früher hochgradig gesteigerte Nervosität, auf welche meine Frau nicht die mindeste Rücksicht nimmt, und dann ein familiärer, über den ich nicht schreiben kann. Meine Frau ist seit der unglückseligen Reise eine ganz andere geworden. … Ich bin infolge häuslicher Zerwürfnisse jetzt immer so niedergeschlagen, daß ich oft nach der Wand über meinem Schreibtisch sehe, wo der geladene Revolver hängt. Man bedarf doch der Ruhe, so oder so!
Am 26. November schreibt May an Fehsenfeld,
dass
er wegen seines Augenleidens »kürzlich zweimal in Leipzig« gewesen
sei. |
Oberlößnitz, Nizzastraße 1 d Villa Agnes |
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1894 |
März: May leidet an Influenza mit Rippenfellentzündung.
Auch seine Augen machen ihm zu schaffen. Anfang Mai fährt er mit
Emma zur Erholung in den Harz. Sein Gesundheitszustand ist nicht gut, weshalb
er sich eines Schreibers bedienen muss. (May in einem Brief an Fehsenfeld
vom 9. Mai) Vermutlich im Sommer schreibt May über sich als ›Old Shatterhand‹ folgende Passage für Old Surehand I: Ich wurde als ein krankes, schwaches Kind geboren, welches noch im Alter von sechs Jahren auf dem Boden rutschte, ohne stehen oder laufen zu können … Ich bin dreimal blind gewesen … [S. 411f.] Dies ist eine kleine dichterische Übertreibung, aber hierin mag sich Mays Angst vor einer erneuten Erblindung widerspiegeln. Ab September erscheint im ›Deutschen Hausschatz‹ Krüger Bei (später Satan und Ischariot II); dort erfahren die Leser um Weihnachten von einem Winnetou-Besuch beim Dresdner Gesangsverein! Ein 440 Manuskriptseiten umfassendes Kapitel In der Heimath wird von Heinrich Keiter gestrichen. Oktober: Im Hause der Verlegerwitwe Münchmeyer verlangt May die längst fällige Abrechnung seiner fünf Münchmeyer-Romane. Später erhält er einen Satz gebundener Exemplare seiner Lieferungsausgaben. Die Originalmanuskripte der Münchmeyer-Romane sind nicht mehr vorhanden, ihre Vernichtung war durchaus branchenüblich. 27. November: Pauline Münchmeyer bittet um einen neuen Roman, womöglich soll Delila (1886) fortgeführt werden. May lehnt ab. Fehsenfeld-Buchausgaben: Am Stillen Ocean, Am Rio de la Plata, In den Cordilleren, Old Surehand I. Weitere Buchausgaben: Die Rose von Kairwan (Wehberg, Osnabrück), Der Schatz im Silbersee (Union). |
Oberlößnitz, Nizzastraße 1 d Villa Agnes |
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1895 |
In diesem Jahr besucht der in Lawrence / USA lebende
Ferdinand Pfefferkorn mit seiner Frau den einstigen Schulfreund Karl May.
Die Pfefferkorns sind dem Spiritismus sehr zugetan. Im Hause Mays werden
Séancen abgehalten, wobei mit sehr großer Wahrscheinlichkeit
das befreundete Ehepaar Plöhn anwesend ist. 23. Dezember: Kauf einer neuen Villa! [für 37300 Mark] Großer Umzug und neue Einrichtung! Tag und Nacht Manuscript schreiben! [May an Carl Felber] 30. Dezember: Der Grundbuch-Eintrag erfolgt für den Kauf der Villa in der Kirchstraße 5 (heute Karl-May-Straße 5), Radebeul. Buchausgaben: Old Surehand II (Fehsenfeld), Das Vermächtnis des Inka (Union).
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Oberlößnitz, Nizzastraße 1 d Villa Agnes Radebeul, Kirchstraße 5 Villa »Shatterhand.«
Heute |
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1896 |
März/April: Karl May erhält die vom Dresdner Büchsenmacher Max Fuchs im Auftrag hergestellte Silberbüchse und den Bärentöter. Er will damit die Echtheit seiner Reisen dokumentieren, um gleichzeitig innerlich seine traurige Vergangenheit zu vergessen. May vermarktet sich gekonnt, wie ein moderner Showstar.
Ostern: Der Amateurphotograph Alois Schießer, aus
Linz angereist, macht 101 Kostümaufnahmen mit Karl May als Old Shatterhand
und Kara Ben Nemsi. Die Old-Shatterhand-Legende strebt spektakulär ihrem Höhepunkt
zu; es bilden sich zahlreiche Karl-May-Klubs. Die Nacht, oft zwei, drei Nächte hintereinander, ohne dann am Tage schlafen zu können, ist überhaupt meine Arbeitszeit, der vielen Besuchern wegen, welche täglich kommen, um »ihren« Old Shatterhand resp. Kara Ben Nemsi Effendi persönlich kennen zu lernen.
Im ›Guten Kameraden‹ wird ab September Mays letzter
Jugendroman Der schwarze Mustang abgedruckt. |
Radebeul, Kirchstraße 5 Villa »Shatterhand.«
Heute |
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1897 |
26. Januar:
»Herr Keiter, der sich für die
Folge jedes literarischen Eingriffs in Ihre Manuskripte enthalten wird, beginnt
im 8ten Heft des ›Hausschatz‹ mit Ihrer neuen so sehnlich erwarteten Reiseerzählung
›Im Reiche des silbernen Löwen‹ … Hoffentlich erfreuen Sie uns
recht bald mit der Fortsetzung des hochinteressanten Manuskripts.« [Friedrich
Pustet jun. an Karl May] Erster Tag über 900 Besuche, zweiter Tag über 600, dritter wieder 800. Bin gegen Abend zur Seitenthüre hinaus und entflohen. Dann standen die Gymnasiasten, um Autogramme zu erjagen, in solchen Massen vor dem Hotel, daß die Tramway nicht hindurch konnte und sie mit dem Schlauch auseinandergespritzt werden mußten. Tatsache! [Brief an Fehsenfeld vom 27. Juli] Buchausgaben: Auf fremden Pfaden, Weihnacht (Fehsenfeld) Der Oelprinz (Union). |
Radebeul, Kirchstraße 5 Villa »Shatterhand.« |
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1898 |
22. Februar: Ihre Kaiserliche Hoheit Erzherzogin
Maria Therese empfängt Karl May. 6. Mai: In Gartow (Niedersachsen) wird May von zwei Polizeibeamten festgesetzt; er darf sein Hotelzimmer nicht verlassen. Man hält ihn für einen Hochstapler, weil er für die kleinsten Dienstleistungen reichliche Trinkgelder gibt. Aus Radebeul kommt schließlich die Nachricht: »Karl May hier wohnhaft, übt sehr gern Wohltätigkeit.« Am 30. August stirbt Heinrich Keiter; sein Nachfolger als Redakteur des ›Deutschen Hausschatzes‹ wird Dr. Otto Denk. In dieser Zeit kommt es für neun Jahre zum Bruch mit dem Wochenblatt; es bildet sich eine katholische Opposition gegen May. Buchausgaben bei Fehsenfeld: Im Reiche des silbernen Löwen I–II. Ferner erscheinen Ernste Klänge, ein Heft mit den beiden May-Partituren Ave Maria und Vergiß mich nicht! |
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1899 |
In den Monaten Januar bis März stellt May seinen
Roman Am Jenseits fertig; er befindet sich auf dem besten Weg zur
Hochliteratur. Lesen Sie die Correcturen von Band 25? Ja? Dann werden
Sie gemerkt haben, daß Karl May jetzt beginnt, mit seinen eigentlichen
Absichten herauszurücken. Es handelt sich um eine wohlvorbereitete,
großartige Bewegung auf religiös-ethisch-sozialem Gebiete
… Die bisherigen Bände waren nur dazu geschrieben, mir eine möglichst
große Zahl von Lesern als Arbeitsfeld zu schaffen. [May an
Fehsenfeld, 13. März] 16. März: Pauline Münchmeyer verkauft ihren Verlag an Adalbert Fischer, der sich besonders für Mays Kolportage-Romane interessiert. 26. März: Abreise in den Orient. Wichtige Stationen: Genua (4. April – Abschied von Emma und dem Ehepaar Plöhn aus gesundheitlichen Gründen), Port Said (9. April), Kairo (30. April – dort engagiert May etwas später den arabischen Diener Sejd Hassan), Beirut (26. Juni), Haifa (18. Juli), Jerusalem (30. Juli), Jaffa (21. August – 2. September), Aden/Südarabien (15. September). Es haben mich viele auf dem Schiff [Gera] lieb gewonnen, obgleich ich jetzt das gerade Gegentheil vom früheren Karl bin. Der ist mit großer Ceremonie von mir in das rothe Meer versenkt worden, mit Schiffssteinkohlen, die ihn auf den Grund gezogen haben … [Brief an Plöhns vom 16. September] 10. November: Ankunft in Pandang auf Sumatra. May leidet an Gefühlsausbrüchen, verweigert sämtliche Nahrung und soll sich wie ein Irrsinniger benehmen – möglicherweise leidet er nur an der Ruhr. Genaues ist nicht bekannt. Dieser Zustand dauert etwa eine Woche an. 22. November: May schickt von Padang eine Depesche nach Radebeul; er fordert Emma auf, mit den Plöhns nach Port Said zu kommen. 11. Dezember: May muss wegen Krankheit und Pestverdacht in Quartäne. Am 18. Dezember darf er Port Said verlassen. Sein Freund Richard Plöhn, der an der Brightschen Nierenkrankheit leidet, befindet sich inzwischen schwer krank mit Klara und Emma in Arenzano (20 km westlich von Genua). May erfährt ihren Aufenthaltsort und reist dorthin. In Deutschland haben inzwischen heftige Presseangriffe gegen May eingesetzt: Insbesondere Dr. Fedor Mamroth (Frankfurter Zeitung) und Hermann Cardauns (Kölnische Volkszeitung) kritisieren Mays Selbstreklame und die damit verbundene Old-Shatterhand-Legende. Die Auseinandersetzung, die zunächst einigermaßen sachlich beginnt, wird in den folgenden Jahren polemisch, geradezu bösartig: eine Hetzjagd beginnt. Buchausgaben: Am Jenseits (Fehsenfeld), Der schwarze Mustang (Union). |
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1900 |
Bis zum 14. März bleiben Karl und Emma May
sowie Richard und Klara Plöhn in Arenzano; dann geht es u.a. nach Pisa,
Rom, Neapel, Port Said, Kairo, Gizeh, Jaffa, Jerusalem, Hebron, Jericho,
Tiberias, Nazareth, Haifa, Libanon, Baalbek, Damaskus und Zypern.
In Istanbul leidet May erneut an Gefühlsausbrüchen. Klara Plöhn befürchtet, »man müsse ihn einer Irrenanstalt zuführen«! Mays spätere Ehefrau hatte offensichtlich ein Gespür für farbige Beschreibungen und mag hier etwas übertrieben haben. Den Abschluss der Reise bilden: Korinth, Bologna, Athen, Korfu, Venedig und Bozen. 25. März: Der Münchmeyer-Nachfolger Adalbert Fischer missachtet Mays Urheberrechte und bringt Die Liebe des Ulanen neu heraus. Die anderen vier Münchmeyer-Romane sollen bald folgen, teilweise in einer Bearbeitung des Schriftstellers Paul Staberow. 17. Juni: May nimmt in Beirut wehmütigen Abschied von seinem Diener Sejd Hassan. 31. Juli: Ankunft in Radebeul, nach 15 Monaten Abwesenheit. Karl May ist ein anderer Mensch geworden – die Old-Shatterhand-Legende ist tot. Allein Menschenliebe und Aussöhnung der Völker sind fortan seine großen Ideale; auch im Privatleben gibt es eine Zäsur: die Sinnlichkeit Emmas vermag ihn nicht mehr zu fesseln. Alle meine bisherigen Bände sind nur Einleitung, nur Vorbereitung. Was ich eigentlich will, weiß außer mir kein Mensch … Ich trete erst jetzt an meine eigentliche Aufgabe … [Brief Mays an seinen Verleger Fehsenfeld vom 10. September] Zum Weihnachtsfest erscheint Mays Gedichtband Himmelsgedanken. |
Radebeul, Kirchstraße 5 Villa »Shatterhand.« |
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1901 |
14. Februar: Mays Freund Richard Plöhn stirbt
an seinem Nierenleiden. Seine Frau Klara ist erschüttert; sie ist
jetzt Dauergast in der Villa »Shatterhand.« Für Joseph Kürschners Sammelwerk ›China. Ein Denkmal den Streitern und der Weltpolitik. Schilderungen aus Leben und Geschichte, Krieg und Sieg.‹ schreibt Karl May den pazifistischen Roman Et in terra pax. Der ›China‹-Band erscheint in sehr prunkvoller Ausstattung und soll den Sieg der verbündeten Mächte im Chinesischen Boxeraufstand verherrlichen. Der Herausgeber erwartet von May eine heldenhafte Reiseerzählung und ist stattdessen über den pazifistischen Inhalt verärgert. Da das Manuskript vom Autor in mehreren Postsendungen abgegeben wird, bemerkt Kürschner nicht sofort das ›Kuckucksei‹. Der Herausgeber entschuldigt sich im Vorwort bei seinen Lesern: »Karl Mays Reiseerzählung [...] hat einen etwas anderen Inhalt und Hintergrund erhalten, als ich geplant und erwartet hatte«. – Mit voller Absicht hat Karl May die imperialistische Tendenz des hurrapatriotischen Werks konterkariert: Mit dieser Art von Gong habe ich nichts zu tun! Ende September reist May mit Emma und Klara in die Schweiz zum Vierwaldstätter See. Im Herbst verfasst er als Antwort auf die polemischen Presseangriffe die anonyme Broschüre »Karl May als Erzieher« und »Die Wahrheit über Karl May« 10. Dezember: May verklagt Adalbert Fischer wegen unbefugten Nachdrucks seiner Münchmeyer-Romane. |
Radebeul, Kirchstraße 5 Villa »Shatterhand.« |
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1902 |
Zu Beginn des Jahres hält der Kölner Redakteur
Hermann Cardauns mehrere Anti-May-Vorträge, in denen er Mays Münchmeyer-Romane
als »abgrundtief unsittlich« bezeichnet.
Im Sommer reisen Karl May, Emma und Klara über
Berlin, Hamburg, Leipzig und München nach Bozen und schließlich
zur Mendel. Im Hotel Penegal endet am 21. August die Ehe Karl Mays mit
Emmas Worten: »Nimm Du den Kerl, ich mag ihn nicht mehr!« Die näheren
Umstände, die schließlich zur Scheidung führten, sind bislang
nicht zufriedenstellend erforscht. Man darf annehmen, dass sich der
Umgang mit Emma bedingt durch ihre Wechseljahre ungemein schwierig gestaltete;
auch sind Anzeichen zunehmender geistiger Verwirrung nicht ausgeschlossen (Emma
starb am 13. Dezember 1917 in einer Heilanstalt). Dabei neigte sie offensichtlich
zu Wutausbrüchen, die sich gegen Karl May richteten und den Fortbestand
der Ehe unmöglich machten. Fraglos nutzte Klara Plöhn nur all zu
gern die Gunst der Stunde. Letztlich fanden sich aber in Karl und Klara
zwei Menschen, die besser zueinander passten. |
Radebeul, Kirchstraße 5 Villa »Shatterhand.« |
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1903 |
14. Januar: Die Ehe Mays wird geschieden 4. März: Die Ehescheidung wird rechtskräftig. 30. März: Standesamtliche Trauung von Karl May und Klara Plöhn. Einen Tag später erfolgt die kirchliche Trauung in der Lutherkirche zu Radebeul. 25. Mai: Bei Adalbert Fischer erscheinen Mays Erzgebirgische Dorfgeschichten. 3. November: Emma erhält von May eine Jahresrente von 3000 Mark; dafür muss sie mindestens 100 km von Dresden entfernt wohnen – sie zieht nach Weimar. Anfang November gelingt es dem Münchmeyer-Anwalt Dr. Gerlach, die Beiziehung von Mays Strafakten zu veranlassen. Die Folgen stellen sich am 8. November ein. May ist schwer erkrankt: hohes Fieber mit Herzschwäche. Fehsenfeld-Buchausgabe: Im Reiche des silbernen Löwen IV. |
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1904 |
8. März: Karl und Klara May besuchen
in Meißen den Maler Sascha Schneider. Er soll sämtliche Fehsenfeld-Bände
mit anderen Titelbildern versehen, um insbesondere den künstlerischen,
pazifistischen Wert seiner Werke zu betonen – eine deutliche Abkehr vom so
genannten ›Jugendschriftsteller‹.
Mitte September erscheint Et in terra pax in der Fehsenfeld-Buchausgabe erweitert unter dem Titel Und Friede auf Erden! 26. September: Pauline Münchmeyer wird zur Rechnungslegung verurteilt, sobald Karl May den Parteieneid leistet. Weihnachten: Aus Rache für ein nicht bewilligtes Darlehen, das der skrupellose Pressebandit Rudolf Lebius von May zu erhalten suchte, prangen an den Schaufenstern der Dresdner Buchhändlerläden große Plakate, auf denen in weithin sichtbarer, rotfarbiger Riesenschrift die Ankündigung »Die Vorstrafen Karl Mays« zu lesen ist. |
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1905 |
Im Frühjahr erscheint als Privatdruck Mays
Prozessschrift Ein Schundverlag. Dort berichtet er über
seine Zeit bei Heinrich Münchmeyer. 1909 wird der Privatdruck
Ein Schundverlag und seine Helfershelfer folgen. Am 3. Oktober wird eine Beleidigungsklage Mays gegen Lebius vor dem Dresdner Landgericht verhandelt. Durch einen taktischen Fehler des May-Anwalts Klotz kommt es zur Verlesung des Vorstrafenregisters von Karl May. Im selben Monat besucht May in Dresden einen Vortrag der Friedensnobelpreisträgerin Bertha von Suttner (1843–1914), zwischen beiden entwickelt sich eine tiefe Seelenfreundschaft. |
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1906 |
5. Februar: Karl May gewinnt den
Münchmeyer-Prozess
in 2. Instanz. 30. Juni: Rudolf Lebius unterstellt May verbrecherische Erbschäden. 1. September: Mays Drama Babel und Bibel. Arabische Fantasia in zwei Akten erscheint bei Fehsenfeld in einer Auflage von 1200 Exemplaren. |
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1907 |
9. Januar: May gewinnt vor dem Reichsgericht in Leipzig den Münchmeyer-Prozess in dritter Instanz. Über die Höhe der Entschädigungssumme muss noch entschieden werden. Mays Rechtsanwalt Rudolf Netcke beziffert den unerlaubten Gewinn allein beim Waldröschen auf 250.000 Mark! Am 11. Februar leistete May folgenden Eid:
Ich schwöre bei Gott dem Allmächtigen
und Allwissenden
7. April: Der Münchmeyer-Nachfolger Adalbert Fischer
stirbt. Am 15. April 1907 erstattet der Münchmeyer-Anwalt
Dr. Gerlach gegen May und dessen Mitstreiter Anzeige wegen Meineides.
Der Vorwurf erweist sich als haltlos. Münchmeyers Nachfolger … hat derartige Umgestaltungen ausführen lassen, dass sich zwischen der alten und seiner neuen Ausgabe ein Unterschied von hunderten von Seiten ergibt. Das ist doch geradezu grässlich! Wenn irgend ein Mensch es wagte, das Gemälde eines Malers beschneiden und überpinseln oder die Statue eines Bildners behacken und bemeiseln zu lassen und diese Verballhornisierungen als Originalwerke der betreffenden Erzeuger zu verkaufen, so würde sich die gesamte Presse des Geschädigten annehmen und den Fälscher derartig brandmarken, dass er sich nicht wieder sehen lassen könnte. [Karl May: Ein Schundverlag, S. 852f.]
13. September: Es kommt zu einer Begegnung
mit dem Hausschatz-Redakteur Otto Denk. Nach neun Jahren Pause ist May
jetzt bereit, wieder für den ›Deutschen Hausschatz‹ zu schreiben.
Umgehend beginnt er mit der Niederschrift von Der 'Mir von Dschinnistan. Damit
– wie schon mit den Schlussbänden des
Silbernen Löwen – schafft er den Sprung zur Hochliteratur. Bei den Lesern des
›Hausschatzes‹, die spannende Reiseerzählungen im alten Stil erwarten,
findet dieser Roman wenig Anklang. |
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1908 |
8. März: In einem Testament verfügt May die
Errichtung einer mildtätigen Stiftung. 23. März bis 23. April: Im ›Grazer Volksblatt‹ erscheint Abdahn Effendi. Der Anthropologe und Sexualforscher F. S. Krauss besucht May und nennt ihn ›einen Segen für die Menschheit‹. In diesem Jahr unternimmt Karl May mit seiner Klara die erste und einzige Amerikareise. Die Stationen: Bremen (5. September), New York (16. September), Albany (22./23. September), Buffalo (Ende September), Niagara-Falls (Anfang Oktober), Lawrence/Massachusetts beim Schulfreund Pfefferkorn (Oktober), Boston und New York (November).
Am 4. November sind die Mays vermutlich wieder in Radebeul. Anfang Dezember befinden sie sich kurze Zeit in London. |
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1909 |
31. Juli:
Mays Merhameh erscheint
im ›Eichsfelder Marienkalender 1910‹ September: Dr. Adolf Droop publiziert die Studie: »Karl May. Eine Analyse seiner Reise-Erzählungen«. 22. November: Rudolf Lebius schreibt der Emma-Freundin und Kammersängerin Selma vom Scheidt, dass er Karl May »für einen geborenen Verbrecher hält«. 17. Dezember: Karl May reicht wegen dieses Briefes beim Schöffengericht Berlin-Charlottenburg eine Beleidigungsklage gegen Lebius ein. 8. Dezember: May hält in Augsburg den Vortrag Sitara, das Land der Menscheitsseele. Fehsenfeld-Buchausgaben: Ardistan und Dschinnistan I und II. |
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1910 |
10. Januar: Karl May stellt einen Strafantrag gegen
Rudolf Lebius wegen schlimmster Verleumdungen in dessen Artikel »Hinter den
Kulissen« im Wochenjournal ›Der Bund‹ vom 19. Dezember 1909. Lebius
hatte u.a. aufgrund von Falschaussagen des Gartenarbeiters Hieronymus Richard
Krügel behauptet, May sei jahrelang als Räuberhauptmann durch die
Wälder gezogen, habe fast täglich Einbrüche begangen,
Marktweiber überfallen, seine neunjährige Nichte sexuell
missbraucht
und den Großvater seiner ersten Frau Emma erwürgt! Wegen der vielen Erkrankungen Mays, die wahrscheinlich durch die Rufmord-Kampagnen ausgelöst worden waren und schließlich zum Tod des Dichters führten, sollte es zu einer Hauptverhandlung nicht mehr kommen. Laut Rechtsexperten wäre Lebius im Hauptverfahren mit Gefängnis bestraft worden. Am 12. April wird Lebius im Beleidigungsprozess (Klage vom 17. Dezember 1909) wegen des Briefes an Selma vom Scheidt) zunächst freigesprochen; May geht in die Berufung. 12. Mai: Ich habe nie geleugnet, daß ich vor fast 50 Jahren mit den Strafgesetzen in Conflict gekommen bin. Das was ich that, würde jetzt vor den Arzt, nicht aber vor den Richter gehören. Meine Gegner wühlen das auf und fügen raffiniert Erlogenes hinzu. Es sind fünf Strafanträge gestellt, aus denen die Wahrheit hervorgehen wird. [May in einem Brief an Peter Rosegger] Im August ist Dr. E. A. Schmid für einige Tage Gast in der Villa »Shatterhand.« Nach Mays Tod wird er als Leiter des Karl-May-Verlags durch seinen unermüdlichen Einsatz Mays Ansehen weitgehend wieder herstellen. Fehsenfeld-Buchausgaben: Winnetou IV, Mein Leben und Streben. Fast zeitgleich mit Mays Selbstbiografie veröffentlicht Rudolf Lebius »Die Zeugen Karl und Klara May«, – ein Pamphlet übelster Sorte. Wegen gegenseitiger Einsprüche werden sowohl Mays Selbstbiografie als auch das Lebius-Pamphlet nach kurzer Zeit verboten. |
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1911 |
8. Mai: Von Neuem schwer krank, schreibe ich
Ihnen heut nur sehr kurz. Ich habe meine Kräfte überschätzt,
Lungenentzündung und physische Aufregung bei den Zeugenvernehmungen
haben mich ganz kaputt gemacht … Ich muß ins Bad; ich reise schon
Donnerstag. [Karl May an den Rechtsanwalt Haubold] 11. Mai: Abreise nach Joachimsthal. Der Arzt Dr. Gottlieb verordnet Bäder. Von Mitte Juni bis Ende Juli verbringen Karl und Klara May einen Erholungsurlaub in Südtirol. Auf der Mendel verschlechtert sich sein Gesundheitszustand erneut. 18. Dezember: In einer Berufungsverhandlung (Klage vom 17. Dezember 1909) wird Rudolf Lebius wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 100 Mark verurteilt. |
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1912 |
25. Februar: May feiert seinen siebzigsten Geburtstag. Anfang März weilt May zum letzten Mal in Hohenstein-Ernstthal. Dort besucht er seine Schwester Wilhelmine Schöne; deren Enkelin Ilse erhält von ihm zur Einschulung eine Zuckertüte. 22. März: Karl May hält in Wien auf Einladung des ›Akademischen Verbandes für Literatur und Musik‹ vor fast 3000 Zuhörern seine große Friedensrede Empor ins Reich der Edelmenschen. Unter den Anwesenden befindet sich Bertha von Suttner. 30. März: Karl May stirbt nach 20 Uhr in seiner Villa »Shatterhand.« – ein großes Herz steht still. Als Todesursache ist eine chronische Blei/Cadmium-Vergiftung in Betracht zu ziehen. Mays Beisetzung erfolgt am 3. April auf dem Radebeul-Serkowitzer Friedhof.
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Radebeul, Kirchstraße 5 Villa »Shatterhand.« |
Besonderen Dank und Anerkennung gebühren den May-Forschern: Ekkehard Bartsch, Hansotto Hatzig, Dr. Christian Heermann, Dr. Klaus Hoffmann, Gerhard Klußmeier, Gernot Kunze, Fritz Maschke, Dr. Hainer Plaul, Professor Dr. Dr. h. c. mult. Claus Roxin, Dr. Hermann Wohlgschaft und Dr. Hans Wollschläger, die mit ihren Forschungen wegweisende Vorarbeiten geleistet haben. Ohne sie wäre diese tabellarische Internet-Biografie nicht möglich gewesen.
Ralf Harder